Kitzrettung Neckarsteinach

Die Rehkitz-Retter von Neckarsteinach

Vor dem Mähen der Wiese sollen Kitze und Jungtiere in Sicherheit gebracht werden - Jäger aus Darsberg und Grein suchen Wiesen ab


26.05.2017 UPDATE: 27.05.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Rene Hinz hält ein Rehkitz im Arm, das die Jäger gemeinsam mit dem Jagdhund mit Schutzweste bei ihrer Suche fanden. Im hohen Gras sind die Jungtiere schwer zu sehen. Foto: privat

Von Elisabeth Hinz

Neckarsteinach. Wie an einem Faden aufgezogen streifen die Männer nebeneinander durchs hohe Gras. Der Jagdhund läuft schnuppernd voraus, konzentriert richten die Männer ihre Augen zu Boden und suchen die Wiese ab. Denn in dem oft meterhohen Gras verbergen sich manchmal kleine hilflose Lebewesen, nämlich neugeborene Rehkitze. Und die könnten bei einer Mahd den Mähmaschinen zum Opfer fallen. Das aber wollen die Jäger aus Neckarsteinachs Stadtteilen Darsberg und Grein auf jeden Fall verhindern. Deshalb haben sie jetzt eine Aktion gestartet, in der sie jede Wiese, die gemäht werden soll, vorher auf Rehkitze und andere Jungtiere absuchen.

Mai und Juni sind bei gutem Wetter für die meisten Menschen die schönsten Monate, um ihre Freizeit in der Natur zu genießen. Für einige Berufsgruppen aber bedeutet das üppige Wachstum von Pflanzen und Gräsern harte Arbeit. Für die Landwirte heißt es nämlich jetzt, das Gras auf den Wiesen zu mähen, damit ihre Tiere im Stall im Winter auch genug Futter zur Verfügung haben.

Doch bevor die Mähmaschinen anrücken, werden die Jäger aktiv. Federführend sind dabei die Revierpächter Felix Wagner und Horst Trautmann, die zusammen über circa 1200 Hektar Jagdgebiet in Neckarsteinach verfügen. Sie arbeiten dafür eng mit dem Darsberger Landwirt Julius Schmitt, aber auch anderen Wiesenbesitzern zusammen, die die Jäger informieren, welche Wiese wann gemäht werden soll. Zusammen mit weiteren befreundeten Jägern - dazu gehören Adrian Wagner, Rene Hinz, Karl Heinz Herion, Dominik Holz und Heino Haase - sowie zwei erfahrenen Hunden geht es dann frühmorgens los zur Rehkitzrettung.

Die Rehkitze werden von der Ricke im hohen Gras geboren, weil ihre Feinde - zum Beispiel Fuchs und Dachs - wiederum das hohe Gras eher scheuen. Die Kitze haben in ihren ersten drei Lebenswochen noch keine Fluchtreflexe und geben auch keinen speziellen Eigengeruch ab. Die Rehmutter ist zwar immer in der Nähe, kommt aber nur zum Säugen und Saubermachen zu den verborgenen Kitzen, weil sonst ihr Eigengeruch den Raubtieren das Versteck verraten würde.

Um die Rehkitze aufzuspüren, bilden die Jäger eine Kette und streifen in geringem Abstand voneinander durch die Wiese. Finden sie ein Rehkitz, kommt es so lange an eine sichere Stelle, bis die Wiese gemäht ist, und wird dann wieder möglichst an den Fundort zurückgebracht, damit die Mutter es auch wieder findet.

Bisher wurden von den Jägern circa sieben Hektar Wiese abgesucht und dabei drei Kitze in Sicherheit gebracht. Dieses abgemähte Gras wird vorwiegend zu Silage verarbeitet. Für die Heuherstellung beginnt die Mahd erst in einigen Tagen, dann werden die Jäger ihre Suche vorher wieder aufnehmen und zwar so lange, wie gemäht wird. Im vergangenen Jahr konnten so sogar 17 Rehkitze gerettet werden.

Manchmal kann eine solche Rettungsaktion aber auch ganz dramatisch werden, erzählt Horst Trautmann. Nämlich dann, wenn nicht nur Rehkitze, sondern auch Wildschwein-Frischlinge im Gras aufgespürt werden. Dann ist die Wildschweinmutter nicht sehr weit und attackiert die Sucher mit wüsten Angriffen.

Deshalb trägt der Jagdhund eine Schutzweste und unter den Jägern ist mindestens einer bewaffnet. Und auch nicht zu unterschätzen ist die Gefahr, die den Jägern beim Streifen durchs hohe Gras durch Zecken droht. Nach fast jeder Suchaktion finden die Männer einen oder mehrere dieser potenziellen Krankheitsüberträger an ihren Körpern.

Auf jeden Fall widerspricht diese jährlich durchgeführte Kitzrettung dem in der Öffentlichkeit üblichen Image des Jägers: Der wird oft nur mit dem Finger am Abzug seiner Waffe dargestellt.

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