Schriesheim

Am 9. November demonstriert breites Bündnis gegen Rechtspopulismus

Jetzt machen die Demokraten mobil. Vorbild ist "Uffbasse Schriesheim" zu Pandemie-Zeiten.

31.10.2023 UPDATE: 31.10.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden
Am 17. Januar 2022 demonstrierten über 500 Bürger parteiübergreifend gegen die coronaskeptischen „Spaziergänger“. Diese gesellschaftliche Bewegung ist nun ein Vorbild für die neuerliche Initiative „Gemeinsam für Demokratie“. Foto: Dorn

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Unter Demokraten ist es üblich, sich zu streiten – gerade in Schriesheim. Da ist ein gemeinsames Zusammenstehen eher selten. Und doch gab es solche Momente: Am 17. Januar 2022 stellten sich über 500 Bürger in der Altstadt den corona-skeptischen "Spaziergängern" entgegen – und sandten mit dieser Menschenkette ein beeindruckendes Signal für gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Ein breites Bündnis aus Grüner Liste, CDU, SPD, Freien Wählern, FDP und der damaligen Bürgergemeinschaft (heute: Interessengemeinschaft Schriesheimer Bürger) hatte damals unter dem Motto "Uffbasse – Schriesheim ist solidarisch mit Abstand und Maske" dazu aufgerufen, sich nicht spalten zu lassen und für Demokratie, Hygieneregeln und Impfbereitschaft Präsenz in der Altstadt zu zeigen. Zuvor hatten sich die "Spaziergänger" ab Ende Dezember 2021 guerillaartig zu unangekündigten Demonstrationen getroffen – mit bis zu 150 Teilnehmern.

Nun haben sich die Zeiten geändert: Die Pandemie ist weitgehend Geschichte, aber mittlerweile ist der Rechtspopulismus erstarkt, die AfD wurde bei etlichen Landtagswahlen zweitstärkste Partei. Das gilt im Moment auch bei der "Sonntagsfrage": Hier kommt laut dem Oktober-Politbarometer der "Forschungsgruppe Wahlen" diese Partei auf 21 Prozent, nur die CDU schneidet mit 30 Prozent besser ab (SPD: 15 Prozent, Grüne: 14 Prozent, FDP: 5 Prozent). Daher soll es nun eine Wiederauflage eines gemeinsamen Bekenntnisses aller Demokraten geben – und zwar am Donnerstag, 9. November, um 19 Uhr vor dem Alten Rathaus.

Auch hier haben sich wieder alle politischen Gruppierungen des Gemeinderates – außer der AfD – und die beiden Kirchengemeinden zusammengetan. Organisator Patrick Schmidt-Kühnle sagt: "Der Geist von ,Uffbasse Schriesheim’ ist wieder wach."

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Denn: "Uns treibt die Sorge um angesichts des zunehmenden Erstarkens von Rechtspopulismus und Demokratiefeindlichkeit. Mit unserer Initiative ,Gemeinsam für Demokratie’ wollen wir vor Ort, über Partei- oder Kirchengrenzen hinweg, Seite an Seite mit Vereinen und anderen Gruppen der Stadtgesellschaft, entschlossen für unsere Demokratie eintreten. Es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen und unsere gemeinsame Verantwortung für die Demokratie zu unterstreichen."

Diese "Pro-Demokratie-Demo" hat zwar eher einen bundespolitischen Bezug, aber sie findet nicht in einem luftleeren Raum in Schriesheim statt: Momentan ist hier die AfD – als einzige Kommune in der Region – im Gemeinderat vertreten, und ihr Stadtrat Thomas Kröber hatte 2021 den "Demokratie- und Kulturverein" gegründet, der seine Thesen per Mitteilungsblatt und der Postille "Schriesheimer Bote" verbreitet. "Das ist sicherlich auch ein Grund, weswegen wir dem etwas entgegensetzen müssen", meint Schmidt-Kühnle.

Der Tag ist nicht zufällig gewählt: Es ist der 85. Jahrestag der Reichspogromnacht, als in ganz Deutschland die Synagogen angezündet und geschändet wurden – auch in Schriesheim. Hier bedrängte – so berichtete es unlängst Joachim Maier bei einem Rundgang – ein fanatischer Nationalsozialist am Morgen des 10. November 1938 das Rathaus, dem Ladenburger "Vorbild" zu folgen und das Gebäude zu demolieren. Hitlerjungen besorgten sich von der Vermieterin den Schlüssel zur Synagoge, rissen die Kronleuchter von der Decke, schafften die Bänke raus auf den Hof, das meiste wurde verbrannt. Die Thorarolle wurde in Ladenburg in eine Kiesgrube geworfen. Das geschah nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit: "Es waren bis zu 100 Leute da", sagte Maier damals, "es muss also 100 Zeugen gegeben haben."

Und so sagt Schmidt-Kühnle: "Gemeinsam wollen wir an diesem historisch bedeutsamen Datum innehalten und an die schrecklichen Ereignisse jenes Tages erinnern. Gleichzeitig wollen wir diese Erinnerung als Ansporn nutzen, um miteinander für die Werte unserer Demokratie einzustehen und uns gegen jegliche Form von Diskriminierung, Rassismus und Menschenfeindlichkeit in Schriesheim oder anderswo zu wenden."

Bei der "Pro-Demokratie-Demo" spielen Schülerinnen des Kurpfalz-Gymnasiums ein Stück, dann begrüßen die Initiatoren die Gäste, schließlich hält Angelika Vogt von der Jugendstiftung Baden-Württemberg einen kurzen Vortrag, wieso Demokratie gerade heute so wichtig ist.

Im Anschluss werden Kerzen entzündet – und es soll auch noch die Möglichkeit geben, sich auszutauschen. Mittelfristig will die Initiative "Gemeinsam für Demokratie" noch weitere "Bündnispartner" gewinnen, etwa die Schulen. Und im Frühjahr soll ein "Demokratiefest" gefeiert werden.

Info: Weitere Veranstaltungen zum Gedenken an die Pogromnacht: Mittwoch, 8. November, 18 Uhr: Eucharistiefeier zum 85. Jahrestag, katholische Kirche; Freitag, 10. November, 15.30 Uhr: Führung durch das jüdische Schriesheim mit Joachim Maier (Treff: Neues Rathaus).

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