Von Filetstücken, Stellplätzen und Autoscootern
Amtshausplatz "wandert" in Zukunftswerkstatt von OB Just - Fraktionen fanden keine Position zu Bauvorhaben an Brandwand

Von Philipp Weber
Weinheim. Zumindest in einem Punkt herrschte Einigkeit im Ratssaal: Die Brandwand im Nordosten des Amtshausplatzes ist keine Zier für Weinheims Innenstadt. Manuel Just sprach sogar von einem städtebaulichen Missstand, der Flaneuren an der Ecke Hauptstraße/Schlossergässchen regelrecht ins Auge springt. Dennoch wollten die Fraktionen den Änderungsvorschlägen des OB nicht folgen: Im Verlauf der Gemeinderatssitzung am Mittwochabend kam kein Beschluss zustande, der einen Verkauf und eine Bebauung der 251 Quadratmeter großen Fläche direkt an der Brandwand ermöglicht. Vielmehr nahm OB Just die Beschlussvorschläge der Verwaltung zurück und verwies die Thematik in die Zukunftswerkstatt, die im Jahr 2020 anläuft.
Was war der Plan der Stadt? OB Just und die Verwaltung hatten in der Beschlussvorlage dafür geworben, die 251-Quadratmeter-Fläche zum aktuellen Bodenrichtwert von 680 Euro pro Quadratmeter an die Eigentümer des "Brandwand-Anwesens" zu verkaufen. Als Kaufpreis hatte die Verwaltung 171.000 Euro aufgerufen. Laut Mitteilung der Interessenten wollen diese das Grundstück an der Wand nutzen, um ein weiteres Haus mit einer Ladenfläche und Wohnungen zu bauen. In letztere sollen Familienmitglieder einziehen, die ohnehin ein neues Zuhauses suchen.
Für die Verwaltung entscheidender: Die Interessenten hatten der Idee zugestimmt, gemeinsam mit der Stadt Weinheim einen rund 50.000 Euro teuren Architektenwettbewerb zu finanzieren, um später ein ansprechendes Gebäude zu bekommen. Wäre der Verkauf zustande gekommen, hätte sich wohl gar nicht so viel geändert auf dem Amtshausplatz. Jedenfalls auf den von der Hauptstraße aus gesehen "hinteren" Teilen des Platzes. Lediglich zehn Dauerparkplätze für Gewerbetreibende hätten in die Schlossberggarage verlegt werden müssen. Festbühnen und Autoscooter hätten immer noch Platz gehabt.
Was bereitete so vielen Stadträten Bauchschmerzen? Als erste erklärte Frieda Fiedler (GAL), dass es in ihrer Fraktion kein einheitliches Meinungsbild gebe. Einerseits unterliege der Amtshausplatz schon seit den 1960er-Jahren einer eigentlich ungewollten Zwischen-Nutzung als Parkplatz. Der Platz könne durchaus wieder bebaut werden. Andererseits sei in Teilen der GAL der Eindruck entstanden, dass die Stadt das 251 Quadratmeter große "Filetstück" an der Hauptstraße zu einem arg günstigen Preis abgibt. Die Stadtgesellschaft müsse die Zukunft des Platzes ohnehin in einem größeren Rahmen debattieren. Bürger und Händler seien einzubeziehen. Auch Fragen zur Mobilität der Zukunft müssten dabei eine Rolle spielen.
Auch interessant
Monika Springer (Freie Wähler) zeigte Verständnis für die Sorgen, die die Einzelhändler mit Blick auf wegfallende Parkplätze geäußert hatten. "In Weinheim kann man nicht mit der U-Bahn zum Shoppen fahren", sagte sie. Hier kämen die Kunden mit dem Auto zum Einkaufen – oder sie bestellten die Ware gleich im Internet. Zumal durch die geplanten Wohnungen noch mehr Fahrzeuge dazukommen könnten. Auch sie mahnte eine Gesamtlösung an und sprach ebenso wie Fiedler von einem "Filetstück", bei dessen Erwerb die Bauinteressenten sehr günstig wegkämen. Der Interessentenfamilie sei durchaus ein gutes Bauprojekt zuzutrauen, setzte Holger Haring (CDU) zu seinem großen Aber an: Ihm fehle ein Grobkonzept, um in weitere Planungen einsteigen zu können, sagte er. Ziel müsse selbstverständlich die städtebauliche Aufwertung des ganzen Platzes sein.
Daniel Schwöbel gab eine sehr pointierte Stellungnahme ab: Ihm missfielen Ausdrücke wie "Schandfleck" oder "Baulücke", die im Zusammenhang mit dem Platz gebraucht würden: "Ich habe bisher kaum schöne Parkplätze kennengelernt." Dennoch könne er die Aufregung der Einzelhändler über die Verlegung einiger Parkplätze nicht nachvollziehen, so der Sozialdemokrat: "Wer der eigenen Kundschaft Parkraum wegnimmt, ist nicht in Not." Auch ihm seien 171.000 Euro Ablöse an die Stadt zu wenig ("Das ist ein halber Bolzplatz") und die städtischen Kosten für den Architekturwettbewerb zu hoch. Zumal die Stadt sämtliche Kosten tragen müsste, wenn das Geschäft platzt. Auch Carsten Labudda und Matthias Hördt (Die Linke) konnten keine gemeinsame Position vorstellen. Wolfgang Wetzel (FDP) und Günter Deckert (DL) äußerten ebenfalls Bedenken wegen des niedrigen Verkaufspreises.
Wie reagierte OB Just? Bereits vor Beginn der Debatte hatte Just signalisiert, dass er die 251-Quadratmeter-Fläche auch über ein Bieterverfahren veräußern würde. Aus baurechtlichen Gründen sei ein direkter Anschluss eines Neubaus an die Brandwand allerdings eher mit den ursprünglichen Interessenten zu bewerkstelligen als ohne diese, so der OB.
In Bezug auf den gesamten Platz sei er bisher "von der Idee getrieben gewesen", den schlimmsten Missstand (die Brandwand, Anm. d. Red.) mithilfe eines Kompromisses zu beseitigen. Größere Sprünge habe der Gemeinderat bislang nicht gemacht, verwies er auf Beratungen in den Jahren 2013 und 2015, die ergebnislos geblieben seien. "Wenn der Gemeinderat es jetzt will, stellen wir ein Konzept auf, aber dann muss ich Sie in die Pflicht nehmen!", rief er. Er werde den Amtshausplatz nicht sich selbst überlassen.
Torsten Fetzner wiederum wehrte sich gegen GAL-Stadträtin Fiedler: Er habe mit den Vertretern der Einzelhändler gesprochen, so der Erste Bürgermeister. Es gebe kein Zerwürfnis, aber auch keinen gemeinsamen Standpunkt. Just und Fetzner standen nicht alleine da. So plädierte Elisabeth Kramer (GAL) vorsichtig dafür, das zur Debatte stehende Bauvorhaben anzugehen und das Konzept für den Platz hinterherzuschieben: Sie könne sich einen künftigen Amtshausplatz ohnehin nur ohne die Brandwand vorstellen, erklärte sie.
Rudolf Large (SPD) zeigte seinen Ratskollegen den Blickwinkel der Bauinteressenten auf: Nach jahrelangem Stillstand hätten diese eine Idee eingereicht, die nun wegen eines vergleichsweise geringen Geldbetrags verworfen werde: "Dabei hätten wir das Grundstück die ganze Zeit selbst zum Verkauf anbieten können." Dies sei kein ehrlicher Umgang mit den Ideen interessierter Bürger.
Dem stimmte OB Just zu. Dennoch sah er offenbar keine Mehrheit für einen konstruktiven Beschluss. Mit der überwiegenden Zustimmung der Stadträte verwies er die Thematik in die Zukunftswerkstatt.



