Schönau

Kotete sich Mann in Folge von "Willkür und Gewalt" der Polizei ein?

Eine Kontrolle endete mit Festnahme durch "unmittelbaren Zwang". Der Rechtsanwalt sieht Gewalt, Willkür und Verletzung der Menschenwürde.

03.06.2022 UPDATE: 04.06.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 38 Sekunden
Symbolfoto: Bernd Thissen/picture alliance/dpa

Schönau. (luw) "Polizeiliche Übergriffe sind keinesfalls sehr selten", sagt Jurist Prof. Dr. Christian Laue von der Neckargemünder Rechtsanwaltskanzlei Lamadé. Auch unter dem Eindruck des Todes eines 47-Jährigen im Rahmen einer Polizeikontrolle in Mannheim Anfang Mai wandte sich Laue nun mit einem Fall aus Schönau an die RNZ: Die Staatsanwaltschaft Heidelberg prüft aktuell eine Strafanzeige seines Mandanten gegen zwei Polizeibeamte wegen "Körperverletzung im Amt". Der Mann kotete sich während des Einsatzes der Polizisten ein, was aus Laues Sicht "Folge der Willkür und Gewalt" der Beamten sei. Nun soll sein Mandant die dadurch nötig gewordene Reinigung des Streifenwagens zahlen, was der Anwalt nicht zuletzt vor dem Hintergrund des erwähnten Mannheimer Falls als "sehr befremdlich" bezeichnet.

Ausgangspunkt war eine bereits ein Jahr zurückliegende, mutmaßliche Trunkenheitsfahrt des 65-jährigen Mandanten, der in Schönau wohnt: Nachdem dieser sein Auto an der eigenen Wohnanschrift abgestellt habe und beim Aussteigen hingefallen sein soll, rief ein Nachbar die Polizei. Eine gute halbe Stunde später kamen zwei Beamte bei dem Mann an und sahen den "Verdacht der Alkoholisierung" bestätigt, wie es in der polizeilichen Tatschilderung heißt, die der RNZ vorliegt. Bevor der 65-Jährige die beiden Beamten anzeigte, hatten diese ihn infolge desselben Vorfalls wegen "Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte" angezeigt. Hierfür war bereits eine Hauptverhandlung angesetzt, die nach der Anzeige gegen die Polizisten jedoch wieder abgesagt wurde; einen neuen Termin gibt es noch nicht. Darüber informierte Rechtsanwalt Laue auf Nachfrage. Das Verfahren wegen Trunkenheit am Steuer wurde übrigens wegen "geringer Schuld" eingestellt; laut Polizei ergab die Blutprobe einen Wert von 1,1 Promille. Diese wurde gut 90 Minuten nach der fraglichen Autofahrt genommen.

Der Zusammenfassung der Polizei zufolge lehnte der Schönauer an jenem Abend während des Gesprächs, das außerhalb des Hauses auf seinem Grundstück stattfand, einen freiwilligen Atemalkoholtest ab. Daraufhin habe ihm einer der Polizisten erklärt, dass er für eine Blutentnahme mit aufs Revier nach Neckargemünd kommen müsse. Dieser habe darauf hingewiesen, "dass der Transport und die Blutentnahme auch mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden können".

Der Mandant sei aber "nicht einverstanden" gewesen und habe zurück in seine Wohnung gewollt. Einer der Beamten folgte ihm laut dem Bericht und "ergriff einen Arm" des 65-Jährigen. Dieser habe sich geweigert mitzukommen, weshalb ihm Handschellen angelegt werden sollten. Auch dagegen wehrte er sich der Schilderung der Polizei zufolge "aktiv, indem er zunächst seine Arme sperrte und danach sich durch Hin- und Herwinden des Oberkörpers aus den Griffen" des Beamten zu befreien versuchte. Demnach brachten die Beamten den Mann schließlich zu Boden und legten ihm die Handschellen auf dem Rücken an. "Beim zu Boden bringen kotete sich Herr X. ein, was er mitteilte", heißt es weiter.

Anwalt Laue betont, dass diese Darstellung einen wesentlichen Punkt unterschlage: "Unser Mandant ist Diabetiker und muss daher öfter zur Toilette." Der Schönauer habe die Beamten im Gespräch "mehrfach darauf hingewiesen, dass er jetzt zur Toilette müsse". Einer der Polizisten habe ihm aber das Betreten seines eigenen Hauses verweigert. Dabei habe er dem Mandanten "nach dessen Eindruck absichtlich das Knie in den unteren Rücken gedrückt, sodass es zur Darmentleerung kam".

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Daraufhin habe der 65-Jährige "ausdrücklich darum gebeten, sich in seinem Hause zu reinigen – was ihm wiederum mehrfach verweigert wurde", so Laue weiter. "Stattdessen wurde unser Mandant von den Polizeibeamten mit Gewalt in seinem unwürdigen Zustand vor den Augen aller interessierten Nachbarn in das Polizeifahrzeug verfrachtet." Laut den Beamten beleidigte der Schönauer einen von ihnen mit "Arschloch".

Für Laue ist die Tat der Polizeibeamten "nicht gerechtfertigt", zudem sei die Menschenwürde seines Mandanten verletzt worden. Als "frappierend" bezeichnet er im RNZ-Gespräch, dass die Polizei in der zitierten Schilderung das "offensichtliche Fehlverhalten" der Beamten selbst dargestellt habe. Und dann wurde seinem Mandanten eben noch ein Gebührenbescheid über 87 Euro für die Reinigungskosten des Polizeiwagens zugeschickt. Der Schönauer sei nicht dazu verpflichtet, diese Kosten zu zahlen, "weil er rechtswidrig und gewaltsam dazu gezwungen wurde, in seinem Zustand das Fahrzeug zu betreten", so Laue.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage, dass die Vorermittlungen zur Anzeige des Schönauers gegen die Beamten wegen "Körperverletzung im Amt" nun veranlasst worden seien. Eine Anhörung der beiden angezeigten Polizisten zu den Vorwürfen habe noch nicht stattgefunden.

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