Weinheim

Belastung der Brandschützer nimmt zu

Jahrespressegespräch - Feuerwehr braucht dringend Mitglieder - "Es fehlen rund 150 Frauen und Männer"

30.01.2019 UPDATE: 31.01.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden

Weinheims Feuerwehr-Spitze arbeitet aktuell mit hoher Schlagzahl: Da Chef-Kommandant Sven Lillig (M.) noch Weiterbildungen absolvieren muss und sein Vorgänger Reinhold Albrecht überraschend verstarb, greifen auch Stadt-Kommandant Ralf Mittelbach (r.) und Kommandant Volker Jäger (Oberflockenbach) verstärkt ein. Foto: Dorn

Von Günther Grosch

Weinheim. Als Reinhold Albrecht Mitte Januar vergangenen Jahres beim alljährlichen Pressegespräch angesichts seiner bevorstehenden Pensionierung von seinem "letzten Bericht als Stadtbrandmeister" sprach, konnte noch niemand ahnen, dass der "Feuerwehrmann mit Herz und Seele" zwölf Monate später nicht mehr unter den Lebenden weilen würde. Der überraschende Tod des allseits geschätzten Kameraden am Silvesterabend überschattete auch das diesjährige Treffen von Wehrspitze und Pressevertretern.

Mit Albrechts Nachfolger Sven Lillig, seinen Stellvertretern Volker Jäger (Oberflockenbach) und dem Kommandanten der Abteilung Stadt, Ralf Mittelbach, sowie Pressesprecher David Kunerth ließ ein Quartett die Zahlen des vergangenen Jahres sprechen. Mit 1105 Einsätzen - der zweithöchsten Anzahl nach 2016 (1133 Einsätze) - waren die Wehrangehörigen erneut "ordentlich gefordert", so Mittelbach. 2017 war man zu 995 Einsätzen ausgerückt.

"Ordentlich gefordert" wird derzeit auch Kommandant Lillig. Noch bis Mai 2020 absolviert er unter anderem auf der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal verschiedene Ausbildungslehrgänge für den gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst. Dass Lillig die Führung der Wehr bis dahin nur in eingeschränktem Umfang wahrnehmen kann, fordert wiederum Stadtkommandant Mittelbach als Lilligs Stellvertreter zusätzlich "in Doppelfunktion".

Hintergrund

Feuerwehr in Zahlen

Die 1105 Einsätze des Jahres 2018 (Vorjahr: 995) beinhalten 919 (858) reine Feuerwehreinsätze und 186 (137) Brandsicherheitswachen.

19.496. (13.000) Einsatzstunden verdeutlichen die hohe

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Feuerwehr in Zahlen

Die 1105 Einsätze des Jahres 2018 (Vorjahr: 995) beinhalten 919 (858) reine Feuerwehreinsätze und 186 (137) Brandsicherheitswachen.

19.496. (13.000) Einsatzstunden verdeutlichen die hohe Belastung. Hinzu kommen weitere 9898 Übungsstunden sowie 3939 Stunden bei Brandsicherheitswachen.

143 (128) Bränden standen 271 (270) Technische Hilfeleistungen und zwölf (21) Tierrettungseinsätze gegenüber.

189 (160) Fehlalarme schlugen zu Buche.

175 Mal sicherten Feuerwehrsanitäter als Helfer vor Ort in medizinischen Notfällen die Erstversorgung.

42 Mal war eine Psychosoziale Notfallversorgung (früher: Feuerwehrseelsorge) gefragt. Aktuell umfasst das Team neun Helfer, darunter ein muslimischer Seelsorger.

Insgesamt wurden 84 (42) Menschen gerettet. Davon drei bei Bränden.

Derzeit sind bei der Wehr 312 (316) Helfer, darunter 39 Frauen, aktiv. Die Jugendfeuerwehr zählt 156 (157) Angehörige. Zur Kindergruppe zählen 69 (58) Mädchen und Jungen. Zur Altersmannschaft gehören 142 (144) Blauröcke.

Das Durchschnittsalter der Wehr liegt bei 40,7 Jahren. Der Altersdurchschnitt der Aktiven beträgt 39,5 (38,6) Jahre.

Weiter verbessert hat sich die durchschnittliche Fahrzeit des ersten Einsatzfahrzeugs von 4,39 Minuten auf 4,18 Minuten. (rnz)

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Bei Lilligs Wahl zum Stadtbrandmeister war man noch davon ausgegangen, dass ein zeitlich verkürzter Ausbildungsgang möglich wäre, erläuterte Erster Bürgermeister und Feuerwehrdezernent Torsten Fetzner. In der Zwischenzeit aber hätten sich die Bestimmungen geändert. Deshalb ergebe sich im Augenblick auch an der Weinheimer Feuerwehr-Spitze eine ähnliche Situation wie im Rathaus, wo Fetzner als "Dauervertretung" des eigentlich schon im Juni 2018 gewählten Oberbürgermeisters Manuel Just doppelt rackern muss.

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Dem verantwortlichen Gremium sei bei der Wahl Lilligs aber schon bekannt gewesen, dass dieser noch diverse Ausbildungsgänge abschließen muss, so Fetzner. Aus diesem Grund habe Albrecht auch während seines Ruhestands Lillig entlastet - und auf Honorarbasis unter anderem Brandschutzgutachten erstellt. Durch Albrechts plötzlichen Tod sei eine "momentan schwierige Situation entstanden", räumte Fetzner ein.

Zur Unterstützung der neun hauptamtlich tätigen Wehrangehörigen wurde deshalb bereits eine zusätzliche Bürokraft eingestellt. Darüber hinaus ist eine weitere, auf zwei Jahre befristete hauptamtliche Stelle für den Bereich Einsatzplanung und vorbereitender Brandschutz ausgeschrieben.

Auch Lillig selbst zeigte sich mit der augenblicklichen Situation unzufrieden. Trotz Ausbildungs- und Lernstress übernimmt er bei Einsätzen, "wo immer es die Situation erlaubt", die ihm zukommende Leitungsfunktion vor Ort. Mit seinen Stellvertretern Mittelbach und Jäger weiß er zuverlässige Partner an seiner Seite.

Weinheims Blauröcke beschäftigt aber noch ein anderes Problem. "Wir brauchen dringend mehr Aktive", rechnete Mittelbach den Bedarf hoch. Angesichts der 45.000 Einwohner Weinheims benötigt die Freiwillige Feuerwehr mindestens ein Prozent der Frauen und Männer aus der Gesamtbevölkerung: "Bei derzeit 312 Aktiven, darunter 39 weiblichen Feuerwehrangehörigen, fehlen uns rund 150 Frauen und Männer."

Viele Bürger schätzten offensichtlich ihre eigene "Freizeit" höher ein, als der Wehr zum Schutz anderer zur Seite zu stehen, bedauerte Lillig. Ein weiterer Grund für den Mangel an Aktiven liegt in der Abschaffung von Wehrpflicht und Zivildienst, die zuvor viele junge Männer in die Reihen der Feuerwehr gespült hatten.

Allein 2018 ersparten die ehrenamtlichen Einsatzkräfte - bei einem angenommenen Bruttostundenlohn von 42 Euro - der Stadt 393.520 Euro (Vorjahr 334.000 Euro) an Ausgaben. Auch 2019 steht die Wehr mit ihren sechs Abteilungen vor Herausforderungen, denen sie unter anderem mit der Umrüstung des gesamten Fuhrparks von Analog- auf Digitalfunk begegnet. Für das Feuerwehrhaus in Sulzbach stehen neue Garagentore und eine Absauganlage auf dem Wunschzettel.

Sofern der Gemeinderat sein Plazet erteilt, sollen zudem zwei Vorauslöschfahrzeuge für die Abteilungen Stadt und Lützelsachsen/Hohensachsen beschafft werden. Mögliche Rabatte erhofft man sich für vier auf der Wunschliste stehende Mannschaftstransportwagen sowie ein Löschfahrzeug für die Abteilung Sulzbach.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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