So will die Feuerwehr den Mitglieder-Rückgang stoppen
Die Feuerwehr hatte 2021 wegen Corona relativ wenige Einsätze bei Bränden und an Unfallstellen. Mit einer Kampagne sollen neue Helfer gewonnen werden.

Von Günther Grosch
Weinheim. Seit Mai vergangenen Jahres im Amt, war das Jahrespressegespräch der Freiwilligen Feuerwehr Weinheim für Kommandant Bernd Meyer eine Premiere, die er mit Bravour meisterte. Die Feuerwehr konstruktiv durch eine vor allem durch die Corona-Pandemie gekennzeichnete Zeit zu steuern und weiterzuentwickeln, habe er sich zum Ziel gesetzt, so der 33-Jährige im Rückblick auf die zurückliegenden Monate.
Dank der intensiven Zusammenarbeit mit OB Manuel Just und Feuerwehrdezernent Torsten Fetzner sowie der kollegialen Unterstützung durch seine Stellvertreter Ralf Mittelbach und Volker Jäger sowie durch die Feuerwehrkameraden in den Abteilungen habe er sich eingelebt und eingearbeitet. Dabei habe man schnell eine gemeinsame Wellenlänge gefunden, so Meyer: "Ich fühle mich gut aufgenommen, um alle anstehenden Herausforderungen zu bewältigen", sagte er.
Auch 2021 seien die Freiwilligen Feuerwehren wieder stark gefordert gewesen. Auch wenn die Einsatzzahlen leicht zurückgingen, sei die Belastung der ehrenamtlich helfenden Feuerwehrangehörigen weiter enorm, so Meyer mit Blick auf 575 Einsätze. Das Spektrum und die Anforderungen nähmen zu – sowohl was das technische Wissen als auch die Ausbildungsformen betrifft. Zudem sei der Trend erkennbar, dass die Bürger die Freiwillige Feuerwehr als Dienstleister ansehen. Als Beispiele nannte Meyer die Aufforderung, etwa eine "abgestürzte Drohne" oder eine Katze von einem Baum "zu retten".
Erneut reibungslos funktioniert hat die Zusammenarbeit mit den Werksfeuerwehren der Firmen Freudenberg und Naturin sowie mit den Umland-Feuerwehren in der Rhein-Neckar-Region. So haben die Feuerwehren die Jour-fix-Termine zur Abstimmung untereinander ausgebaut. Darüber hinaus wurden die Grundausbildung und ein Sprechfunklehrgang mit den Feuerwehren aus Laudenbach, Hemsbach und Hirschberg organisiert. Erstmals fand sogar ein eigener einwöchiger Atemschutzgerätelehrgang mit einer mobilen Übungsanlage im Weinheimer Feuerwehrzentrum statt.
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"Aber auch vor Landesgrenzen macht die Feuerwehr nicht halt", so Meyers Fingerzeig auf Übungen und Einsätze in der hessischen Nachbarschaft. Gemeinsame Einsätze wie beim Brand mehrerer Reihenhäuser in Viernheim oder dem Feuer in einer Werkstatt in Mörlenbach-Vöckelsbach dienten als Beispiele.
Stolz zeigte sich Meyer auf Nachfrage darauf, dass mehr als 90 Prozent der Feuerwehrkameraden vollständig geimpft sind. Was nicht zuletzt für die Aufrechterhaltung der "kritischen Infrastruktur" wichtig ist. Dass die Anzahl der (Brand-)Einsätze stark zurückging, ist ein Trend, der hauptsächlich auf weniger Mobilität und Dynamik in der Gesellschaft zurückzuführen und auch anderswo zu beobachten ist, etwa bei den Rettungsdiensten, so der Kommandant mit Blick auf ein von Lockdowns geprägtes Jahr. Die Menschen seien wegen Corona mehr daheim und arbeiteten dort auch. Damit verringere sich die Zahl der durch Fehlverhalten oder Alkohol hervorgerufenen Verkehrsunfälle. Dies treffe in gleichem Maße auf das Feuerwerksverbot an Silvester zu: Durch Fahrlässigkeit hervorgerufene Brände wie durch das Zünden der Feuerwerkskörper seien beim Jahreswechsel nicht zu verzeichnen gewesen. Der erste Einsatz in der Neujahrsnacht erfolgte erst um 4 Uhr morgens, ergänzte Ralf Mittelbach: "In früheren Jahren kamen die Alarmierungen ab Mitternacht meist im Minutentakt."
Sorgen plagen die Verantwortlichen beim Blick auf die Personalsituation bei den aktiven Feuerwehrangehörigen. Ein durch besondere persönliche Situationen oder berufliche Einschränkungen, vor allem aber durch die Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildiensts aufgetretener Verlust von fast 60 Kameraden in nur drei Jahren erfordert ein umgehendes Gegensteuern. Als Beispiele für eine Reduzierung des Feuerwehr-Engagements aus persönlichen Gründen nannte Meyer die Pflege von Angehörigen, die Gründung einer Familie, den Häuslebau oder einen Um- oder Wegzug.
Die Feuerwehrführung werde den Mitgliederrückgang aber weiter analysieren und versuchen, den auch andernorts zu beobachtenden Trend umzukehren, so Meyer. Zugleich sei es wichtig, den derzeitigen Personalstand aufrechtzuerhalten. Anhand der aktuellen Jahresstatistik ist festzustellen, dass 2021 rund ein Drittel der Aktiven nicht am Einsatz- und Übungsdienst teilnehmen konnten.
Hier sei es der Feuerwehrführung in Zusammenarbeit mit den Abteilungskommandos wichtig, mit den Mitgliedern Gespräche zu führen und ihnen Hilfestellungen zu geben, damit sie den Dienst wieder aufnehmen können. Das Ziel sei nicht nur, neue Mitglieder zu gewinnen, sondern auch vorhandene zu halten. "Wir müssen den Solidargedanken innerhalb der Bevölkerung für das Ehrenamt wieder stärken", assistierte Ralf Mittelbach. Jeder Einzelne sollte seinen Beitrag leisten. "Die Türen der Freiwilligen Feuerwehr stehen allen sperrangelweit offen", so der dringende Appell des stellvertretenden Kommandanten Mittelbach.
Weinheim sei von dem Rückgang lange Zeit verschont geblieben, verdeutlichte Erster Bürgermeister Torsten Fetzner. An den Personalsorgen trage auch Corona Mitschuld. Seit zwei Jahren habe keine Jugend- und damit Nachwuchsarbeit mehr geleistet werden können. Auch der Feuerwehrdezernent beklagte, dass der Gemeinsinn in der Gesellschaft abnimmt. Gegensteuern will man mit einer Werbekampagne, die potenzielle Mitglieder ansprechen soll. Hierfür werde eine Strategie entwickelt. Mithilfe der Ehrenamtsförderung sollen weitere Anreize für die Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr Weinheim geschaffen werden.
Den Gedanken an eine Berufsfeuerwehr wies Fetzner entschieden zurück. Dies sei zu aufwendig und zu teuer. Er stehe zu seinem Wort, dass die Freiwillige Feuerwehr in Weinheim Priorität genießt. Niemand in der Verwaltung habe die Absicht, eine Berufsfeuerwehr einzuführen, obwohl das Personal im hauptamtlichen Bereich aufgestockt werden muss: "Wir brauchen ein Umdenken und ein gewisses Maß an Verständnis dafür, dass es einiges zu professionalisieren gilt. Die Sicherheit der Bürger muss gewährleistet bleiben."
Zufrieden äußerte sich die Feuerwehrführung über eine reibungslose Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz. Nachdem die Rot-Kreuz-Rettungswache seit Dezember wegen des Umbaus der Wache in der Breslauer Straße übergangsweise mit Containern auf dem Gelände des Feuerwehrzentrums untergebracht ist, sei die "Blaulichtfamilie" vereint.
Planungssicherheit gibt der vom Gemeinderat im September im Grundsatz verabschiedete Feuerwehrbedarfsplan. Gern gesehen sind darüber Interessenten für ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Wehr, nachdem für 2021 kein FSJler mehr zur Verfügung stand. Bewerbungen für die Jahre 2022 und 2023 sind jederzeit möglich.