Strukturreform "Pastoral 2030"

"Der härteste Einschnitt überhaupt"

Die RNZ sprach mit Dekan Grabetz und den Leitern der Seelsorgeeinheiten über die Strukturreform

22.02.2019 UPDATE: 23.02.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 20 Sekunden

Baustelle Kirche: An der Laurentiuskirche in Wiesloch laufen noch die Sanierungsarbeiten, in der Erzdiözese wird mit der "Pastoral 2030" eine Strukturreform eingeleitet. Foto: Helmut Pfeifer

Rund um Wiesloch-Walldorf. (rö) Mit dem Prozess "Pastoral 2030" kommt auf die Katholiken in der Erzdiözese Freiburg die nächste große Strukturreform zu. Auf der Diözesanen Pastoralkonferenz am vergangenen Wochenende hat Erzbischof Stephan Burger die Ziele, Herausforderungen und Hintergründe des Projekts aufgezeigt. Ein Bestandteil: Ab 2021 sollen die bislang 224 Seelsorgeeinheiten in nur noch 40 Pfarreien zusammengefasst werden.

Jürgen Grabetz, Dekan des Dekanats Wiesloch. Foto: Thomas Macherauch

Vor Ort kommen diese Pläne ganz unterschiedlich an: Jürgen Grabetz, Dekan des Dekanats Wiesloch, sieht den "härtesten Einschnitt überhaupt in unserer Diözese" und will "die Menschen mit in den Prozess reinnehmen". 

Grabetz steht einem der zahlenmäßig größten Dekanate der Erzdiözese mit rund 90.000 Katholiken vor. Noch gibt es nach seinen Worten für die Zukunft "keine konkreten Raumbildungen", darüber müsse auf vielen Ebenen und Treffen gesprochen werden. Niemand sitze "im stillen Kämmerlein und zerschneidet das Dekanat", es werde keine "einsamen Entscheidungen" geben, sondern nur gemeinsame. Grabetz glaubt nicht, dass die Einteilung der neuen, großen Pfarreien bis 2021 auf sich warten lässt, sondern erwartet eher einen "Prozess bis Ende dieses Jahres". Sonst rede man "über ungelegte Eier" und über Probleme, die letztlich "vielleicht gar nicht so groß" seien. Deshalb müsse man die neuen Räume früh klar definieren.

Der Dekan erwartet einen "sicher sehr spannenden Prozess", auch wenn er glaubt, dass es "sicher sehr vielen Menschen zu schnell geht". Der Fehler liegt aus seiner Sicht in der Vergangenheit: Der Prozessbeginn mit der Bildung der Seelsorgeeinheiten sei "nicht ganz realitätsnah" gewesen, deshalb habe man schon relativ früh "gleich wieder etwas verändern" müssen. "Scheibchenweise bringt nichts", sieht Grabetz auch "Chancen in diesem Prozess". Der werde weg von einer "hauptamtlichen Kirche" führen und hin zu Gemeinden, "die von Ehrenamtlichen getragen werden", so der Dekan: "Das Gesicht der Kirche verändert sich."

Pfarrer Joachim Viedt, Leiter der Seelsorgeeinheit Letzenberg. Foto: Helmut Pfeifer

Pfarrer Alexander Hafner, Leiter der Seelsorgeeinheit Wiesloch-Dielheim, kann sich heute "noch nicht vorstellen, wie der Weg zu dieser großen Pfarrei gegangen werden kann". Er zeigt sich gegenüber der RNZ "hin- und hergerissen" vom Papier des Erzbischofs. "Es muss etwas geändert werden", spricht er die zunehmende Bürokratie an, die den Pfarrern aufgebürdet wird: "Ich bin nicht Manager geworden", fordere er schon seit Jahren eine Art Geschäftsführer für die Seelsorgeeinheit, damit ihm als Priester Zeit für die Seelsorge bleibt. Das gilt erst recht für die noch größeren künftigen Pfarreien: Er könne sich nicht vorstellen, wie ein Priester diese leiten soll, so Hafner, "das widerspricht meinem Bild von der Seelsorge". Damit "entfernt sich die Kirche vom Menschen".

Beim kommenden Prozess hofft Hafner auch deshalb auf "gute Hilfe" und Begleitung aus Freiburg, die bei der Einführung der Seelsorgeeinheiten gefehlt habe. Er selbst und die Ehrenamtlichen hätten dafür "viel Zeit und Energie gebraucht". Das neue Gebäudekonzept auf den Weg zu bringen, die Pfarrbüros neu zu organisieren, aber auch viele andere Aufgaben zu erledigen "war und ist kraftraubend". Immerhin sei man mit dem Gebäudekonzept gut auf das Kommende vorbereitet, es sei "nicht sinnvoll, das alles zu stoppen", so Hafner. "Wir müssen uns verkleinern und unsere Gebäude in Schuss bringen."

Pfarrer Alexander Hafner, Leiter der Seelsorgeeinheit Wiesloch-Dielheim. Foto: Helmut Pfeifer

Pfarrer Joachim Viedt, Leiter der Seelsorgeeinheit Letzenberg, zeigt sich "persönlich ziemlich getroffen" angesichts der nun schon dritten Strukturreform binnen kurzer Zeit. "Wie soll man da Identität schaffen?", ist er aktuell noch ratlos, "wie die Nähe zu den Menschen" erhalten werden kann. Für ihn ist die "Pastoral 2030" eine Reaktion auf die Gegebenheiten mit rückläufigen Zahlen bei Kirchenmitgliedern und Gottesdienstbesuchen. Es sei "keine Initiative in Sicht, die daran etwas ändern könnte", da könne man sich "vor Ort abstrampeln, wie man will". Für ihn persönlich sei es "ein Novum", dass er an Pfingsten nach Freiburg eingeladen ist, um aktiv am Prozess mitzuwirken. Das sei einerseits "schön", aber "ob es etwas bewirken wird, weiß ich nicht". Zumindest sei die Zahl 2030 für ihn "sehr entlastend" und gebe ihm ein Stück Gelassenheit. "Wir haben vielleicht noch zehn Jahre Mitgestaltungsmöglichkeiten", sagt Viedt. Die wolle man dazu nutzen, die Gemeinde vor Ort so gut "am Leben zu halten" wie nur möglich und die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen.

Pfarrer Michael Hettich, Leiter der Seelsorgeeinheit Walldorf-St. Leon-Rot. Foto: Theo Vetter

"Ich war überrascht und wiederum nicht überrascht", erklärt Pfarrer Dr. Michael Hettich. Mit realistischem Blick sei schon länger klar gewesen, dass es nicht bei der heutigen Größe der Seelsorgeeinheit bleiben könne. "Die Zahl 40 ist im ersten Moment schon erschreckend", meint er. Allerdings sei "ein größerer Schritt" aus seiner Sicht besser als andauernd kleinere Zusammenlegungen, die für die Menschen vor Ort "frustrierender" seien. Deshalb müsse man durchaus fragen, ob nicht schon in der Vergangenheit größere Einheiten hätten gebildet werden müssen. "Bei vielen Leuten ist schon ein Schock da", schildert Hettich die ersten Reaktionen der Gemeindemitglieder.

Im März steht die nächste Pfarrgemeinderatsversammlung an, "ich bin gespannt, wie da die Reaktionen sind". Wichtig im anstehenden Prozess ist dem Pfarrer, "wie die Gemeinde vor Ort bestehen kann" und "wie der Glaube gelebt und weitergegeben werden kann".

Auch Hettich plädiert dafür, Geschäftsführer in den kommenden Pfarreien zu installieren. Haupt- und Ehrenamtliche hätten heute "viel an Verwaltung zu tun, wir kommen bald nicht mehr mit". Jetzt geht es für ihn erst einmal darum, die Menschen zu informieren, ihre Ängste und Befürchtungen anzuhören und ernst zu nehmen.

Info: Alle Artikel zum Thema "Pastoral 2030" finden sie unter www.rnz.de/pastoral2030

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.