Landtagswahl 2026

Stoch will Vertrauen zurückgewinnen und warnt vor "abseitigen Debatten"

Die SPD Baden-Württemberg stellt ihre Landesliste auf, macht Andreas Stoch zum Spitzenkandidaten, verteilt aber auch Denkzettel.

05.07.2025 UPDATE: 05.07.2025 16:45 Uhr 2 Minuten, 43 Sekunden
Andreas Stoch. Foto: dpa

Von Theo Westermann 

Fellbach. Es gibt Blumen, Andreas Stoch hat sein Jackett ausgezogen in der Hitze der Schwabendlandhalle in Fellbach. Seine Ehefrau Christine eilt an seine Seite auf das Podium, es gibt Küsschen.  Stoch zeigt sich bewegt, winkt in die Menge. 94,6 Prozent Zustimmung für den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2026, der nun zum zweiten Mal nach 2021 antritt, um die SPD endlich, so die Hoffnung der Partei, von den Oppositionsbänken wieder auf die Regierungsbank zu führen. "Ich bin überwältigt. Ja, wir schaffen das", ruft der Partei- und Fraktionsvorsitzende in die Menge. Es gibt Standing Ovations von den 320 Delegierten des SPD-Landesparteitags am Samstag. 

Davor übt sich Stoch in seiner Rede als Mutmacher einer von schlechten Wahlergebnissen gebeutelten Partei. "Die nächsten acht Monate werden kein Spaziergang."  Nach dem "Wahlergebnis bei der Bundestagswahl, auch nach dem Parteitag vergangene Woche, müssen wir den Menschen noch viel stärker vor Augen führen, was Sozialdemokraten für die Menschen bedeuten". Und er blickt auf die Berliner Koalition: "Auch mit 16 Prozent in der Regierung, können wir es schaffen, unser Land ganz entscheidend nach vorne zu bringen."

Was Baden-Württemberg angeht, setzt der Heidenheimer klar auf die Themen Wirtschaft, Arbeit und bezahlbares Wohnen – und dabei zeichnet er das Bild einer tatenlosen Landesregierung. "Die SPD wird um jeden Arbeitsplatz kämpfen, der da draußen bedroht ist."  Die zentrale Frage sei, schaffe es die SPD, den Menschen wieder das Vertrauen zu geben, dass bei allen Veränderungen dieses Land stark bleibe. Und er beantwortet die Frage gleich selbst: "Wer sollte dies schaffen, wenn nicht die SPD, diese Transformation gemeinsam mit den Menschen zu erreichen." Stoch attackiert: "Das passiert aber nicht wenn eine Landesregierung auf dem Geld einfach sitzt, anstatt zu handeln."  Und eindringlich warnt er die eigene Partei. "Lasst uns nicht irgendwelche abseitigen Debatten führen, sondern Ideen haben, wie wir das Leben der Menschen besser machen. Und lasst euch nicht von Umfragen kirre machen."

Mit Blick auf die personelle Aufstellung zur Landtagswahl am 8. März 2026, die zum ersten Mal mit einer Landesliste einhergeht, mahnt der Spitzenkandidat und einstige Kultusminister die Genossen:  Das Amt des Landesvorsitzenden sei im Vorfeld des Parteitags nicht einfach gewesen, es gebe viele Erwartungen, auch persönliche. Aber nichts sei "wichtiger als die Idee und unser Kampf für eine gerechte Gesellschaft". 

Doch dann läuft alle Energie des Parteitags in die Personalfragen: 2021 bekamen die Sozialdemokraten mit nur noch elf Prozent 19 Sitze. Die aktuellen Umfragen sind düster. Und ganz konflikt- oder denkzettelfrei läuft die Nominierung für die ersten 20 einigermaßen aussichtsreichen Listenplätze nicht. Es liegt eine 70 Köpfe umfassende Vorschlagsliste des Landesvorstandes vor, die abgearbeitet werden muss. Die digitale Abstimmung wird zudem behindert durch Internetprobleme in der Halle.  Auf den ersten sieben Plätzen sind neben Stoch amtierende Abgeordnete wie Dorothea Kliche-Behnke, Landtagsvizepräsident Daniel Born oder der Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei platziert, aber auch mit der Freiburger Stadträtin Viviane Sigg ein erstes neues Gesicht.

Einen Dämpfer erhält Generalsekretär Sascha Binder, der nur 66 Prozent der Delegiertenstimmen erhält, während die anderen immer um die 90 Prozent liegen. Offenbar hat sich Binder mit seiner öffentlichen Kritik an der einstigen SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken aus dem eigenen Landesverband nicht nur Freunde gemacht. Auch der Unmut über das schlechte Wahlergebnis bei der Bundestagswahl lädt sich bei ihm ab, mutmaßen Delegierte.

Die erste Kampfkandidatur gibt es um Platz acht, hier tritt die Verdi-Funktionärin Hanna Binder gegen die Landtagsabgeordnete und Hebamme Simone Kirschbaum an. Letztere ist der Vorschlag der Parteiführung.  Binder warnt vor einer Entfremdung zu den Gewerkschaften, wirbt um ein gutes Verhältnis zum DGB und den Arbeitnehmern. Die Ehefrau des von 2011 bis 2016 amtierenden Bundesrats- und Europaministers Peter Friedrich (SPD) kassiert aber gegen Kirschbaum eine krachende Niederlage. Mancher nimmt ihr offenbar übel, dass sie erst spät mit ihrer Gegenkandidatur herauskam.

Auf den weiteren aussichtsreichen Positionen bis Listenplatz 20 folgt ebenfalls eine Mischung aus Landtagsabgeordneten, etwa dem Innenexperten Boris Weirauch oder dem Sozialpolitiker Florian Wahl, aber auch neuen Gesichtern wie der Karlsruherin Meri Uhlig. Die nächste Kampfkandidatur, auf die zahlreiche weitere folgen,  gibt es um Platz 20. Anneke Graner (45) aus Ettlingen, schon einmal für drei Jahre Landtagsabgeordnete, kandidiert gegen die 28 Jahre alte Natalie Ziwey, Vorschlag der Parteiführung. Dass Graner vom Parteivorstand erst auf Platz 60 gesetzt wurde, veranlasst Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup zu einer bissigen Intervention: "Anneke Gramer hat so erfolgreich gearbeitet und dann wird sie auf Platz 60 abgestraft".  Eine Intervention mit Erfolg: Graner, Regierungsdirektorin im Sozialministerium, setzt sich knapp durch.

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