Schriesheim

Situation bei der Tafel spitzt sich zu

Es gibt weniger Spenden und mit den ukrainischen Flüchtlingen zugleich mehr Bedürftige. Das Rathaus sieht allerdings keinen Handlungsbedarf.

30.05.2022 UPDATE: 31.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden
Zumindest am letzten Dienstag war der Andrang bei der „Mobilen Tafel“ im evangelischen Gemeindehaus in der Kurpfalzstraße übersichtlich. Doch sonst geht es, sagt das DRK, ganz anders zu. Foto: Kreutzer

Von Max Rieser

Schriesheim. Schon eine Viertelstunde, bevor sich die Türen der Tafel im evangelischen Gemeindehaus in der Kurpfalzstraße am letzten Dienstag – so auch heute – öffnen, bildet sich eine Schlange bis zur Straße. Menschen mit Einkaufstaschen und Körben jeden Alters warten darauf, dass sie in der Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Lebensmittel und Hygieneartikel abholen können, für die ihr eigenes Einkommen nicht reicht.

Als die Zweigstelle der Mannheimer Tafel im Dezember 2020 in Schriesheim öffnete, nahmen das Angebot rund 60 Personen im Monat wahr, berichten Dietmar Volk vom DRK und Horst Burgdörfer von der evangelischen Kirchengemeinde, während sie die letzten Vorbereitungen treffen, um zu öffnen: "Mittlerweile sind es fast doppelt so viele", schätzt Volk. Das liege zum einen daran, dass wieder mehr Senioren kommen, die während der Pandemie aus Angst vor Ansteckung nicht zur Tafel kamen, zum anderen, und das ist der größere Teil, sind es Geflüchtete aus der Ukraine, die nun ebenfalls auf die Tafeln angewiesen sind.

Um sich ein Bild von der Lage zu machen, waren am vergangenen Dienstag auch Sozialstellenleiterin Christine Söllner mit Sozialarbeiterin Miriam Horn und dem stellvertretenden Hauptamtsleiter Robert Eszterle bei der Tafel vor Ort. "Ich habe von einigen Senioren erfahren, dass die Wartezeiten immer länger werden, und jetzt wollten wir uns die Situation mal ansehen", berichtet Söllner.

Hubert Mitsch, der Leiter der Mannheimer Tafel und auch für die Schriesheimer Ausgabestelle verantwortlich, berichtet: "Im Januar hatten wir 66 Kunden, im Februar 70, März 80, im April ging es auf 107 hoch, und im Mai sind wir bei zwei von vier Dienstagen schon bei 106, das werden mindestens 150 Kunden." Für die ehrenamtlichen Helfer werde das zunehmend zum Problem, denn gerade in Schriesheim sei das Durchschnittsalter der Freiwilligen relativ hoch "das ist eine extreme Arbeitssituation, und es ist momentan jeden Tag ein Kampf", klagt Mitsch.

Auch interessant
Baden-Württemberg: Überlastete Tafeln senden Hilferuf an die Politik
Schriesheim: So lief der erste Tag in der neuen Tafel
Inflation setzt Tafeln zu: Wenig für Viele

Das ist aber nicht die einzige Herausforderung, denn aufgrund der Inflation sank die Bereitschaft der Lebensmittelhändler zum Spenden sehr, da man versucht, so wenig Überschuss wie möglich zu produzieren: "Dementsprechend weniger fällt dann für die Tafeln ab." Da die Tafeln, die von Mitsch betreut werden, unterschiedliche Öffnungszeiten haben, konnte er das Angebot so organisieren, dass es bisher immer überall gereicht hat. Wie lange das noch so bleibt, weiß er allerdings nicht.

Um es für die Ukrainer zu erleichtern, wurde der Tafelausweis, der die Notwendigkeit zum Einkaufen bei der Tafel belegt, für sie ausgesetzt, und sie erhalten ein Dokument auf ukrainischer Sprache, um sich als Geflüchtete auszuweisen.

Über die gesamte Situation ärgert sich Mitsch, denn er findet, dass man hier von Seiten des Staates hätte gegenlenken müssen: "Der Staat schickt die Geflüchteten zu den überlasteten Tafeln, da entsteht dann für die Stammkunden der Eindruck, für sie reiche es nicht mehr." Er sei froh, dass er helfen könne, die Menschen aus der Ukraine zu versorgen, so entstehe aber ein Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen benachteiligten Gruppen. Außer einem Verlustausgleich im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung erhalte man von der Stadt Schriesheim bisher keinerlei Unterstützung. Der Landesverband der Tafeln in Baden-Württemberg hat bereits eine Überlastungsanzeige an die Landesregierung gestellt, da sich die Situation landesweit immer mehr zuspitze und der Zustrom an Flüchtlingen, die auf das Tafel-Angebot angewiesen seien, vorerst nicht abreiße. Daher müsse bald eine Lösung gefunden werden.

Eine Ausnahmesituation konnte die Rathausdelegation bei der Schriesheimer Tafel am letzten Dienstag nicht feststellen. "Mein Eindruck von der Tafel war sehr positiv, alles war sehr schön hergerichtet, und die Auswahl war relativ groß. Die ehrenamtlichen Helfer sind sehr bemüht, den Kunden ein angenehmes Einkaufserlebnis zu ermöglichen", berichtete Söllner auf RNZ-Anfrage. Die Grundversorgung der Flüchtlinge sei durch "Asylbewerberleistungen beziehungsweise Leistungen vom Jobcenter abgedeckt". Das Angebot der Tafel sei also nur "eine ergänzende Unterstützung, die wir zum Glück vor Ort haben". Die Organisation des Verkaufs in den Tafeln liege aber nicht in der Verantwortung des Rathauses, sondern "allein in den Händen des Roten Kreuzes", so Söllner weiter.

Wenn schon die Auffassungen zur Tafel-Situation so verschieden sind, wäre es nun an der Zeit für eine bessere Kommunikation zwischen Verwaltung und DRK.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.