Warum drei junge Gegendemonstranten wieder Stress mit der Polizei haben
Die Jugendlichen wollten die "Spaziergänger" mit Kreidebotschaften ansprechen. Die Polizei hinderte sie daran.

Von Timo Teufert
Wiesloch. Eigentlich wollten sie Ärger mit der Polizei vermeiden: Deshalb haben drei Jugendliche am Montag mit Straßenmalkreide ihre Botschaften an die "Spaziergänger" auf das Pflaster am Adenauerplatz und an der Leimbach-Brücke gemalt.
Doch wie schon am 7. Februar, als die Polizei die Personalien des Mädchens aufnahm, weil die Gruppe am Adenauerplatz den "Spaziergängern" unangemeldet Plakate entgegenhielt, wurde die Polizei auch an diesem Montag auf die Jugendlichen aufmerksam: Nach Rücksprache mit der Stadt Wiesloch wurde die Gruppe gebeten, mit dem Malen der Botschaften auf die Straße aufzuhören – während wenig später ohne Genehmigung wieder "Spaziergänger" durch Wiesloch zogen.
"Wir haben uns Gedanken gemacht, was legal ist und was wir diese Woche machen könnten", berichtet einer der Jugendlichen im Gespräch mit der RNZ. Man habe sich deshalb dafür entschieden, mit Kreide, die nach einiger Zeit oder einem Regenschauer wieder von selbst vom Pflaster verschwinde, Sprüche auf die Straße zu schreiben.
"Maske auf" stand vier Mal am Adenauerplatz, "Marschiert nicht mit Nazis" an der Brücke des Leimbachs. "Als wir dabei waren, auf das Pflaster zu schreiben, stoppte ein Polizeiauto und die Beamten nahmen die Personalien von mir und meinem Freund auf", so der Jugendliche. Die 15-Jährige brauchte ihren Ausweis nicht mehr zeigen, man kenne ihre Personalien noch vom Montag zuvor.
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Offenbar hielt dann einer der Beamten Rücksprache mit der Stadt Wiesloch "Er sagte uns, dass das Bemalen der Straße eine Sondernutzung der Straße ist, und die Stadt Wiesloch das nicht wünscht", berichtet der Jugendliche. Man sollte mit dem Bemalen der Straße aufhören. "Wir hätten es wegen des einsetzenden Regens sowieso gelassen", sagt der Jugendliche. Er habe das Gefühl, die Polizei fühle sich durch ihre Aktionen gegen die "Spaziergänger" provoziert, weshalb es zu der erneuten Kontrolle gekommen sei.
Ein Polizeisprecher bestätigte auf RNZ-Nachfrage, dass "gegen 16 Uhr in der Hauptstraße auf Höhe der Schlossstraße Jugendliche angetroffen und kontrolliert wurden". Da "das Bemalen der Straße vom widmungsgemäßen Gemeingebrauch der Straße nicht umfasst" sei, stelle es nach dem baden-württembergischen Straßengesetz sowie "nach einschlägiger Rechtsprechung" eine Sondernutzung dar.
Ob es sich bei der Kontrolle um die gleichen Beamten handelte wie am Montag zuvor, wollte der Sprecher aus einsatztaktischen Gründen nicht sagen. "Im Vorfeld, im Verlauf und im Nachgang zu größeren Einsatzlagen wie Demonstrationen/Versammlungen führt die Polizei grundsätzlich vielfältige Maßnahmen durch, um potenzielle Störungen für die Bevölkerung beziehungsweise Versammlungsteilnehmer frühzeitig zu erkennen", so der Sprecher. Vor diesem Hintergrund hätten auch die Kontrollen am 7. Februar und am 14. Februar stattgefunden.
Auch die Stadt Wiesloch bestätigt den Vorgang: "Seitens des Ordnungsamtes wurde der Polizei mitgeteilt, dass es sich hierbei um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung gemäß Paragraf 16 des Straßengesetzes Baden-Württemberg handelt, da es sich um öffentlichen Verkehrsraum handelt. Da hierfür keine Genehmigung vorlag, wurden die Jugendlichen aufgefordert, die weitere Beschriftung zu unterlassen", erklärt Jürgen Morlock vom Ordnungsamt der Stadt Wiesloch.
Die Personalien der Jugendlichen mussten laut Morlock aufgenommen werden, da ihnen für eine mögliche Beseitigung der Beschriftung die Kosten in Rechnung gestellt werden müssten. "Aufgrund des später einsetzenden Regens stellte es sich dann heraus, dass die aufgebrachte Kreide relativ rasch weggewaschen wurde, sodass das Ordnungsamt keinen Anlass sah, weitere Veranlassungen zu treffen", erklärte Morlock. Bei der Beschriftung beziehungsweise Bemalung von öffentlichen Verkehrsflächen handele es sich nach gängiger Rechtsprechung um eine Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus. "Entsprechende Genehmigungen werden regelmäßig nicht erteilt, um einen Nachahmungseffekt zu vermeiden", sagte Morlock.
Update: Mittwoch, 16. Februar 2022, 18.41 Uhr
Polizei kontrollierte Jugendliche, die "Spaziergänger" aber nicht
Wiesloch. (tt) Zwei unangemeldete Demonstrationen am Montagabend in der Wieslocher Innenstadt, zwei unterschiedliche Vorgehensweisen der Polizei: Während die Beamten die rund 300 "Spaziergänger" auf ihrem Weg zwar 13 Mal per Durchsage zum Tragen der Masken und zur Einhaltung der Mindestabstände aufforderten, wurde aber niemand von ihnen kontrolliert. Anders als die drei Jugendlichen, die mit einem Banner und zwei Pappschildern an der Ecke von Schloss- und Hauptstraße gegen die "Spaziergänger" protestierten.
"Euer Egoismus tötet Menschen" und "Spaziert nicht mit Nazis" hatten die 15- und 16-Jährigen auf ihre Schilder geschrieben, die sie den "Spaziergängern" entgegenhielten, als diese über die Schloss- und Hauptstraße in Richtung Ringstraße zogen. Als der von vier Streifenwagen begleitete "Spaziergang" den Adenauerplatz passiert hatte, blieben dort drei Streifenwagen stehen, um wegen der unangemeldeten Versammlung die drei Jugendlichen zu kontrollieren.
"Es war schon grotesk: Kaum war der Zug vorbeigezogen, hielten drei Polizeiwagen bei uns und sechs Polizisten stellten sich um uns und forderten uns auf, wegen unserer ,unangemeldeten Versammlung’ unsere Personalien anzugeben", berichtet einer der Jugendlichen im Anschluss. Die drei Jugendlichen wollten der Aufforderung zunächst nicht nachkommen: "Wir befürchten Konsequenzen." Nachdem sich vier der sechs Beamten zurückgezogen hatten, händigte eine Jugendliche den Beamten ihren Ausweis aus. Auf eine Diskussion, warum sie kontrolliert wurden, die "Spaziergänger" aber nicht, ließen sich die Beamten nicht ein.
"Der Adenauerplatz war der Sammelpunkt für die Einsatzkräfte der Polizei. Deshalb standen mehrere Streifenwagen dort. Da die drei Jugendlichen eine Gegenkundgebung zu den ,Spaziergängern’ bildeten, ausgestattet mit Pappschildern und einem Transparent, fragte lediglich eine Streifenwagenbesatzung die Jugendlichen hinsichtlich eines Versammlungsleiters an", erklärte die Polizei am Mittwoch. Eine der Drei habe sich gemeldet, worauf lediglich die Personalien erhoben wurden. "Ansonsten bewerteten wir die Situation als Spontanversammlung und ließen sie weiter gewähren ohne irgendwelche Konsequenzen", so ein Sprecher der Polizei.
Auch warum die "Spaziergänger" nicht kontrolliert wurden, erklärte er: "Ob ein Spaziergang als Versammlung zu werten ist, bedarf immer einer Einzelfallprüfung." Deshalb sei in anderen Orten, in denen "Spaziergänger" unterwegs sind, immer auch die Versammlungsbehörde dabei. Das, was einen typischen Versammlungscharakter ausmache, seien beispielsweise das Skandieren von Parolen oder das Mitführen von Transparenten. "Bei genauerer Betrachtung könnte eine Versammlungseigenschaft jedoch auch naheliegen. Sofern keine massiven Verstöße aus den Reihen der ,Spaziergänger’ begangen werden, wie Sachbeschädigung oder Körperverletzungen, schreiten wir in der Regel nicht ein", so der Polizeisprecher. Verstöße gegen die Maskenpflicht werden als Ordnungswidrigkeiten gezählt und rechtfertigten aus Sicht der Polizei nicht, den Spaziergang zu untersagen und aufzulösen.
Dies sei nur mit einer Allgemeinverfügung möglich, zu der sich die Stadt Wiesloch aber wegen rechtlicher Bedenken nicht durchringen kann. Stattdessen wurde letzten und vorletzten Montag die Straßenbeleuchtung in der Innenstadt abgeschaltet. "Das ist ein symbolischer Akt, mit dem wir die Form missbilligen, wie hier eine Demonstration durchgeführt wird, die Regeln für eine Demonstration aber nicht eingehalten werden", erklärte Oberbürgermeister Dirk Elkemann auf Nachfrage. Es sei vollkommen in Ordnung, die Corona-Maßnahmen kritisch zu betrachten. "Es ist aber nicht in Ordnung, keine Maske zu tragen und keine Abstände einzuhalten", so der OB. Das Abschalten der Straßenbeleuchtung habe man im Gemeinderat beraten, "und eine Mehrheit konnte sich dem anschließen", berichtete Elkemann.



