Einmal Waschen, Schneiden, Desinfizieren
Wie ein Friseurbesuch in Zeiten von Corona abläuft - Vor allem Kleinigkeiten fehlen - Kunden berichten von wirtschaftlichen Folgen der Krise

Von Katharina Schröder
Weinheim. Sieht aus wie ein Banküberfall, ist aber ein Friseurbesuch: Desinfizieren, Waschen, Schneiden mit Mund-Nasen-Schutz. Die neuen Regeln für das Herrichten der Lockenpracht sind mittlerweile bekannt, aber wie läuft so ein Friseurbesuch in Zeiten von Corona eigentlich ab? Die RNZ hat sich das beim Weinheimer Friseurmeister Carsten Tschöpe im Selbstversuch angeschaut.
Am Eingang des Salons steht Desinfektionsmittel bereit, auf die Begrüßung auf Distanz folgt die Aufforderung, sich die Hände zu waschen. Was man vor "Corona" womöglich als Affront verstanden hätte, ist jetzt Alltag beim Friseurbesuch. Tschöpe tritt seinen Kunden mit schwarzem Mund-Nasen-Schutz, Handschuhen und einer Schutzbrille gegenüber. Und er hat auch Masken für sie im Laden. "Gerade beim Haarefärben wäre es doch schade, wenn die selbst genähte Maske etwas abkriegt", sagt er.
Außerdem wolle er niemanden wegschicken, der vergisst, eine eigene Maske mitzubringen. Das Schutzmaterial bekam er erst am Montag, mit Einmalumhängen, wie man sie fürs Haarefärben braucht, sieht es noch schlechter aus. "Die sind bis Juli nicht lieferbar", erzählt der Friseurmeister, während er mir einen solchen Umhang bringt. Ein paar habe er noch in Reserve, wie es dann weitergehen soll, weiß er nicht. Aber das sei auch die falsche Frage. "Wir können ja nicht an Übermorgen denken, wenn wir nicht einmal wissen, was morgen ist", sagt er und beginnt, Farbe auf meinem Ansatz zu verteilen. Immer wieder beschlägt Tschöpes Brille, das erschwert die Arbeit.

Während die Farbe einzieht, hört der Friseurmeister Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ab und ruft Kunden zurück, um Termine zu vereinbaren. Bei jedem Telefonat fragt er: "Arbeiten Sie derzeit?"Vor Ausbruch der Pandemie sicher eine merkwürdige Frage, aber viele seiner Kunden seien schon jetzt wirtschaftlich stark getroffen von der Krise. "Einige stehen kurz vor der Insolvenz, andere sind sogar schon in Hartz-IV abgerutscht", erzählt er. Die bediene er jetzt erst einmal, ohne zu kassieren.
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Ein weiterer häufiger Satz am Telefon: "Nein, ausgeschlossen, das dürfen wir nicht." Viele Kunden wollen sich Wimpern und Augenbrauen färben lassen, Arbeiten am Gesicht dürfen Friseure aber derzeit nicht vornehmen. Das treffe schon manchmal auf Unmut. "Auch während ich schließen musste, haben mich viele gefragt, ob ich ihnen privat die Haare schneiden könnte", erzählt Tschöpe. "Das habe ich natürlich nicht gemacht."
Ein "Gutes" habe die Krise womöglich. "Vielleicht kommen dadurch allgemein höhere Hygienestandards in die Branche", meint der 51-Jährige. Dazu gehöre das standardmäßige Waschen der Haare. Das ist mit Mund-Nasen-Bedeckung eine besonders nasse Angelegenheit: Beim Waschen saugen sich die Schnüre hinter den Ohren voll mit Wasser, das langsam nach unten läuft.
Kommunikation von Maske zu Maske läuft nicht ganz so einfach, man muss deutlicher und lauter sprechen. Obwohl Gespräche beim Friseur eigentlich vermieden werden sollen. Deswegen müssen Frisurwünsche schon im Vorfeld besprochen werden. Aber die Frisur ist oft ja nicht das einzige, worüber Kunden sprechen. "Ich bin Psychologe und Seelsorger", erklärt Tschöpe mit einem Lächeln. Er rechnet damit, in Zukunft vor allem von persönlichen Coronakrisen zu hören.
Während ich darauf warte, dass die Farbe einzieht, gibt es normalerweise einen Kaffee. Nicht in Coronazeiten. Auch das Stöbern in ausliegenden Zeitschriften ist nicht mehr erlaubt. Es sind viele Kleinigkeiten, die fehlen, und die Maske verrutscht doch einige Male. Besonders beim Kämmen sind die Schnüre im Weg. Sein Arbeitswerkzeug desinfiziert der Friseurmeister nach jedem Gebrauch, ebenso die Sitze. Der Geruch von Desinfektionsmittel mischt sich mit dem von Haarpflegeprodukten und dem von Regen. Denn die Fenster sind während des Besuchs zum Lüften geöffnet.
Tschöpe glaubt, dass durch die Öffnung der Friseursalons die Stimmung bei den Menschen wieder besser wird und ein kleines Stück Normalität zurückkehrt – wenn auch mit Maske. "Und vielleicht treten wir ja alle etwas weniger egoistisch aus dieser Krise."



