Spechbach

Streit um Zukunft des Jugendcafés

Die Gemeindeverwaltung kündigte den Vertrag mit "Postillion". Protest mit Plakaten in Ratssitzung.

14.12.2022 UPDATE: 14.12.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 16 Sekunden
Ihren Protest gegen die Kündigung, welche die Gemeinde dem „Postillion e.V.“ ausgesprochen hatte, teilten die Jugendlichen bei der Gemeinderatsitzung auf Plakaten mit. Foto: Barth

Von Christiane Barth

Spechbach. Junge Leute, die Plakate in den Händen halten, bei der Gemeinderatsitzung im Bürgersaal des Rathauses. Auf einem Plakat stand geschrieben: "Gemeindeordnung Baden-Württemberg". Auf einem anderen: "Paragraf 41a". Die Jugendlichen machten einen aufgebrachten Eindruck. Ihr Anliegen: Das Jugendcafé.

Jugendliche haben im Dorf einen festen Treffpunkt, wo sie unter sozialpädagogischer Begleitung regelmäßig zusammen kommen: Im Jugendcafé unter der Leitung des "Postillion e.V." können sich junge Menschen seit fast 25 Jahren austauschen, Kicker spielen oder einfach "abhängen". Es ist die älteste Einrichtung dieses Trägers von Kinder- und Jugendhilfe im Rhein-Neckar-Kreis.

Die Jugendlichen in der Sitzung verwiesen nun auf den Paragrafen 41a der Gemeindeordnung, welcher besagt, dass "die Gemeinde Kinder und Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen" muss. Ein Sprecher der etwa zehnköpfigen Gruppe monierte, dass die Jugendarbeit in der jetzigen Form enden solle, und kritisierte: "Wir fragen uns, warum das gegen unseren Willen gemacht wurde." Die Kündigung sei am 17. November eingegangen, teilte später Friederike Bün, die seit 14 Jahren für die mobile Jugendarbeit in Spechbach zuständig ist, auf RNZ-Nachfrage mit.

Bürgermeister Werner Braun erklärte – ebenfalls nach der Sitzung –, was der Grund dafür war: "Wir wünschen uns, dass die Jugendlichen nicht nur ins Jugendcafé gehen, sondern auch am Vereinsleben teilnehmen." Die Vereine, so Braun, böten viel für den Nachwuchs. Die enge Bindung, welche die jungen Leute an die Mitarbeiterin im Jugendcafé aufgebaut hätten, sei zwar einerseits gut, andererseits laufe dies einer Öffnung der Jugendlichen für das Vereinsangebot entgegen. Jüngere Teilnehmer würden zudem kaum nachrücken, wohingegen viele schon seit mehr als fünf Jahren dabei seien. "Da ist kaum Bewegung drin", so die Kritik Brauns, "wir sehen da fast eine Gefahr drin, wenn die Jugendlichen sagen, dass sie das Angebot nur mit dieser einen Betreuungsperson nutzen wollen."

Dies, meint Braun, könne nicht Ziel der Jugendarbeit sein, welche für die Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen konzipiert worden war, während die meisten Teilnehmer nun deutlich älter seien. "Die Jungen kommen nicht, wenn immer nur der alte Kern dabei ist. Da muss ein größerer Wechsel rein." Der Bürgermeister will die Jugendlichen nun zu Gesprächen einladen. Und ja, es gebe auch einen anderen Träger, mit dem die Gemeinde in Kontakt getreten sei, so Braun. Wer das ist, wollte er noch nicht verraten.

Den Jugendlichen teilte der Bürgermeister nur mit: "Den Vertrag mit dem ,Postillion’ mussten wir kündigen." Der Verein sei eingeladen gewesen, ein neues Konzept vorzustellen. Diese Gelegenheit sei nicht wahrgenommen worden. "Der ,Postillion’ hat uns versetzt", meinte Braun. Die Kündigung sei "unausweichlich", um für die Jugendlichen wieder etwas aufzubauen. Diese aber schienen sich mit der Antwort nicht zufrieden geben zu wollen: "Wir können alle nicht verstehen, warum es so weit gekommen ist," sagte deren Wortführer, "wir sind wie eine große Familie. Das Jugendcafé ist wie ein zweites Zuhause." Dieses könne ein neuer Träger nicht so schnell ersetzen.

Ein anderer junger Mann erwähnte, die Entscheidung der Gemeinde sei wie "ein Schlag ins Gesicht" gewesen. Er merkte zudem an, dass die Gemeinde vor einigen Wochen auf die Jugendlichen zugekommen sei mit der Anregung, das Gebäude zu "verschönern", etwa neu zu streichen. Braun räumte ein: "Das Haus hat Sanierungsstau." Der Bürgermeister betonte: "Die Jugendarbeit ist nicht am Ende, es muss irgendwie weitergehen, aber ich weiß noch nicht, wie sich ,Postillion’ die Weiterarbeit vorstellt."


Jugendliche fordern Mitsprache

Spechbach. (cba) Ein Bürger der Sitzung äußerte die Befürchtung, dass die Jugendlichen ohne Jugendcafé (vgl. weiterer Artikel) wohl bald "auf der Straße sitzen" könnten. Doch Braun entgegnete: "Sie sitzen nicht auf der Straße. Wir haben nicht den Jungs und Mädels gekündigt, sondern dem Träger." Der Vertrag mit diesem könne aber möglicherweise neu aufgesetzt werden. Eine Neuregelung für das Jugendcafé müsse ab dem 1. Januar 2023 in trockenen Tüchern sein. Der Sprecher der Jugendlichen aber klagte: "Bei allem Respekt, ich kann das immer noch nicht verstehen, warum Sie einfach so frei gehandelt haben. Wir hatten überhaupt kein Mitspracherecht. Das ist einfach nicht schön."

Dieter Wolfer, Bereichsleiter für die mobile Jugendarbeit im "Postillion", teilte auf Nachfrage der RNZ mit: "Die Gemeinde hat wohl eine andere Lösung gefunden." Friederike Bün von der mobilen Jugendarbeit berichtete: "Wir waren etwas überrascht über die Kündigung." In dieser sei erwähnt, dass die Gemeinde eine andere Option habe. Doch dem Postillion sei ebenfalls eine Chance auf Weiterarbeit eingeräumt worden mit der Bitte, ein neues Konzept vorzulegen.

"Daraufhin waren die Jugendlichen sauer. Sie haben gesagt: Warum fragt uns eigentlich keiner, was wir wollen?", berichtete die 38-Jährige nun. Die Sozialarbeiterin verrät zudem, der "Postillion" habe der Verwaltung nahegelegt, für die mobile Jugendarbeit, wie sie in Spechbach praktiziert wird, ein größeres Stundenkontingent zur Verfügung zu stellen. "Fünf Stunden sind einfach zu wenig", meint Bün. Denn sie betreue auch viele "Einzelfälle". Zur verpassten Einladung für die Klausurtagung meint sie: "Die Assistenz der Geschäftsführung war eingeladen, es war ein verlängertes Wochenende mit Feiertag, da war sie einfach nicht da." Bün findet: "Selbst wenn ein neuer Träger kommt, hätte man die Jugendlichen vorher mal fragen müssen."

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