Weinheim

Bürgermeister Torsten Fetzner zieht Jahresbilanz 2018

"Ich weiß, dass ich OB auch hinbekäme" -  Stellungnahme zur Nachverdichtung

22.12.2018 UPDATE: 29.12.2018 06:00 Uhr 6 Minuten, 22 Sekunden

"Ich verstehe schon, dass sich die Bürger mit vielen Problemen an mich wenden. Ich bin greifbar, Unternehmen, wie etwa die RNV, sind eine ziemlich anonyme Größe", sagt Bürgermeister Torsten Fetzner. Foto: Dorn

Von Philipp Weber

Weinheim. Seit dem 13. August leitet Erster Bürgermeister Torsten Fetzner die Weinheimer Stadtverwaltung - und wird dies wohl auch noch eine ganze Weile tun. Denn wann die Klage gegen die Gültigkeit der Weinheimer Oberbürgermeisterwahl vom 10. Juni entschieden wird, ist immer noch nicht abzusehen. So führte Fetzner nun auch das Jahresinterview mit der RNZ. Dabei verriet er, wie er sich als "Doppelbürgermeister" fühlt, wie er zu baulichen Nachverdichtungen in Weinheims Villenviertel steht - und wie es mit der Integration, dem Schlossparkrestaurant und der Hildebrand’schen Mühle weitergehen könnte.

Herr Fetzner, wie geht es Ihnen nach einem knappen Halbjahr als "Doppelbürgermeister"? Macht es noch Freude?

Es geht mir immer noch sehr gut. In den letzten Monaten war natürlich sehr viel los, und ich freue mich jetzt auf ein paar ruhige Feiertage gemeinsam mit meiner Familie.

Die gönnen Ihnen wohl die meisten Weinheimer. Ihre Art der Amtsführung scheint gut anzukommen. Jedenfalls haben wir das von mehreren Seiten gehört. Hätte Sie zu Beginn mit so viel positivem Feedback gerechnet?

Ja, das Feedback hat mich auch überrascht. Ich mache jetzt ja nichts anders als in meiner früheren Position. Wahrscheinlich liegt die positive Stimmung auch daran, dass die Weinheimer Bürgerinnen und Bürger froh sind, dass einer die Verantwortung übernommen hat. Da wollen mir viele gut zureden und mich moralisch unterstützen.

Einige Konfliktherde köcheln trotzdem. So sind nicht nur die Anwohner des Anwesens in der Hauptstraße 33 verärgert über massive Nachverdichtungen. Kann die Stadt planerisch aktiv werden, um ihre alten Villenviertel zu erhalten, etwa mit Bebauungsplänen?

Nachverdichtung ist fast überall umstritten, das stimmt. Die Bauherren möchten ihr Grundstück möglichst großzügig ausnutzen, die Nachbarn möchten, dass alles so bleibt, wie es ist. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns politisch. Baurechtlich gesehen gelten dagegen klare Regeln. Es gibt Möglichkeiten, über Bebauungspläne Bauabsichten zu lenken oder zu verhindern. Im vorliegenden Fall ist das nach unserem Dafürhalten rechtlich nicht möglich. In der Hauptstraße liegt keine homogene Baustruktur vor, wie etwa in der Lützelsachsener Straße, wo wir planungsrechtlich eingreifen konnten. Der von den Gegnern der Bebauung angesprochene Villencharakter des Gebietes rund um die Hauptstraße 33 betrifft nur einzelne Grundstücke. Ein Bebauungsplan darf auch nicht aufgestellt werden, um eine Maßnahme zu verhindern. Wir werden aber darauf achten, dass sich die geplante Bebauung mit dem denkmalgeschützten Bestandsgebäude gestalterisch verträgt.

Ist die Nachverdichtung nicht auch gewollt, selbst im gehobenen Segment?

Eine Nachverdichtung ist immer dort gewollt, wo sie bauplanungsrechtlich zulässig ist. Unabhängig davon, ob es sich um ein Villenviertel oder eine Reihenhaussiedlung handelt. Und wenn wir unsere Außenbereiche vor Bebauung schützen möchten, müssen wir im Innenbereich verdichten. Dazu stehe ich.

Wie ist die Arbeit an dem neuen Integrationskonzept genau zu verstehen? Geht es um eine allgemeine Richtungsanleitung zur Integrations- und Inklusionskultur in der Stadt? Oder konkret um die hier lebenden Geflüchteten, die sich eine neue Existenz aufbauen wollen?

Es gab wohl grundlegend verschiedene Vorstellungen in den Fraktionen und auch unter den Ehrenamtlichen, was unter einem Integrationskonzept zu verstehen ist. Meiner Meinung nach muss das Konzept sowohl die Bedürfnisse der in Weinheim lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, als auch die der Flüchtlinge und der restlichen Stadtgesellschaft berücksichtigen. Dazu gehört auch das wichtige Thema Inklusion, an dem wir hier ja bereits sehr erfolgreich arbeiten. Um die Aufgabenstellung abzugrenzen und praktikables Arbeiten zu ermöglichen, werden wir uns im Internationalen Ausschuss zunächst mit dem Integrationskonzept des Rhein-Neckar-Kreises beschäftigen. Danach werden alle Akteure zur gemeinsamen Auftaktveranstaltung eingeladen. Dann wissen wir, wohin der Weg geht.

Aber hätte es nicht schneller gehen können? Gerade die Ehrenamtlichen haben konkrete Hilfestellungen gewollt.

Mit einer klaren Aufgabenstellung an uns hätte es sicher schneller gehen können. Aber die gab es so nicht. Daher hat sich unsere Stabsstelle zunächst umgeschaut, welche Integrationskonzepte es gibt. Unser Ziel war aber nie, dem Internationalen Ausschuss einfach irgendetwas vorzulegen. Das Ziel muss gemeinsam definiert werden, dafür planen wir die Auftaktveranstaltung mit Diskussion. Was die Integration der Flüchtlinge in unseren Anschlussunterbringungen betrifft, bin ich guten Mutes. Unsere Fachämter und die Ehrenamtlichen kümmern sich um die Familien, die im Moment umziehen. Da hängt es sicher nicht an einem Konzept - das übrigens auch beschlossen und umgesetzt werden muss. Ich erinnere nur an das Klimaschutzkonzept, für das wir viel Zeit aufgewendet hatten, ohne es zu beschließen.

Sie haben kürzlich den Haushaltsplanentwurf für 2019 eingebracht - und vor zu hohen Ausgaben gewarnt. Wie kommt es eigentlich, dass die Stadt am Ende praktisch jeder Haushaltsperiode finanziell wesentlich besser dasteht, als es bei der Haushaltseinbringung berechnet wird?

Mit Prognosen ist das so eine Sache. In den letzten Jahren fielen die Steuereinnahmen immer wesentlich höher aus, als die Steuerprognosen das erhoffen ließen. Das liegt an der jetzt schon mehrere Jahre andauernden Hochkonjunktur. Auch andere Städte erleben in diesen Jahren positive Überraschungen. Mannheim etwa kommt dieses Jahr zum ersten Mal seit langer Zeit ohne Neuverschuldung aus. Allgemein ist eine Kämmerei aber auch dazu angehalten, Haushalte konservativ zu berechnen.

Sehr provokant gefragt: Rechnet sich die Stadt arm, um nicht gewollte Projekte wie eine Halle in Oberflockenbach auch nicht umsetzen zu müssen?

Auf Ihre provokante Frage antworte ich jetzt auch einmal provokant: Wir rechnen uns nicht arm, wir sind arm. Wir schaffen es noch immer nicht, unseren Ressourcenverbrauch zu erwirtschaften. Unser ordentliches Ergebnis schließt mit einem Fehlbetrag in Höhe von 4,6 Millionen Euro ab. Prognostiziert war ein Fehlbetrag in Höhe von 6,1 Millionen Euro. Aber nur, weil wir eineinhalb Millionen Euro weniger Miese haben als prognostiziert, sind wir ja nicht reicher. Und mit einem negativen Ergebnis weitere Großinvestitionen tätigen zu wollen, werden wir dem Regierungspräsidium wohl nur schwer verkaufen können. Irgendwen armzurechnen, ist also definitiv nicht unsere Absicht.

Von den Niederungen des Haushalts hoch auf Weinheims Hausburg. Warum wollten Sie weitere Verkaufsverhandlungen zur Burg Windeck nicht mittragen?

Die Burg Windeck verursacht über das Jahr in etwa die Kosten, die wir über die Pacht einnehmen. Von daher haben wir praktisch keinen Unterhaltungsaufwand. Auch sind hier keine größeren Investitionen für die nächsten Jahre zu erwarten. Ein Verkauf, egal zu welchem Preis, machte daher aus meiner Sicht keinen Sinn. Auch rein emotional hatte ich mit dem Verkauf ein Problem. Wie schlimm müsste es um eine Stadt stehen, die ihr Wahrzeichen verkauft?

"Wir müssen auch in den nächsten Wochen wachsam sein, damit alles funktioniert", sagt Fetzner zur Riesenbaustelle in der Mannheimer Straße. Foto: Dorn

Wie steht es mit der RNV-Baustelle in der Mannheimer Straße? Funktioniert der provisorische Radweg - und findet sich eine Lösung, damit die Feuerwehr bei Einsätzen schneller über die Kreuzung an der Weststraße kommt?

Der provisorische Radweg wird gut angenommen, und ich erhalte keine Beschwerden. Die Vorrangschaltung für die Feuerwehr funktioniert. Das Problem liegt eher darin, dass die Einsatzkräfte bei der Anfahrt zum Feuerwehrzentrum im Stau stehen. Da sich zu den Hauptverkehrszeiten aber genügend Kräfte im Feuerwehrzentrum befinden, ist das Problem noch beherrschbar. Wir müssen aber auch in den nächsten Wochen wachsam sein, dass das alles funktioniert.

Eine Art RNV-Dauerbaustelle ist auch die Schrankenanlage zwischen B3 und Prankelstraße. Auf der Autofahrt hierher ins Rathaus bin ich knapp zehn Minuten auf der Rechtsabbiegerspur gestanden. Drei Bahnen fuhren an mir vorbei. Der Autofahrer vor mir bog schließlich einfach bei roter Ampel ab.

Das ist ein Manko, das mir auch immer wieder gemeldet wird. Wie Sie richtig beobachtet haben, ist es aber nicht der sonstige Abbiege-Verkehr, der Ihnen die langen Wartezeiten einbrockt, sondern der um diese Uhrzeit dichte Takt, in dem die RNV-Züge verkehren. Der dichte Takt ist ja grundsätzlich gewollt. Aber auch wenn die Bahnen öfter kommen, fahren sie immer noch nach den Grundlagen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Das heißt, die RNV muss die Strecke sichern. Und für beschrankte Übergänge gelten entsprechend lange Vorlaufzeiten. Das Problem haben wir übrigens auch ein Stück weiter nördlich an der Stelle, an der die Weschnitztalbahn die B3 kreuzt.

Das ist also der Preis für einen verbesserten ÖPNV.

Na ja, ich verstehe schon, dass sich die Leute erst einmal an mich wenden. Der Bürgermeister ist greifbar. Unternehmen wie die RNV sind eine ziemlich anonyme Größe. Wir bringen solche Themen auch regelmäßig in die Verkehrsbesprechungen ein, in denen die verschiedenen Träger zusammenkommen. Aber alleine können wir es nicht ändern.

Von den Baustellen im Verkehr zu den baufälligen Gebäuden. Besteht noch irgendeine Hoffnung für die Hildebrand’sche Mühle?

Ehrlich gesagt: Nein. Was Verwaltung und Politik zu Recht ärgert, ist, dass die denkmalgeschützte Villa durch Versäumnisse des Vorbesitzers in einen Zustand versetzt wurde, der eine Sanierung sehr teuer macht. Es ist für mich mit Blick auf den hohen Kaufpreis fraglich, ob hier noch eine Wirtschaftlichkeit erzielbar ist. Auf der anderen Seite darf man von Seiten der Stadt aber auch nicht zulassen, dass ein Denkmal durch Fahrlässigkeit oder vielleicht sogar Vorsatz dem Verfall preisgegeben wird. Deshalb fahre ich eine klare Linie und bestehe auch weiterhin auf die Einhaltung der bestehenden Verträge. Jetzt ist der Investor am Zug.

Pause fürs Schlossparkrestaurant? Für Fetzner keine Lösung. Foto: Kreutzer

Mit Blick auf das Schlossparkrestaurant wurde gefordert, einfach so lange Pause zu machen, bis das Schloss saniert ist. Klingt doch eigentlich nachvollziehbar, oder?

Für mich nicht. Zum einen brauchen wir die Pachteinnahmen, auch wenn diese sich aufgrund der Sanierung reduzieren können. Ein weiteres Argument ist eher psychologischer Natur, für mich aber genauso wichtig: Wenn das Restaurant eine länge Zeit über geschlossen haben sollte, wird es für einen neuen Pächter überhaupt nicht einfacher - sondern eher ganz schwer.

Wie geht es nun konkret weiter?

Wir haben eine gemeinderätliche Kommission eingesetzt, die sich mit dem Thema befasst. Diese tagt am 13. Januar und wird dem Hauptausschuss dann wohl einen Vorschlag unterbreiten. Der Ausschuss könnte dann im Februar eine Entscheidung herbeiführen - sodass wir hoffentlich im April oder im Mai mit einem neuen Pächter öffnen können.

Letzte Frage: Wäre es nicht doch reizvoll gewesen, OB zu werden?

Ich weiß, dass dieses Amt für viele eine reizvolle Aufgabe wäre. Für mich nicht. Ich habe mich für den Beruf des Bauingenieurs entschieden, und die Aufgaben im technischen Bereich bereiten mir jeden Tag Freude. Warum soll ich dann etwas anderes machen? Jetzt weiß ich zwar, dass ich OB auch hinbekommen würde, das entfacht aber nichts in mir.

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