Weinheim

"Prankel" blieb der Zankapfel

Der Gemeinderat verabschiedete Satzungen für den Erhaltung und die Gestaltung der Innenstadt. Am knappsten war es beim Bereich "Rosenbrunnen".

24.03.2022 UPDATE: 25.03.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 48 Sekunden
Diese Postkarte aus den späten 1950er- oder frühen 1960er-Jahren zeigt unten rechts das „Prankel“-Gebiet, als es noch nahezu unberührt war. Foto: Stadtarchiv Weinheim

Von Philipp Weber

Weinheim. Seit über einem Jahr wird das Thema im Gemeinderat diskutiert, jetzt ging es ans Eingemachte. Die finalen Beschlüsse für die Gestaltungssatzung für die Innenstadt und die Erhaltungssatzungen für zehn Bereiche in der City und in deren Nähe standen am Mittwoch im Gemeinderat an. Denn jeder der als erhaltenswert definierten Bereiche benötigte eine eigene Mehrheit. Dabei drehte sich die Sitzung zum einen um Gebiete, in denen die neuen Satzungen lediglich vorhandene Regelungen fortschreiben: nämlich die seit 1994 bestehende Gestaltungs- und Erhaltungssatzung, die bislang in weiten Teilen der Innenstadt galt; zum anderen bekommen die Gebiete "Prankel" und "Rosenbrunnen" im Südwesten der Innenstadt nun ebenfalls Erhaltungssatzungen. Sie gehörten bislang gar nicht zu dem speziell geschützten Altstadtbereich.

Doch zunächst nahm der Abstimmungsmarathon seinen Lauf: Die meisten Satzungen, die ab kommendem Jahr zwischen Rosenbrunnen und Domhof gelten sollen, erhielten klare Mehrheiten. Schwer taten sich nur Thomas Gölz (CDU) sowie Matthias Hördt (Die Linke), die fast überall mit "Nein" stimmten. Carsten Labudda (ebenfalls Die Linke) lehnte zumindest einige Erhaltungssatzungen ab oder enthielt sich. Er verwies unter anderem darauf, dass Gebiete wie die "Untere Hauptstraße" oder Teile des "Steinwegviertels Nord" (Mittlere Hauptstraße) schon so starke Veränderungen erfahren hätten, dass Restriktionen keinen Sinn mehr ergäben. Da Teile der SPD sowie die ganze CDU-Fraktion dies beim "Steinwegviertel Nord" ähnlich sahen, kamen hier immerhin zehn Nein-Stimmen zustande.

Doch die Zustimmung überwog: So betonte Frida Fiedler (GAL), dass die Zweiburgenstadt sich durch ihr historisches Flair und ihre vielfältigen Wohnviertel auszeichne. Die Satzungen ließen den Eigentümern der Immobilien dennoch viele Freiheiten, immerhin greife die vergleichsweise explizite Gestaltungssatzung ja jetzt nicht mehr in der ganzen Innenstadt. Ebenso wie OB Manuel Just verwies sie auf die Möglichkeit, sich als Bürger schon frühzeitig an dem Verfahren zu beteiligen: Die (Vor-)Entwürfe der Satzungen lagen zwei Mal aus, die Stadt bot im Sommer 2021 zudem zwei Online-Veranstaltungen für interessierte Bürger an. Im September vergangenen Jahres waren auch noch zwei externe Experten für Baurecht Gäste im technischen Ausschuss.

Die Bewohner können nichts dafür, aber dieses Gebäude an der Ecke Prankel- und Rosenbrunnenstraße war in der Debatte das Beispiel für eine „Bausünde“ schlechthin. Foto: Kreutzer

Das änderte jedoch nichts daran, dass einige Stadträte besonders die neue Einstufung des "Prankels" sehr kritisch begleiteten. Auch die Bewohner des bereits 1910 geplanten und ab den 1920er-Jahren errichteten "Gartenstadt"-Viertels waren offenbar sehr verschiedener Meinung: Während einige den von der Verwaltung angestrebten Erhalt der zweistöckigen Häuser mit Schrägdächern und großzügigen Gärten geradezu einfordern, befürchtet zumindest ein Teil der Hauseigentümer Schwierigkeiten, wenn Immobilien verändert oder Grundstücke nachverdichtet werden.

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Diese Kontroverse wiederum hatte Folgen: Während der Zuschnitt anderer Erhaltungsgebiete im Vorfeld und im Verlauf des Verfahrens – wenn überhaupt – nur einmal verändert wurde, ließen Fraktionen und Verwaltungsspitze den "Prankel" zunächst vergrößern und dann teilen. So wollte die Stadt anfangs nur das Gebiet an der obere Prankelstraße bis zum Prankelstaffelweg schützen. Auf Drängen vieler politischer Kräfte kam jedoch die Verlängerung bis hinunter in den Bereich der Rosenbrunnenstraße zustande. Auf Betreiben der Verwaltung wiederum folgte dann die Teilung in zwei Erhaltungsgebiete: "Prankel" und "Rosenbrunnen". Das hatte dem Vernehmen nach auch damit zu tun, dass sich im ohnehin schon stärker veränderten Bereich "Rosenbrunnen" Widerstand formiert hat. Dort drohen Hauseigentümer offenbar auch mit Klagen gegen die Stadt. OB Just empfahl denn auch, in diesem eigens abgetrennten Bereich gegen die Erhaltungssatzung zu stimmen. Aber auch stadtpolitisch wurden die Satzungen für "Prankel" und "Rosenbrunnen" noch einmal hart diskutiert.

Fiedler und Einzelstadträtin Susanne Tröscher plädierten für den vollständigen Erhalt von Weinheims Eingangspforte. Auch der Großteil der Freien Wähler und die FDP sahen das so. Neben Teilen der SPD hielten beide "Die Linke"-Stadträte dagegen. So rief Stadtrat Labudda die Wohnungsnot in der Stadt in Erinnerungen und fragte sich, warum das Zwanziger-Jahre-Quartier "Prankel" denn wertvoller sein solle als andere Viertel, die ebenfalls für bestimmte Epochen des 20. Jahrhunderts stehen: "Die Nöte der Menschen gehen vor dem Erhalt eines musealen Quartiercharakters." Dass sich dann auch noch eine Mehrheit für eine geheime Abstimmung über den oberen "Prankel" aussprach, trieb ihn vollends auf die Barrikaden.

Das Abstimmungsergebnis für den oberen "Prankel" war dann aber klar (25:9 für die Erhaltungssatzung), beim "Rosenbrunnen wurde es dramatisch knapp: 17:16 stand es am Ende, pro Erhaltungssatzung. Hätte ein Christdemokrat – die CDU war ebenso wie OB Just für eine Herausnahme dieses Gebiets – sich nicht wegen eines positiven Coronatests auf den Heimweg gemacht, wäre es andersrum ausgegangen. Sollte sich letzteres Ergebnis bestätigen, wünscht die RNZ gute Besserung!

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