Neckarsteinach feiert den 875. Geburtstag eher "klein, aber fein"
Für ein großes Fest fehlen Neckarsteinach die Mittel - Klostergründung in Schönau bewirkte erste urkundliche Erwähnung

Wer die Hinterburg in Neckarsteinach erklimmt, wird mit einem Bilderbuchblick auf das hessische Neckarstädchen belohnt. Archivfoto: Frenzel
Von Thomas Frenzel
Neckarsteinach. Auch wenn beide von der Geschichte in einem Atemzug erstmalig erwähnt wurden: Neckarsteinach ist zweifelsfrei älter als Schönau, das Nachbarstädtchen im Odenwald. Beide feiern heuer das 875. Jubiläum ihrer ersten Beurkundung. Diese datiert von 1142 und ist dem damaligen Bischof von Worms, Burkhard II., zu verdanken. Dieser sorgte dafür, dass die aus Frankreich kommende Zisterzienserbewegung im Tal der Steinach ein Kloster begründen durfte.
Während das Klosterstädtchen Schönau es anlässlich des Jubiläums mit einem Stadtfest im Juli so richtig krachen lassen will, wie der Schönauer Bürgermeister Marcus Zeitler ankündigte, denkt man in der Vierburgenstadt eher an eine "kleine, aber feine" Geburtstagsfeier, wie sich der Neckarsteinacher Bürgermeister Herold Pfeifer ausdrückte: Für ein großes Fest mit historischem Umzug wie bei der 850-Jahr-Feier fehlen der finanziell gebeutelten Hessenstadt schlicht die pekuniären wie personellen Ressourcen.
Offen ist auch noch, wann das Neckarsteinacher Urkundenjubiläum gefeiert werden soll - huckepack beim traditionellen "Tag des Gastes", der mit seiner Vierburgenbeleuchtung immer am letzten Julisamstag Tausende anlockt, oder vielleicht auch erst im Spätjahr. Dann feiern die Hessen ihre 50-jährige Partnerschaft mit dem französischen Pargny-sur-Saulx in der Champagne.
Beide Anlässe seien denkbar, sagt Rathauschef Pfeifer, der freimütig einräumt, beim 875. Jubiläum noch auf der Suche nach potenziellen Sponsoren zu sein. Umso dankbarer sei er der örtlichen SPD, dass diese bei der Haushaltsverabschiedung darauf gedrängt habe, für den Stadtgeburtstag etwaige freie Mittel einzusetzen.
Solche freien Mittel waren auch 1142 gefordert, wobei deren Fluss durchaus durch göttlichen Zuspruch befördert wurde: Besagter Wormser Bischof Burkhard II. drängte auf das Zisterzienserkloster im Steinachtal - als Anhänger dieser Mönchsbewegung wollte er dort seine Grablege haben. Das Problem dabei: Über mehrere Ecken befand sich die fürs Kloster ausgesuchte schöne Aue im Besitz der Edelfreien von Steinach. Bligger I., der in besagter Urkunde von 1142 erwähnt wird, hatte hier den Urwald roden und Äcker und Weingärten anlegen lassen. Der Verzicht auf diese Güter wurde dem Steinacher schmackhaft gemacht: Er erhielt zum Ausgleich Geldeinkünfte aus verschiedenen Ortschaften zwischen Ladenburg und Wimpfen - ein Gebiet, über dessen Wohl und Wehe der Wormser Bischof entscheiden konnte.
Allein das macht offenkundig, dass die Neckarsteinacher schon lange vor den Schönauern begütert waren - und Einfluss hatten. Darauf verweisen auch archäologische Befunde: Bei der zu Beginn des Jahrtausends erfolgten Sanierung der spätgotischen evangelischen Kirche stieß man auf die Fundamente einer wohl romanischen Vorgängerkirche.
Offen bleibt indessen, wo diese alten Herren von Steinach seinerzeit residierten. War es die heute "Hinterburg" genannte Feste mit dem mächtigen Bergfried, die gleich am Ortseingang aus Richtung Neckargemünd das Neckartal beherrscht, oder war es die "Vorderburg" aus Richtung Hirschhorn, von der nur noch der Bergfried mit dem direkt angrenzenden Wohngebäude erhalten ist? Letztere hätte zum Wormser Territorium gehört. Hier streiten sich die Historiker.
Unstrittig ist dagegen anderes: Die Edelfreien von Steinach hatten allerbeste Kontakte nach oben - und damit Einfluss. Der Bruder des in der Urkunde von 1142 erwähnten Bligger I. wurde unwesentlich später Bischof von Worms und war ein Vertrauter des Stauferkaisers Friedrich I. Barbarossa. Und in dessen Gefolge tauchte auch Sohn Bligger II. auf, der freilich in gänzlich anderer Mission Karriere machte: Als Minnesänger ist er in der weltberühmten Manessischen Liederhandschrift verewigt. Ihm verdankt Neckarsteinach übrigens auch sein heutiges Wappen: die Harfe.