Tongrube Rettigheim: Umzugsprogramm für seltene Arten
Informationsabend der Firma Wienerberger zu Erweiterungsplänen für die Tongrube Rettigheim - Rekultivierung soll besser klappen

Die Firma Wienerberger will die Tongrube in Rettigheim erweitern. Die Grafik zeigt die avisierte Fünf-Hektar-Fläche auf Malscher Gemarkung. In Malsch und Rettigheim wurde über das Vorhaben, Artenschutz und Rekultivierung informiert. Foto/Repro: Hebbelmann
Malsch/Rettigheim. (heb) 300 Brezeln hatte die Firma Wienerberger besorgt, doch zur Informationsveranstaltung in Rettigheim kamen nur rund zwei Dutzend Bürger. Es ging - wie auch am Abend zuvor in Malsch - um den Antrag des Ziegelproduzenten, die Tongrube in Rettigheim zu erweitern.
Die Tonvorkommen auf der bisherigen Genehmigungsfläche sind laut dem Unternehmen erschöpft, eine fünf Hektar große Erweiterungsfläche (das entspricht der Hälfte der bisherigen Abbaufläche) auf Malscher Gemarkung soll die Zukunft des Werks mit 55 Arbeitsplätzen für die nächsten 20 Jahre sichern. Den wärmedämmend wirkenden Poroton-Stein könne man nur aus "Rettigheimer Schieferton" und "Mälscher Goldgelb" herstellen, betonte Werksleiter Jürgen Förderer. Für Wienerberger nehme der Standort an der wirtschaftsstarken Rheinschiene eine Schlüsselposition ein.
Im Auftrag des Ziegelproduzenten erläuterte der Biologe und Umweltplaner Andreas Ness das Vorhaben. Demnach soll der Tonschiefer auf der Erweiterungsfläche schrittweise abgebaut und die Grube dann wieder verfüllt werden. Auch die Rekultivierung der vorhandenen Grube werde vorangetrieben. Für Gelbbauchunken, Zauneidechsen und andere geschützte Arten, die - für viele überraschend - inmitten des Abbauareals eine Heimstatt gefunden haben, präsentierte er ein ausgeklügeltes und aufwendiges "Umzugsprogramm" mit sogenannten Wanderbiotopen, die am Ende des Abbaus in einer dauerhaften Ausgleichsfläche mit Offenland münden sollen. Als Ziel gab der Umweltplaner an, dass die Rekultivierung in 25 Jahren abgeschlossen sein soll.
Nach seinen Worten und den an den Stellwänden vorgestellten Plänen sah das alles vorbildlich aus. Doch die Bürger waren skeptisch und stiegen gleich in eine lebhafte Diskussion ein. Sie sorgten sich, dass der Brettwald als durchgehendes Wald- und Naherholungsgebiet und das an das Erweiterungsgebiet angrenzende europäische Schutzgebiet (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) beeinträchtigt werden könnten. Warum hat sich die Rekultivierung bisher so verzögert? Antwort: Als der Abbau die Genehmigungsgrenze erreichte, entschloss sich der Ziegelproduzent, tiefer zu graben als ursprünglich geplant, um die Produktion nicht zu gefährden.
Der abgebaute Ton wird nicht auf direktem Weg zur Bundesstraße B 3 transportiert, weil laut dem Planer zwischen Grube und B 3 ein Schutzgebiet liegt. Der Tonabfuhrweg bleibt derselbe, er führt zwischen Malsch und Rettigheim in einem Bogen um den Galgenberg zur B 3. Zehn bis 15 Lkw-Fahrten am Tag sind unter der Woche vorgesehen. Über dieselbe Strecke soll die Grube auch wieder verfüllt werden.
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Ein ehemaliger Rettigheimer Gemeinderat wetterte: "Der Gemeinderat in Malsch wird zustimmen, doch den Lärm und Dreck haben wir hier in Rettigheim." Er habe die gleiche Situation schon vor Jahren erlebt: Erweiterung bei tiefem Abbau. "Die Renaturierung wurde schöner dargestellt, als sie ist." Gefragt wurde auch nach Garantien, dass es mit der Verfüllung klappt und kein belastetes Material angeliefert wird.
Bürgermeister Jens Spanberger betonte, dass nur nachweislich unbelastete Erde eingebracht werden dürfe und die Herkunft dokumentiert werden müsse. Die zuständige Bergbehörde kontrolliere die Gemeinde als Grundstückseigentümerin und die beauftragte Firma bei der sachgerechten Durchführung der Rekultivierung. Spanberger ergänzte, dass die Gemeinde finanziell durchaus profitiere.
Der Hydrogeologe Carsten Munk erläuterte anschließend noch die geologischen Verhältnisse im Gebiet und ging darauf ein, warum das Bad Schönborner Heilwasser von den Folgen der Erweiterung nicht betroffen sei.
Einige Teilnehmer erinnerten sich, dass noch in den 80er Jahren Schadstoffe in der seit 1964 bestehenden Tongrube entsorgt worden seien und die Lkw durch den Ort bretterten. Da sei die Halle bei einer Versammlung so voll gewesen, dass die 300 Brezeln bei Weitem nicht gereicht hätten ...



