Flüchtlingen "einen guten Start ermöglichen"
Rauenbergs Gemeindeverwaltung informierte die Bürger über die aktuelle Flüchtlingssituation in der Weinstadt

Das Anwesen in Malschenberg (Letzenbergstraße 2) für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen. Foto: Pfeifer
Rauenberg. (oé) Knapp zwei Stunden lang gaben am Mittwochabend die Vertreter der Stadt Rauenberg und der Polizei den Bürgern in der voll besetzten Kulturhalle umfassend und detailliert Einblick in die Flüchtlingssituation in der Weinstadt und beantworteten viele Fragen. Vertreter des Kreises nahmen an der Veranstaltung nicht teil, was im Publikum durchaus kritisch angemerkt wurde. Bürgermeister Peter Seithel fand allerdings lobende Worte für den Kreis und bat um Verständnis: Angesichts der Vielzahl der Veranstaltungen derzeit könnten die Mitarbeiter des Landratsamtes nur dorthinkommen, wo der Kreis selbst eine Gemeinschaftsunterkunft betreibe. Dies sei in Rauenberg aber nicht der Fall.
Es hätte aber durchaus der Fall sein können, wie aus den Ausführungen des Bürgermeisters an diesem Abend deutlich wurde. Denn der Kreis hatte Interesse an einem ehemaligen Firmengebäude mit Wohnhaus in der Letzenbergstraße 2 in Malschenberg. Ein Investor hätte das Anwesen erwerben sollen und der Kreis hätte es dann langfristig angemietet, um dort Flüchtlinge unterzubringen, so der Bürgermeister. Die Stadt Rauenberg hat sich jedoch entschlossen, das Objekt selbst zu erwerben, um hier Menschen im Zuge der sogenannten "Anschlussunterbringung" einzuquartieren. Die Kommunen sind dazu gesetzlich verpflichtet und bekommen die Menschen "entsprechend der Einwohnerzahl" vom Kreis zugeteilt. Es handelt sich um Personen, über deren Bleiberecht bereits "unanfechtbar entschieden" wurde oder die bereits das Maximum von zwei Jahren in einer Gemeinschaftsunterkunft des Kreises verbracht haben.
Wie der Bürgermeister betonte, ist der Kauf des Anwesens durch die Gemeinde "vor wenigen Tagen vollzogen" worden. Die Planungsleistungen sollen bereits in der Gemeinderatssitzung am kommenden Mittwoch vergeben werden. Noch stehe man allerdings erst am Anfang. Die Planungen würden jedoch öffentlich vorgestellt, auch in Malschenberg. Weil der Planungsprozess jetzt erst beginnt, tat sich der Rathauschef schwer, auf eine entsprechende Frage hin schon jetzt eine konkrete Zahl zu nennen, wie viele Menschen in der Letzenbergstraße 2 unterkommen könnten. Er sprach von "30 bis 40 Personen", "nageln Sie mich jetzt aber nicht auf eine Zahl fest".
Bislang leben in der Stadt 20 Flüchtlinge in der "Anschlussunterbringung"; 14 davon in einem stadteigenen Gebäude in Rotenberg, sechs in angemieteten Wohnungen in Rauenberg. Während in Rotenberg vor allem Einzelpersonen leben, sind es in Rauenberg eine Familie und eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern. Größtenteils stammen die Flüchtlinge aus Afrika, wie Simon Bolg vom Rauenberger Ordnungsamt weiter darlegte. In diesem Jahr sind bereits sechs Flüchtlinge zugewiesen worden, 38 weitere sollen noch folgen. Prognosen für 2017 seien "äußerst schwierig". "Wir schätzen etwa die doppelte Anzahl dieses Jahres", so Bolg. Bürgermeister Seithel bestätigte auf eine entsprechende Frage hin, dass eine Zuteilungsquote von etwa einem Prozent der Bevölkerung durchaus realistisch sei. In Rauenberg wären dies jährlich etwa 85 Personen. Auch der Familiennachzug wird künftig eine Rolle spielen. Der Bürgermeister nannte hier einen Multiplikationsfaktor von "vier bis fünf".
Kein Wunder also, dass die Kommune trotz der eigenen Anstrengungen weiter auf der Suche nach geeignetem Wohnraum für die Flüchtlinge ist. "Jedes Angebot ist eine Hilfe", so der Bürgermeister. Kämmerer Thomas Dewald zufolge denkt die Stadt dabei aber weniger ans Kaufen als ans Mieten - und dies zu ortsüblichen Preisen. "Villa-Preise für Abrissobjekte zahlen wir nicht", stellte er klar. Allerdings ist die Stadt auch eine "äußerst solvente Mieterin", wie Ordnungsamtsleiter Bolg betonte.
Bürgermeister Seithel zufolge ist die Kommune auch weiterhin bestrebt, die Flüchtlinge möglichst dezentral unterzubringen. Bisher hat man damit die besten Erfahrungen gemacht, wie auch Klaus Widmaier, der Leiter des Polizeipostens Mühlhausen, betonte. Wenn es einmal zu Polizeieinsätzen komme, dann in großen Gemeinschaftsunterkünften, in denen 200 oder 300 Menschen auf engstem Raum zusammenlebten. Probleme wie Streitigkeiten oder Diebstähle spielten sich dort hauptsächlich im Innern ab, die Außenwirkung sei "relativ gering". Noch weniger passiert der bisherigen Erfahrung der Polizei zufolge in der Anschlussunterbringung. In Rotenberg beispielsweise, wo nur Einzelpersonen leben, hat es Widmaier zufolge bislang "keinerlei polizeiliche Vorkommnisse" gegeben. Eine Nachbarin bestätigte dies ausdrücklich.
Die Stadt tut ein Übriges, indem sie für eine "intensive Betreuung" der Flüchtlinge sorgen will. Mit dafür zuständig ist die neue Integrationsbeauftragte des Gemeindeverwaltungsverbands, Daniela Lieske. Sie kann sich dabei auf einen wachsenden Kreis an ehrenamtlichen Helfern stützen. Bürgermeister Seithel berichtete von einer "großen Welle der Unterstützung". Auf einen ersten Aufruf hin meldeten sich bereits 60 bis 70 Personen. Auch auf der Veranstaltung artikulierte sich spontane Hilfsbereitschaft. Das betraf Möbel und Kücheninventar ebenso wie die Begleitung bei Einkäufen. Wer helfen wolle, sei "jederzeit willkommen", so die Integrationsbeauftragte, die man mittwochs bis freitags im Rauenberger Rathaus antreffen kann (montags ist sie in Malsch, dienstags in Mühlhausen). Sie will auch "so bald als möglich" zu einem weiteren Treffen einladen.
Bei all dem ließ Peter Seithel keinen Zweifel daran, dass die Integration eher "ein Marathon wird als ein 100-Meter-Lauf". Sein Appell: Man solle den Flüchtlingen "offen und herzlich" und "mit Respekt" begegnen und ihnen "einen guten Start in die neue Umgebung" ermöglichen. Für ihn ist das "eine Frage der Menschlichkeit". Der Bürgermeister schloss mit einem Zitat: "Man wird das 21. Jahrhundert einmal daran messen, wie es mit den Flüchtlingen umgegangen ist."



