Weinheim

Wie die Kulturgemeinde um Publikum kämpft

Kulturmacher richteten unterhaltsame Programmvorstellung aus - RNZ sprach mit Stammgästen

26.09.2019 UPDATE: 27.09.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden

Angelika Keßler-Haus, Erste Vorsitzende der Kulturgemeinde, Geschäftsführer Martin Grieb und Moderator Roland Kern. Foto: Dorn

Von Philipp Weber

Weinheim. Ursula Haschel, Ariane Diez und Lilo Haug sind Stammgäste in der Stadthalle. Seit Jahren - in einem Fall sogar seit Jahrzehnten - besuchen sie die Vorstellungen von Tourneetheatern, Operettenbühnen oder lokalen Schauspielgruppen, die die Kulturgemeinde Saison für Saison in Weinheims gute Stube holt. "Das Angebot hatte immer Qualität", betonen sie. Aber auch ihnen ist aufgefallen, dass sich die Reihen seit Jahren lichten. Und das im wahrsten Wortsinn: Bei vielen Vorstellungen ist es leerer geworden in der Halle. "Obwohl das angesichts der gebotenen Vielfalt kaum erklärbar ist."

Inzwischen ist der Bühnenbetrieb zum Politikum geworden. Zwar hatte der Gemeinderat den Spielbetrieb vergangene Woche per Freigabe eines 40.000- Euro-Zuschusses vorläufig gesichert. Im Räterund wurden aber auch Konzepte gefordert, die die Kulturgemeinde zukunftsfest machen sollen. Auch die Betroffenen selbst bemühen sich um die Kundschaft, noch stärker als sonst: So haben die Macher der Kulturgemeinde am Mittwochabend zu einer öffentlichen Programmvorstellung in die Stadthalle eingeladen. Rund 70 Besucher nehmen das Angebot an.

Sie bekommen einen furiosen Auftakt zu sehen. Martin Grieb und Katja Hoger entern die Bühne. Sowohl der Geschäftsführer der Kulturgemeinde als auch die Geschäftsführende Schulleiterin Hoger sind begeisterte Sänger. Gemeinsam interpretieren sie das Duett "Totale Finsternis" aus dem Musical "Tanz der Vampire" - finale Kuschelszene inklusive. Pianistin Oxana Schmiedel begleitet sie am Flügel. Der Song ist ein zarter Fingerzeig auf eine der kommenden Bühnenattraktionen von Kulturgemeinde, Theaterverein Holzwurm und Musikschule: "Holzwurm meets Musical" heißt die Revue, die am 17. November über die Bühne geht.

Ein weiterer prominenter Unterstützer der Kulturgemeinde hat die Moderation übernommen: Stadtsprecher Roland Kern führt durchs Programm. In dessen Verlauf bittet er neben Hoger und Grieb Angelika Keßler-Hauß, die Erste Vorsitzende der Kulturgemeinde, Vorstand Christa Ohligmacher und Cheftechniker Thomas Neitzel zum Gespräch. Es wird ein kurzweiliger Abend, den Pianistin Schmiedel mit Chopins Walzer in cis-moll und der legendären Miss-Marple-Jingle bereichert.

Während Schulleiterin, Sängerin und Kabarettistin Hoger eigentlich schon auf dem Weg zur nächsten Holzwurm-Probe ist, erklärt Keßler-Haus die organisatorische Arbeit der Weinheimer Kulturmacher. Jede Saison benötige einen Vorlauf von 14 bis 16 Monaten, erzählt sie. In der Auswahl seien klassische Tourneetheater, aber auch Ensembles, die nur gelegentlich touren. Diese stellen ihr Angebot in Online-Messen aus. "Dann gilt: Wer früh bucht, hat die größere Auswahl." Einmal in Fahrt gekommen, betont die Vorsitzende das Prinzip Vielfalt: Es ist ein entscheidendes Merkmal der Kulturgemeinde. Sprechtheater, Oper, Operette, reine Musikvorführungen: Der Bühnenbetrieb setzt auf die Breite.

Wobei der Trend eindeutig in Richtung leichtere Kost und Lokalkolorit geht, wie auch Geschäftsführer Grieb betont. Das ernste Theater ziehe weniger. Dennoch empfiehlt Keßler-Haus das Stück "Tod eines Handlungsreisenden" (Arthur Miller), mit dem das Alte Schauspielhaus Stuttgart am 12. Februar 2020 in Weinheim gastiert. Schauspieler Helmut Zierl gibt die tragische Hauptfigur Willy Loman. "Dafür wäre ich auch nach Stuttgart gefahren", so die Vorsitzende.

Sie deutet damit einen Aspekt an, den später auch die erfahrene Kommunalpolitikerin Ohligmacher streift: Der Verlust oder die Einschränkung eines solchen Angebots wäre ein herber Schlag ins Kontor eines Mittelzentrums wie Weinheim. Doch letztlich überwiegen die heiteren Themen. Keßler-Haus und Grieb berichten vom Umgang mit den Stars und Sternchen. Grieb hat sich bei seinem Vorgänger Hanno Stein umgehört.

Schauspieler Hans Clarin habe Stein einst abwerben wollen, weil dieser den vermeintlichen Ausfall eines Stücks so täuschend echt ankündigte, dass die Zuschauer den Saal verließen. Dabei war dies Teil der Inszenierung. Anouschka Renzi wiederum konnte nur auftreten, wenn es Nussschokololade gab. Der Geschäftsführer eilte zu Edeka. Techniker Neitzel berichtet von einem Massenaustausch an Steckdosen: Ein Ensemble hatte vergessen, Stecker mit EU-Norm mitzubringen. Es gibt viel zu lachen in der gut einstündigen "Show". Dennoch wirken die Kulturmacher nervös. Das Image der Kulturgemeinde sei angestaubt, sagen einige anwesende Lokalpolitiker im RNZ-Gespräch. Das sei das große Problem.

Dass es in solchen Fällen nicht einfach ist, das Ruder herumzureißen, davon kann nicht nur der Bühnenbetrieb ein Lied singen. Die Stammkundinnen Haschel, Diez und Haug haben eine Idee: den Jugendgemeinderat verstärkt einbeziehen. Dieser solle das Scharnier zwischen Zielgruppen, Gemeinderat und Kulturgemeinde bilden.

Info: www.kulturgemeinde.de

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.