Neckarhäuserhof: Mit der Hochseilgierfähre über den Neckar
Die Neckarhäuser Fähre ist eine der letzten ihrer Art - Gelenkt wird sie mit Drahtseilen - Aber der Motor läuft meistens mit

Achim Landwehr an seinem Arbeitsplatz: Der Fährmann bedient die Gierwinde und lenkt dadurch die Fähre über den Neckar. Fotos: Alex
Von Manuel Reinhardt
Neckargemünd-Neckarhäuserhof. Der Zugang zu Odenwald und Kraichgau auf den jeweiligen Uferseiten, Handel und Landwirtschaft, später der Weg zur Arbeit oder zur Schule: Dies waren und sind die Antriebe von Menschen, den Neckar überqueren zu wollen. Und zwischen dem Neckargemünder Ortsteil Neckarhäuserhof und dem Neckarsteinacher Stadtteil Neckarhausen können sie dies dank der Neckarhäuser Fähre auch problemlos tun. Aber mehr noch: Die Überfahrt ist auch ein touristisches Erlebnis - die Fähre ist nämlich eine der letzten ihrer Art (vgl. Hintergrund) und verfügt über einen ganz besonderen Antrieb.
"Die Fähre ist eine sogenannte Hochseilgierfähre mit Hilfsantrieb", erklärt Achim Landwehr. Er muss es wissen - schließlich bringt er als Fährmann seit 1980 seine Fahrgäste von der einen Neckarseite zur anderen. "Den Motor zu benutzen ist der Normalfall", erzählt er weiter. Seit 1958 wird die Fähre, die 1933 gebaut und in Betrieb genommen wurde, mit einem Dieselmotor mit Schraubenantrieb über den Neckar bewegt. Einem Zwei-Zylinder-Dieselmotor mit 30 PS. Hierfür ist ein Dieseltank auf der Fähre angebracht, der 1000 Liter fasst. "Da füllt der Fährmann täglich mit der Kanne nach", erklärt Achim Landwehr, was er und sein Kollege Dominic Schott zu tun haben.
Hintergrund
> Die Geschichte der Neckarhäuser Fähre beginnt 1495: Ein Rechtsstreit zwischen dem Kloster Lorsch und Mückenloch um Holz- und Weidelegerechte am linken Ufer liefert den ersten Hinweis zu einer Neckarquerung. 1803 ist sodann erstmals die Einrichtung einer
> Die Geschichte der Neckarhäuser Fähre beginnt 1495: Ein Rechtsstreit zwischen dem Kloster Lorsch und Mückenloch um Holz- und Weidelegerechte am linken Ufer liefert den ersten Hinweis zu einer Neckarquerung. 1803 ist sodann erstmals die Einrichtung einer sogenannten Nähe - ein flaches Boot - überliefert. Am 15. August 1837 nahm dann Johannes Krieger als erster Fährmann die Nähe in offiziellen, regelmäßigen Betrieb. Bis dahin wurde die Fähre privat von zwölf Eignern genutzt. Die freilaufende Fähre verkehrte bis 1853, ehe sie gegen eine Drahtseilfähre ausgetauscht wurde. Die schaffte den immer schwerer werdenden Fuhrverkehr aber nicht mehr - 1888 wurde eine Gierbundfähre, die an einem Drahtseil lief, installiert. Der Bau der Staustufe Neckarsteinach 1931 leitete die Ära der Motorschifffahrt auf dem Neckar ein, durch den nun fehlenden Strömungsdruck konnte die Fähre nur bei günstigem Wasserstand fahren. Daher wurde bei der Ebert-Werft in Neckarsteinach die Hochseilgierfähre bestellt und 1933 in Betrieb genommen. Seit 1975 wird die Neckarhäuser Fähre vom Kreis Bergstraße und der Stadt Neckargemünd betrieben. mare
16 Tonnen können von diesem Antrieb über den Fluss verfrachtet werden. Auf die Geschwindigkeit angesprochen, lacht Achim Landwehr. "Bis zu fünf Kilometer pro Stunde haben wir schon geschafft." 2011 wurde der Motor zuletzt ausgewechselt, sein Vorgänger lief neun Jahre lang. "Eine lange Zeit", ordnet dies der Fährmann ein. 25 000 Betriebsstunden standen zu Buche. Der aktuelle ist nun der sechste Motor, mit dem die "schwimmende Brücke" den Neckar quert. Auch wenn der Motor in der Regel gestartet wird, geht es doch ohne. Dazu muss aber die Natur mitspielen: "Die Fähre kann auch ohne Motor fahren - wenn die Strömung stark genug ist." Denn der Kahn wird über ein Gierseil manövriert.
"Gieren heißt, die Fähre diagonal zur Strömung zu stellen, die dann ans Heck drängt und die Fähre ans andere Ufer treibt", sagt Michael Lipschitz vom "Freundeskreis Fähre Neckarhausen-Neckarhäuserhof", der sich mit um die Fähre kümmert und auch das beliebte Fährfest veranstaltet.
Und so funktioniert die Gierseilfähre: Über den Neckar wurde ein Hochseil gespannt, auf dem sogenannte Laufkatzen rollen. Daran hängt die Fähre an einem Drahtseil, das sich kurz vor ihr aufteilt. Ein Ende führt zum Bug, das andere ist am Heck befestigt. Über eine in der Mitte der Fähre befestigte Gierwinde wird gesteuert, hier lässt sich der Winkel der beiden Seile verändern. Und damit die Stellung zur Strömung.
"Wenn wir das Seil verkürzen, fährt die Fähre ins Tal", sagt Achim Landwehr. Mit verlängertem Draht geht’s in die andere Richtung. Dabei gilt es für den Steuermann, Strömungs- und Windverhältnisse zu beachten; gerade wenn auch der Motor läuft. "Die Bugwinde, die von unten kommen, drücken gegen die Fähre, da muss man gegensteuern", erläutert Achim Landwehr und lacht wieder: Denn so kann es sein, dass "man nicht an der Stelle landet, wo man eigentlich hin will". Doch auch das ist kein Problem. Denn dann heißt es: Antrieb an, ein bisschen rückwärts fahren - und schon ist das Ziel erreicht.