Wiesloch

Die Schausteller "leben nach dem Prinzip Hoffnung"

Das Schaustellergewerbe durchlebt harte Zeiten - Willi Lowinger berichtet von den Herausforderungen im Zuge der Pandemie

25.08.2020 UPDATE: 26.08.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden
In der Coronakrise fielen und fallen unzählige Volksfeste, Kerwen und andere Veranstaltungen aus, etwa das Winzerfest, von dem diese Eindrücke stammen. Das trifft die Schausteller, die sonst für Budenzauber und Spaß auf dem Rummel sorgen, hart. Foto: Pfeifer

Von Hans-Dieter Siegfried

Wiesloch. Willi Lowinger weiß, wovon er spricht. "Das Schaustellergewerbe steht vor einer großen Herausforderung", fasst er im RNZ-Gespräch die Situation des "fahrenden Volks" zusammen. Lowinger, selbst über viele Jahre hinweg mit Autoscooter und anderen Fahrgeschäften unterwegs, hat sich längst dem Management gewidmet. Er organisiert Feste, handelt Verträge aus und kümmert sich in Absprache mit den Verantwortlichen in den jeweiligen Rathäusern um die Abwicklung und Durchführung der Veranstaltungen. So war er lange für die Logistik des Winzerfests in Wiesloch zuständig, ehe er 2017 die Geschäfte seiner Tochter Karen übertrug – doch der "Willi" kann es nicht lassen und arbeitet natürlich weiter mit.

Willi Lowinger. Foto: Helmut Pfeifer

Bedingt durch die Corona-Pandemie fielen unzählige Volksfeste, Kerwen und andere Veranstaltungen aus. Und wie es mit Blick auf die Weihnachtsmärkte weitergehen wird, steht noch in den Sternen. "Corona wird uns sicherlich noch eine lange Zeit begleiten", befürchtet Lowinger. "Meine Hoffnungen richten sich darauf, dass alsbald ein Impfstoff auf dem Markt sein wird", sagt er. Für ihn waren die letzten Wochen und Monate hart. "Wir hatten bereits viel Zeit in die Vorplanungen investiert – und dann wurde zwangsläufig alles abgesagt."

Fast 25 Feste wurden gestrichen, so unter anderem in Wiesloch das Winzerfest, der Frühlings- und Herbstmarkt sowie das Stadtfest. Auch in der näheren Umgebung wären die Lowingers normalerweise in den vergangenen Wochen aktiv gewesen, betreibt doch Tochter Karen einen Imbisswagen und ein kleines Fahrgeschäft. Doch der Spargelmarkt in Walldorf fiel ebenso ins Wasser wie der Fohlenmarkt in Sinsheim. Viele Schausteller würden es nicht überstehen, eine solch lange Zeit ohne Einnahmen auszukommen, meint Willi Lowinger. "Ich habe aus dem Kollegenkreis vernommen, dass bereits Fahrgeschäfte verkauft wurden, um so wenigstens etwas Geld in die ansonsten leeren Kassen zu bekommen", erzählt er. Und: Viele der Schausteller hätten sich zwischenzeitlich einen Nebenjob gesucht.

Foto: Pfeifer

Dennoch blicken die Lowingers nach vorne. "Wir werden bereits im September die Verträge für die Veranstaltungen im kommenden Jahr vorbereiten und aushandeln." Sollte es aber weitere Ansteckungswellen geben, sieht Willi Lowinger eine Gefahr in möglicherweise zu hohen Auflagen und den damit verbundenen Kosten für die Schausteller. "Das können viele sicherlich finanziell nicht stemmen", ist er sich sicher und hat im Hinblick auf die Weihnachtsmärkte eine klare Meinung: "Ein bisschen Weihnachtsmarkt funktioniert bestimmt nicht, dann sollte man lieber absagen."

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Für Karen Lowinger selbst, die mit ihren zwei Geschäften derzeit eigentlich auf Achse wäre, gab es aus dem Konjunkturpaket ein Überbrückungsgeld. "Aber auch nur, weil ich einen gastronomischen Betrieb mit im Angebot habe", räumt sie ein. Andere Schausteller hätten da nichts bekommen. Jetzt hoffen sie auf eine Stabilisierung der Lage. "Wir leben nach dem Prinzip Hoffnung", gaben beide unumwunden zu. Einen zweiten, umfassenden Lockdown sehen sie kritisch. "Das würden wir alle wirtschaftlich nicht durchstehen", befürchten sie. Gerade in der heutigen Zeit sei es doch wichtig, den Menschen Abwechslung zu bieten, Kommunikationsplattformen zu schaffen und Spaß und Freude zu vermitteln. "Dies ist derzeit nicht möglich."

Foto: Pfeifer

Für Willi Lowinger ist die heutige Situation zwar neu, allerdings hat er in seinem unternehmerischen Leben bereits so manche Höhen und Tiefen mitmachen müssen. Mit 16 Jahren verließ er die Schule, um im elterlichen Schausteller-Betrieb mit anzupacken. Beim Blick in die Familiengeschichte wird deutlich: Die damals noch in Ladenburg beheimateten Lowingers waren mindestens seit 1830 "auf Tour". Zunächst in Baden, der Pfalz und im Elsass mit Schaubuden à la "Dame ohne Unterleib", dann kam ein "Lichtspielhaus" hinzu. Bereits Willis Vater hatte sich als Organisationstalent erwiesen und in seine Fußstapfen trat dann später auch sein Sohn. "Ich habe da volle Pulle weitergemacht, wo mein Vater aufgehört hat", sagt Willi Lowinger, der inzwischen mehr als 55 Jahre Erfahrungen im Schaustellergewerbe gesammelt hat.

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