Müssen 2,2 Hektar Wald für zwei Fußballplätze weichen?
Gemeinde informierte über Bebauungsplan "Sportzentrum Süd" am Gelände des SV Sandhausen - Verpflichtung durch Deutsche Fußball Liga und Rodung sind umstritten

Bürgermeister Georg Kletti (v. l.), Ortsbaumeister Michael Schirok und Stadtplaner Dietmar Glup standen bei der Veranstaltung im Rathaus für Fragen zur Verfügung. Foto: Alex
Von Lukas Werthenbach
Sandhausen. Bis der Fußball-Zweitligist SV Sandhausen (SVS) sein Gelände um zwei Sportplätze auf einer derzeit noch bewaldeten Fläche erweitern kann, müssen Verein und Gemeinde noch einige Hürden überwinden. Das ist nun bei einer Veranstaltung im Rathaus vor rund 50 Besuchern deutlich geworden. Bürger äußerten Kritik und Verantwortliche erklärten die rechtlichen Auflagen für dieses Vorhaben. Zu den interessierten Sandhäusern, die diese Veranstaltung im Sitzungssaal verfolgten, gehörte auch der SVS-Präsident Jürgen Machmeier und zahlreiche Nachwuchsspieler des SVS.
Hintergrund
Fragen und Antworten zum Bebauungsplan "Sportzentrum Süd"
Bei der Bürgerveranstaltung zum "Bebauungsplan ,Sportzentrum Süd‘" wurden einige kritische Fragen laut. Zwischendurch erinnerte Bürgermeister Georg Kletti daran, dass es hierbei nicht um eine
Fragen und Antworten zum Bebauungsplan "Sportzentrum Süd"
Bei der Bürgerveranstaltung zum "Bebauungsplan ,Sportzentrum Süd‘" wurden einige kritische Fragen laut. Zwischendurch erinnerte Bürgermeister Georg Kletti daran, dass es hierbei nicht um eine grundsätzliche Diskussion über den SV Sandhausen (SVS) gehe, sondern um Fragen zum Bebauungsplan. Man wolle dazu "alle Seiten anhören". Im folgenden sind die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.
Warum braucht der SVS zwei weitere Sportplätze?
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) verpflichtet alle Vereine der ersten und zweiten Bundesliga, über ein so genanntes Nachwuchsleistungszentrum zu verfügen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass insgesamt mindestens fünf Fußballfelder, darunter drei Rasenplätze, im Besitz des Vereins sind. Derzeit hat der SVS inklusive des Platzes im eigenen Stadion nur drei Felder. Auf mehrmalige RNZ-Nachfrage verweist die DFL lediglich auf ihre "Richtlinien für die Errichtung und Unterhaltung von Leistungszentren". Darin werden allerdings keinerlei mögliche Folgen für den Fall genannt, dass ein Verein der "Verpflichtung" nicht nachkommt. Da die DFL aber den Vereinen die Lizenz, also die Spielerlaubnis für die jeweils nächste Saison erteilt, könnte ein Lizenzentzug in letzter Konsequenz möglich sein.
Würde sich die Situation bei einem Abstieg des SVS in die dritte Liga ändern?
Diese Frage gab Kletti an SVS-Präsident Jürgen Machmeier weiter. "Der DFB hat die gleichen Anforderungen", antwortete dieser knapp. Fakt ist: Für die dritte Liga ist nicht die DFL, sondern der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zuständig. Allerdings verpflichtet der DFB die Drittligisten nicht zum Bau eines Nachwuchsleistungszentrums (NLZ). Laut DFB haben derzeit nur zehn der insgesamt 20 Drittliga-Vereine ein solches Zentrum. Von Strafen oder gar Lizenzentzug gegen einen Drittliga-Verein ohne NLZ ist nichts bekannt. Machmeiers Aussage betrifft die grundsätzlichen Voraussetzungen für ein NLZ, das in der dritten Liga aber freiwillig ist: Entscheidet sich ein Drittligist für ein solches Zentrum, braucht er mindestens fünf Sportplätze.
Welche Alternativen gibt es zur bevorzugten Fläche südlich des Stadions?
"Der erste Gedanke des Gemeinderats" war laut Kletti, die Sportplätze nördlich des Stadions zu errichten. Allerdings seien "erhebliche Konflikte mit dem Tennisverein" zu befürchten gewesen. Bei Tennis handele es sich eher um einen "leisen Sport", der Platz des Tennisclubs wäre dann vom "lauten Sport" Fußball "umzingelt". Zudem sei der Lärmschutz unter anderem für das benachbarte Pflegeheim zu beachten. Auch eine Fläche zwischen der Hopfenanlage und den Plätzen des FC Badenia St. Ilgen sei eine Option gewesen. Hier fehlt laut Stadtplaner Dietmar Glup aber jegliche notwendige Infrastruktur in unmittelbarer Umgebung.
Wer trägt die Kosten?
"Alle Kosten trägt zunächst der Verursacher", sagte Kletti - also der SVS. Es gebe aber die Möglichkeit, wie bei allen Vereinen, dass die Gemeinde das Vorhaben mit bis zu 20 Prozent der Kosten bezuschusst. Unklar ist indes noch, ob die Gemeinde eine eigene Waldfläche gegen das Waldstück des Landes tauscht, ob sie es kauft oder ob der SVS die Fläche erwirbt.
Ist ein Bürgerbegehren durch Projektgegner möglich?
"Ein Bürgerentscheid hätte innerhalb der drei Monate nach dem Einleitungsbeschluss des Gemeinderats angegangen werden müssen", erklärte Kletti. Da diese Entscheidung bereits im April 2018 fiel, sei die Frist für ein rechtskräftiges Verfahren abgelaufen.
Wie geht es nun weiter?
Kletti betonte, dass das letzte Wort zu diesem Vorhaben noch nicht gesprochen sei. Etwa Mitte April erhalten unter anderem Naturschutzverbände Einsicht in die Planung und die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Frühestens im Juni werden alle Ergebnisse im Technischen Ausschuss oder im Gemeinderat besprochen. Anschließend werden alle Pläne über einen Monat im Internet und im Rathaus für die Bürger offengelegt. "Jeder kann sich dazu äußern", erklärte Ortsbaumeister Michael Schirok. Erst danach könnten Verwaltung und Gemeinderat weitere Entscheidungen über das Vorhaben treffen. Abschließend betonte Kletti, dass "nichts im Geheimen entschieden" werde. (luw)
Die Gemeinde hatte zu einer "vorgezogenen Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan ,Sportzentrum Süd‘" eingeladen. Bürgermeister Georg Kletti, Ortsbaumeister Michael Schirok und Stadtplaner Dietmar Glup standen für Fragen zur Verfügung. Den Hintergrund der Erweiterungspläne erklärte Kletti gleich zu Beginn: "Verantwortliche des SVS sind an die Verwaltung und den Gemeinderat herangetreten, weil sei zwei weitere Sportplätze für ihr Nachwuchsleistungszentrum benötigen." Dies fordere die Deutsche Fußball Liga (DFL), die für Spielbetrieb, Lizenzierung sowie Vermarktung der ersten und zweiten Bundesliga verantwortlich ist. Diese Verpflichtung aller 36 deutschen Profivereine, über mindestens fünf Sportplätze zu verfügen, entpuppte sich unterdessen als einer der größten Streitpunkte in dieser Angelegenheit.
Mit der Anfrage des SVS habe sich der Gemeinderat "mehrmals beschäftigt", betonte Kletti. Verschiedene freie Flächen auf Sandhäuser Gemarkung seien "ins Auge gefasst" worden, erklärte Glup anhand einer Präsentation auf Leinwand. Letztlich entschied der Gemeinderat im April 2018, einen Bebauungsplan für die Errichtung zweier Sportplätze südlich des BWT-Stadions am Hardtwald und westlich der Hauptstraße zu erstellen.
Die auserkorene Fläche mag zwar von allen Alternativen noch die am besten geeignete sein. Doch bringt die geplante Bebauung dieses rund 2,5 Hektar großen Areals gleich mehrere Probleme mit sich. So handelt es sich dabei um ein bewaldetes Schutzgebiet, das dem Land Baden-Württemberg gehört und laut Flächennutzungsplan bisher nicht zur Bebauung bestimmt ist. Laut Kletti wären rund 2,2 Hektar dieses "Staatswaldes" zu roden, um das Vorhaben umzusetzen. Als Ausgleich müsste neuer Wald auf einer ebenso großen Fläche an anderer Stelle gepflanzt werden. Diese "Wiederaufforstung" muss die zuständige Behörde in Freiburg allerdings noch genehmigen. Zudem müssen mehrere Gutachten erstellt werden, darunter eines über etwaige geschützte Arten, die in dem zu rodenden Forst leben.
Eine weitere Hürde ist eine Wasserschutzzone, auf der sich die auserkorene Fläche befindet: Um eine Verunreinigung des Grundwassers zu verhindern, darf nicht überall Dünger eingesetzt werden. Nur auf dem westlichen Teil der Fläche ist die Errichtung eines Naturrasens zulässig, für das zweite Feld ist ein Kunstrasen vorgesehen.
Neben den zwei Fußballplätzen ist der Bau eines "eingeschossigen Gebäudes für Lagerzwecke" möglich, wie Glup erklärte. Zudem ist die Errichtung von 140 Parkplätzen vorgesehen.
Aufsehen erregten während der knapp zweistündigen Veranstaltung auch die Jugendspieler des SVS: Zunächst betrat eine Gruppe mit Betreuern den Raum, als Glups Vortrag bereits in vollem Gange war. Später verließen andere Mannschaften den Sitzungssaal frühzeitig, ehe eine weitere Gruppe mit Betreuern wieder hinzu kam.