Ist der Muttertag noch zeitgemäß?
Kindergärten gestalten ihn immer flexibler, auch wegen vielfältigeren Familienmodellen. Im Wald gibt‘s "Elterngeschenke".

Von Lukas Werthenbach
Region Heidelberg. Ist das Basteln von Muttertags-Geschenken im Kindergarten noch angemessen? Diese Frage hat in den vergangenen Jahren bekanntlich für hitzige Diskussionen gesorgt. Ausgangspunkt war der Elternbrief eines Kindergartens in der Region, worin – mit teils missverständlichen Formulierungen – die Abschaffung dieser Tradition erklärt wurde. Später wurden "Fehler in der Kommunikation" eingeräumt. Die RNZ hat nun dazu bei Kindergärten und Kitas verschiedener Träger im Heidelberger Umland nachgefragt: Tatsächlich gehen die Betreuungseinrichtungen sehr unterschiedlich mit dem Thema um. Dass es sich für einige dabei um ein Reizthema handelt, zeigten die Reaktionen einzelner Einrichtungsleitungen: Sie wollten schlicht keine Auskunft geben.
Hintergrund
> "Schon seit 27 Jahren keine Muttertagsgeschenke" bastelt der evangelische Elisabeth-Ding-Kindergarten in Leimen. "Wir fanden das noch nie gut", sagt Claudia Neininger-Röth als Leiterin der größten Einrichtung des Heidelberger Umlands: "Dann müssten wir zum Vatertag ja
> "Schon seit 27 Jahren keine Muttertagsgeschenke" bastelt der evangelische Elisabeth-Ding-Kindergarten in Leimen. "Wir fanden das noch nie gut", sagt Claudia Neininger-Röth als Leiterin der größten Einrichtung des Heidelberger Umlands: "Dann müssten wir zum Vatertag ja auch was basteln – und die Leute sollen das in den Familien feiern." Die Kinder würden lediglich im Stuhlkreis darüber informiert, "dass manche am Wochenende Muttertag feiern". luw
> Im städtischen Kindergarten Feuertor in Neckargemünd "können sich die Kinder frei entscheiden, was sie machen", wie Leiterin Irina Schuster sagt: "Wir thematisieren, dass der Muttertag ein besonderer Tag ist – aber wir erklären auch, dass man Papa und Mama gleichermaßen lieb haben kann; und das übrigens am besten auch das ganze Jahr über." Man spreche allein schon aufgrund des kurz bevorstehenden Vatertags auch oft von einem "Elterntag" und gebe den Kindern die Möglichkeit, etwas für ihre Eltern zu gestalten – wenn sie das wollen. "Die Kinder wissen um die traditionelle Form des Muttertags, aber es soll kein Zwang entstehen", so Schuster. "Schließlich haben sich die Familienmodelle geändert, und damit wollen wir wertschätzend umgehen."
> Im katholischen Kindergarten St. Elisabeth in Sandhausen wurden diese Woche Geschenke zum Muttertag vorbereitet, erklärt Leiterin Simone Krause-Münnich: "Wir wechseln aber jedes Jahr ein bisschen – letztes Jahr haben wir zum Beispiel einen Papa-Tag mit Spiel und Spaß auf dem Waldfestplatz veranstaltet." Und 2023 hätten die Kinder ihre Mamas zum Frühstück mit selbst zubereiteten Speisen eingeladen. In den Fällen, in denen die Mutter nicht kommen konnte, habe das jeweilige Kind beispielsweise seine Tante oder Oma einladen dürfen. Jedoch: "Dann haben sich die Papas beschwert, weshalb wir eben 2024 was für sie gemacht haben." Dabei wiederum sei es auch möglich gewesen, etwa den Opa mitzunehmen. Zum Basteln in diesem Jahr habe man kein Kind gezwungen – "aber man versucht es ihnen schmackhaft zu machen", so Krause-Münnich. Mit Blick auf Kinder, die vielleicht keinen Kontakt zu ihrer Mutter haben, sagt sie: "Man kennt ja die Geschichten seiner Kinder in der Einrichtung – und da muss man einfach einen Mittelweg finden." So könne man natürlich auch etwas für die Oma basteln. Wobei es gar nicht unbedingt etwas Gebasteltes sein müsse, betont sie: "Eine Gruppe hat auch Müsliriegel für ihre Mamas gemacht."
> Im evangelischen Kindergarten Mückenloch können die Kinder "grundsätzlich frei entscheiden", ob sie etwas zum Muttertag basteln. "Die Kinder wissen, dass der Muttertag ansteht, und wir machen ihnen Angebote, etwas zu basteln", erklärt Leiterin Andrea Böhme-Thomas: "Wir wollen niemanden zwingen, aber wir wollen auch nicht selbst Hand anlegen." Das praktiziere ihre Einrichtung schon seit mehreren Jahren so, denn: "Wenn ich mir vorstelle, dass wir ein schönes Herz basteln wollen, aber die Dreijährige kann vielleicht noch nicht schneiden, deswegen schneide ich es für sie aus – und dann male ich es am besten auch noch aus..." In solchen Fällen dürfte sich die Freude der jeweiligen Mutter über das Geschenk ohnehin in Grenzen halten, meint Böhme-Thomas: "Und ich als Erzieherin sehe eigentlich auch nicht ein, dass ich etwas für jemanden zum Muttertag bastele, die nicht meine eigene Mutter ist", ergänzt sie augenzwinkernd.
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> Im Waldkindergarten "Am Hirschwald" in Wilhelmsfeld wurde ein "Elterngeschenk" geschaffen: "Wir ziehen aus ganz pragmatischen Gründen den Vater- und den Muttertag zusammen", erklärt Lukas Fabis als Leiter der Einrichtung, die vom Verein Postillion getragen wird: "Wir haben 40 Kinder, und es gibt ja ohnehin immer was zu basteln: Ostern, Sommertag – da kommt man ja gar nicht hinterher." Zusätzlich wolle man aber eben auch die verschiedenen Familienmodelle beachten, sagt er etwa mit Blick auf Trennungskinder oder solche mit zwei Müttern, aber ohne Vater: "Da wollen wir nicht ins Fettnäpfchen tappen", so Fabis. "Aber wir gucken in der Regel, dass das jeweilige Elterngeschenk noch vor dem Muttertag fertig ist." So lief es diese Woche auch mit der Zubereitung des sogenannten Oxymel: "Das ist ein mittelalterlicher Superfood-Zaubertrank, der zu zwei Dritteln aus Honig und einem Drittel aus Apfelessig besteht; darin werden dann alle möglichen Waldkräuter eingelegt", erklärt der Pädagoge: Es sei vergleichbar mit einer Art Sirup. Man könne es beispielsweise als Zutat für Cocktails nutzen.