Weinheim

Ausschuss begrüßt Fotovoltaik an Autobahnen

Die Mehrheit kann sich eine Stromerzeugung auf der "grünen Wiese" vorstellen, andere übten Kritik.

12.11.2021 UPDATE: 13.11.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden
Oben Stromerzeugung, unten Grün: Diese Agri-Fotovoltaikanlage steht in Heggelbach am Bodensee. Foto: Fraunhofer ISE

Weinheim. (cis) "Wir haben nicht mehr so viel Zeit." In einem Satz verdeutlichte OB Manuel Just die aus seiner Sicht große Dringlichkeit beim Thema Klimaschutz und Energiewende. Er stellte sich daher hinter das am Mittwoch im Ausschuss für Technik, Umwelt und Stadtentwicklung diskutierte Anliegen, Interessenten grundsätzlich die Möglichkeit zur Errichtung von Fotovoltaikanlagen auf Freiflächen im Außenbereich der Stadt zu eröffnen und entsprechende Verfahren anzustoßen.

Hintergrund der Diskussion waren zwei vorliegende Projektanfragen. Die eine bezieht sich auf eine Fläche im Viernheimer Feld nahe der A 659, die andere auf einen Bereich in den "Farrenwiesen" in Nachbarschaft zur A 5. Beide Flächen werden derzeit landwirtschaftlich genutzt. In den "Farrenwiesen" soll weiter Weidetierhaltung stattfinden, da die Solaranlage in Form von Agri-Fotovoltaik entstehen soll.

Einstieg in Gentrifizierung landwirtschaftlicher Fläche?

Dabei wären die Kollektoren in drei Metern Höhe angebracht und nicht wie bei herkömmlichen Fotovoltaikanlagen nah am Boden. Der angepeilte Stromertrag kann sich sehen lassen. Im Viernheimer Feld soll die Anlage zehn Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen, was für die Versorgung von 3346 Drei-Personen-Haushalten reichen und zugleich eine CO2-Einsparung von gut 4000 Tonnen bedeuten würde. In den "Farrenwiesen" sollen knapp sechs Millionen Kilowattstunden Strom generiert werden, was einer Versorgung von 1993 Drei-Personen-Haushalten gleichkäme sowie einer CO2-Einsparung von knapp 2400 Tonnen.

OB Just machte gleich zu Beginn klar, dass es noch nicht um eine Entscheidung zugunsten der beiden Projekte geht, sondern um einen Grundsatzentscheid. "Heute ist es ein Aufschlag", sagte er. Der würde im Falle einer positiven Entscheidung bedeuten, dass die Stadt die Projekte prüft. Eine solche Prüfung bedeute wiederum, dass ein komplettes Bebauungsplanverfahren durchlaufen und der Regionalplan berücksichtigt werden müsste. Viel Arbeit für die Verwaltung. "Dennoch glaube ich, das Thema ist es wert, dass man sich seiner annimmt", verwies er auf die zu erreichenden Klimaziele des Jahres 2030.

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Die Fraktionen im Ausschuss zeigten sich bei dem Thema gespalten. Monika Springer (Freie Wähler) signalisierte Zustimmung. "Landwirte sind Unternehmer, warum sollen sie ihre Flächen nicht auch für Solaranlagen nutzen?", zeigte sie sich offen gegenüber den Projekten. "Irgendwo muss der Strom ja herkommen", war auch Matthias Hördt (Die Linke) einer Prüfung gegenüber nicht abgeneigt. Die GAL sah die große Chance auf einen deutlichen Schritt in Richtung Energiewende. Fotovoltaik sei hocheffektiv, sagte Elisabeth Kramer. Laut Vorlage der Verwaltung kann eine Freiflächenanlage 30 Prozent mehr Strom erzeugen als eine Dachanlage. Um letztere Kategorie ist es in Weinheim nicht ausufernd gut bestellt. "Auf Dachflächen von Firmen passiert nichts", so Kramer.

Für Heiko Fändrich (CDU) stellten die Dachflächen aber die Alternative zur Ummünzung von landwirtschaftlichen Flächen zu Gewerbeflächen dar. Es gehe um eine Fläche von 9,2 Hektar, die der Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung stehen könnte, monierte er. "Jedes schon stehende Dach mit Fotovoltaikanlagen auszustatten, wäre sinnvoller", stimmte ihm OB Just zu. Das ginge aber nur über eine Pflicht, die in Regierungshand liege und nicht bei den kommunalen Entscheidern.

Die FDP konnte sich im Grundsatz Sonnenstrom auf Freiflächen vorstellen, lehnte die Projektpläne aber ab. Es gehe Fläche für den regionalen Nahrungsanbau verloren, so Wolfgang Wetzel. Er blickte auch auf die Pacht, die zumindest im zweiten Projekt vom Landwirt eingestrichen würde. Diese sei um ein Vielfaches höher als üblich: "Ist das der Einstieg in die Gentrifizierung landwirtschaftlicher Flächen?", fragte er sich. Die SPD zeigte sich unentschlossen. Constantin Görtz sah verschiedene fraktionsintern zu klärende Fragen, darunter die in früheren Zeiten geäußerten Argumente etwa der Bürgerinitiative Breitwiesen zum Bodenerhalt, die der Umwidmung landwirtschaftlicher Flächen entgegenstünden. Der Bau der Agri-Anlage sei entgegen den bekannten Plänen nur über ein Betonfundament zu machen. Damit wäre der Boden auf Dauer unbrauchbar für die Landwirtschaft. Am Ende stützte die Mehrheit den Grundsatzbeschluss für eine Prüfung. Die endgültige Entscheidung fällt am Mittwoch im Gemeinderat.

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