Wie es war, drei Wochen auf das Auto zu verzichten
Der Verzicht aufs Auto fiel "Stadtradel-Star" Manuel Steidel nicht schwer - Sein Ziel waren 200 Kilometer, am Ende wurden es 400

Rauenberg. (heb) "Stadtradel-Star" Manuel Steidel erzählt, wie es für ihn war, drei Wochen auf das Auto zu verzichten. Die Radkilometer für Rauenberg hat der 37-jährige Stadtrat und Familienvater (die Kinder sind drei und fünf Jahre alt) im Team Bündnis 90/Die Grünen Rauenberg gesammelt. Mit E-Bike und Lastenrad kommen er und seine junge Familie im Alltag derzeit gut zurecht.
Herr Steidel, was ist ein Stadtradel-Star?
Stadtradel-Star können nur Kommunalpolitiker und -politikerinnen werden. Sie gehen die Wette ein, drei Wochen lang kein Auto von innen zu sehen. So erleben sie am eigenen Leib, wie die Infrastruktur aus Sicht von Radfahrenden oder ÖPNV-Nutzern ist und können sich für Verbesserungen vor Ort einsetzen.
Wie sind Sie darauf gekommen, sich auf diese Wette einzulassen?
Norbert Knopf, Gemeinderat aus St. Leon-Rot, hatte mich über diese Möglichkeit informiert. Als IT-Berater fahre ich zu Geschäftsterminen im Umkreis von 300 Kilometern. Oft fahre ich in die Bodenseeregion, die mit der Bahn schlecht angebunden ist, aber es hat mich dennoch gereizt. Ich probiere gerne Dinge aus. Dazu gehört, dass ich vorher nicht weiß, ob sie funktionieren. Doch dann kam Corona, das Stadtradeln wurde Richtung Herbst verschoben und die Kundenbesuche fielen aus. Wenn die Pandemie irgendwann vorbei ist, möchte ich den Versuch aber nachholen.
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Welches Ziel hatten Sie sich gesteckt?
Während ich in den letzten beiden Jahren beim Stadtradeln jeweils rund 180 Kilometer zurückgelegt hatte, wollte ich dieses Jahr die 200er-Marke knacken. Quasi aus Versehen bin ich dann aber rund 400 Kilometer geradelt. Die meisten Kilometer kamen durchs Pendeln zusammen und durch Erledigungen.
Im Frühjahr haben Sie ein E-Touring-Rad angeschafft, ist das nicht eher was für Senioren?
Ich hatte nur ein altes Mountainbike aus Jugendzeiten und schon seit Jahren überlegt, mir ein Touring-Rad zu kaufen. Im Radladen habe ich mich spontan auf ein E-Bike gesetzt und eine Runde gedreht und war gleich "angefixt". Mit dem neuen Rad bin ich viel schneller unterwegs und kann direkt ins Büro, ohne vorher Duschen zu müssen. Das macht viel Spaß.
Wie haben Sie die Radinfrastruktur in der Region erlebt?
Infrastruktur und Beschilderung sind manchmal überraschend gut und manchmal noch gruselig. Die kürzesten Verbindungen sind grundsätzlich die Autostraßen – Radwege sind dagegen mit Umwegen verbunden. Innerorts ist man mit dem Rad eigentlich immer schneller unterwegs, aber außerhalb macht es sich dann schon bemerkbar, dass den direkten Weg immer nur die Autos zur Verfügung haben.
Können Sie uns Beispiele nennen?
In Rauenberg fehlt ein Rad- und Fußweg entlang der K 4170 in Richtung Dielheim vom Kreisel bei den Supermärkten bis zum Kreisel Stockswiesen. Als die Kreisstraße wegen der Brückensanierung gesperrt wurde und damit kaum noch Autoverkehr vorhanden war, hat man auch plötzlich Radverkehr auf der Strecke und damit auch den Bedarf gesehen. Inzwischen ist die Strecke wieder offen und für Radler schlicht lebensgefährlich. In Östringen wurde als Versuchsstrecke eine Radspur auf der Landstraße markiert, doch wenn man von Autos mit 100 Stundenkilometern überholt wird und nicht nebeneinander fahren kann, macht das Radfahren keinen Spaß. Im Auto sitzt man ja auch nebeneinander. Ein paar Meter weiter verläuft ein toller Radweg, aber der ist matschig und in keinem guten Zustand.
Haben Sie auch andere Verkehrsmittel genutzt?
Einmal bin ich bei schlechtem Wetter mit dem Bus zur Arbeit gefahren. Ich wurde trotzdem nass, denn von Rauenberg fährt der Bus nur bis zum Bahnhof Wiesloch-Walldorf. Ins Gewerbegebiet musste ich dann laufen. Das macht man nur einmal ...
Sie haben vor drei Jahren auch ein E-Lastenrad gekauft ...

Ja, eine unserer besten Investitionen: Wocheneinkauf, Fahrten mit den Kindern, Bau- und Gartenmarkteinkäufe, Schwimmbadbesuche, alles ist möglich und vor allem viel einfacher und schneller als mit dem Auto. Im Umkreis von fünf Kilometern ist es unschlagbar. Die Kinder schnallen sich selbst an, man muss keinen Parkplatz suchen, sondern fährt direkt vor die Tür. Den meisten ist gar nicht bewusst, wie umständlich das Auto ist. Eigentlich hätte auch meine Frau Stadtradel-Star werden können, sie ist ja auch im Gemeinderat. Aber sie musste zwischendurch mal eine Runde mit unserem E-Auto drehen, damit die Scheibenbremse nicht festrostet.
War der Auto-Verzicht während Corona dann überhaupt eine Herausforderung?
Es stimmt, vieles erledige ich auch ohne Stadtradeln schon mit dem Rad. Blöd nur, wenn meine Freunde plötzlich anfangen, die SV Sandhausen-Spiele in einer Kneipe in Mannheim schauen zu wollen ... Da musste ich erst mal schlucken, ob ich mir abends 60 Kilometer hin und zurück antun will. Aber egal, die Stadtradeln-Wette lief noch und ich hatte nicht vor, die Wette zu verlieren! Also: Sachen gepackt und ab nach Seckenheim.
Wo war während der Stadtradel-Zeit Ihr innerer Schweinehund und was macht er jetzt?
(lacht) Den habe ich zu den Schwiegereltern nach Helgoland geschickt, weit weg, damit ich in Ruhe Fahrrad fahren kann. Er ist jetzt immer noch auf der Insel.