Neckargemünd ändert Kleingemünder Bebauungsplan
Der ungültige Bebauungsplan wird "geheilt" - Für die Bürger ändert sich jedoch nichts

Blick von der Bockfelsenhütte auf das Kleingemünder Neubaugebiet mit dem Lidl-Markt (Mitte) und der dm-Drogerie (rechts). Foto: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. "Viel Lärm um nichts." So fasste Hermino Katzenstein (Grüne) die Diskussion in der jüngsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderates zusammen. Tatsächlich ändert sich durch die neuen Lärmschutz-Regelungen im Kleingemünder Bebauungsplan für die Bürger nichts. Doch der Anlass für die Änderung hat es in sich: Bekanntlich hat das Karlsruher Verwaltungsgericht den Bebauungsplan im vergangenen Jahr nach einer erfolgreichen Klage des Discounters Lidl für unwirksam erklärt. Grund waren Regelungen im Bereich des Lärmschutzes, denen es an der Rechtsgrundlage fehlte (siehe Hintergrund-Kasten). Nun wird der Bebauungsplan "geheilt". Der Gemeinderat billigte einstimmig den neuen Planentwurf und beschloss dessen Offenlage.
Hintergrund
Der Bebauungsplan Kleingemünd, der die neue Wohnbebauung und die Gewerbeeinheiten oberhalb der B 37 einschließt, wurde im vergangenen Jahr vom Karlsruher Verwaltungsgericht für unwirksam erklärt. Geklagt hatte der Discounter Lidl, der seit 2010 einen Markt
Der Bebauungsplan Kleingemünd, der die neue Wohnbebauung und die Gewerbeeinheiten oberhalb der B 37 einschließt, wurde im vergangenen Jahr vom Karlsruher Verwaltungsgericht für unwirksam erklärt. Geklagt hatte der Discounter Lidl, der seit 2010 einen Markt oberhalb der B 37 am Stadteingang von Neckarsteinach kommend im Gewerbegebiet des Baugebiets in der Kurpfalzstraße betreibt. Dieser Markt durfte nur eine Verkaufsfläche von maximal 800 Quadratmetern haben - mehr ließ der Plan wegen der ansonsten zu großen Auswirkungen auf den übrigen Einzelhandel in der Stadt nicht zu. So wollte es die überregionale Raumplanung. 799,96 Quadratmeter wurden es.
Bereits im Januar 2014 wollte Lidl mit einer Bauvoranfrage abklären, ob eine Erweiterung der Verkaufsfläche um etwa 300 Quadratmeter möglich ist. Diese Anfrage wurde damals vom Bauausschuss der Stadt ebenso abgelehnt wie der Widerspruch von Lidl gegen den vom Landratsamt als zuständige Baubehörde ausgestellten Ablehnungsbescheid. Daraufhin klagte der Discounter gegen das Land - und erhielt Recht. Da der Bebauungsplan nachträglich für unwirksam erklärt wurde, war er auch nicht für die Bauvoranfrage anzuwenden. Damit galten auch die Quadratmeter-Vorgaben nicht mehr. Die Grenze zu einem "großflächigen Einzelhandelsbetrieb" von 800 Quadratmetern spielte ohnehin keine Rolle mehr, da nach einem anderen Gerichtsurteil auch der etwa 15 Quadratmeter große Pfandrückgaberaum zur Verkaufsfläche zählt und die Grenze damit sowieso schon überschritten ist. Relevant war nun lediglich, ob Änderungen am äußeren Erscheinungsbild des Marktes vorgenommen wurden. Dies war aber nicht der Fall, da der Umbau das Innere betrifft. Ob dieser bereits vollzogen wurde, ist unklar: Lidl-Sprecher Mario Köhler teilte auf Anfrage mit, dass "wir derzeit keine Angaben zu den Erweiterungsplänen in Kleingemünd machen können".
Der Widerspruchsbescheid des Karlsruher Regierungspräsidiums wurde aufgehoben und das Landratsamt dazu verdonnert, die Genehmigung doch noch zu erteilen. Lidl durfte die Verkaufsfläche vergrößern.
Übrigens: Der Discounter setzte bei seiner Klage an einer ganz anderen Stelle des Bebauungsplans an, nämlich der fehlenden Rechtsgrundlage für die sogenannten Lärmemissionskontingente. Diese Festsetzungen erklärte das Gericht für unwirksam. Was zur Folge hatte, dass der gesamte Bebauungsplan unwirksam wurde. cm
Ute Lehnertz vom Städtebau-Büro "WSW und Partner" aus Kaiserslautern erklärte, dass das Gericht die Festsetzungen zu den sogenannten Lärmemissionskontingenten und zu Lärmpegelbereichen im äußersten südöstlichen Teil des Bebauungsplans für unwirksam erklärt hat. Genau hier liegt der Lidl-Markt. Um die Fehler im Plan zu korrigieren, wurde ein neues schalltechnisches Gutachten erarbeitet und dessen Ergebnisse im Plan umgesetzt. Lehnertz betonte, dass es keine Änderungen bei Regelungen zur baulichen Nutzung gegeben habe. Das Gutachten ergab, dass bei Lärm durch Gewerbe "kein zwingender Regelungsbedarf" bestehe und die Emissionskontingente somit entbehrlich seien.
Beim Verkehrslärm werden die Orientierungswerte tagsüber zwar teilweise eingehalten, nachts hingegen überschritten. Deshalb sei ein Schallschutzkonzept notwendig. "Aktive Schallschutzmaßnahmen" wie zum Beispiel eine Lärmschutzwand würden wegen des Erscheinungsbildes am Stadteingang ausscheiden, sodass nur passive Maßnahmen an Gebäuden oder ein optimierter Gebäudegrundriss übrig bleiben. Lehnertz erklärte, dass durch die Änderungen eine erneute Beteiligung von Behörden und anderer Träger öffentlicher Belange notwendig wird. Diese könne jedoch auf die geänderten und ergänzten Teile des Bebauungsplans begrenzt werden.
Anne von Reumont (CDU) wollte wissen, was sich konkret für die Menschen ändere. "Aus fachlicher Sicht gibt es keinen Unterschied", sagte Ute Lehnertz. Es gehe nur darum, den Willen des Gerichts umzusetzen. "Wir müssen also viel Geld in die Hand nehmen, obwohl sich nichts ändert", folgerte von Reumont. Hermino Katzenstein nahm das Thema zum Anlass für den Antrag, dass sich der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung mit einem Lärmaktionsplan für Neckargemünd beschäftigt. Entlang der B 37 würden die Grenzwerte in vielen Bereichen überschritten, meinte er. Bürgermeister Frank Volk sagte, dass man hier schon aktiv sei, aber lange auf Unterlagen der Bahn gewartet habe. Der Gemeinderat werde sich im September oder Oktober damit beschäftigen. Dietmar Keller (SPD) sah das Problem, dass die Schienen der Eisenbahnbrücke fest mit dem Bauwerk verbunden sind. In Hessen gebe es viele Brücken, die leiser sind. "Es gibt hier Möglichkeiten, die Bahn muss nachbessern", forderte er.
Giuseppe Fritsch (Freie Wähler) wollte wissen, wer die Kosten für die Änderung des Bebauungsplans trägt und ob diese auf die Grundstückseigentümer übertragen werden. "Das zahlt die Stadt", antwortete Volk. Thomas Schmitz (Grüne) fragte, was es mit der Vorschrift auf sich habe, dass sich Schlaf- und Aufenthaltsräume auf der zur Straße abgewandten Seite befinden müssen. Dies sei auch schon im alten Bebauungsplan enthalten gewesen, erklärte Ute Lehnertz. Es bleibe den Bauherren überlassen, ob sie schützenswerte Räume entsprechend anordnen oder passive Schallschutzmaßnahmen umsetzen. "Neckargemünd ist nicht der einzige Ort", sagte abschließend Jürgen Behrendt als Rechtsanwalt der Stadt, "in dem Lidl über den Bebauungsplan versucht hat, eine größere Verkaufsfläche zu bekommen."



