Region Heidelberg

Immer weniger Geld bleibt am Ort

Meckesheim bindet noch am meisten Kaufkraft. Eppelheim gewinnt gegen Trend. Gaibergs höchstes Einkommen fließt woanders hin.

15.10.2021 UPDATE: 16.10.2021 06:00 Uhr 4 Minuten, 2 Sekunden
Was die Kaufkraft angeht, verfügen die Gaiberger mit im Schnitt 32 518 Euro über das meiste, die Spechbacher mit 23 070 Euro über das wenigste Geld rund um Heidelberg. An beiden Orten bleibt indes wenig Geld am Ort, dessen Bindung wiederum Meckesheim mit einer Quote von 84 Prozent am besten gelingt – und Städten wie Leimen, Neckargemünd und Eppelheim nur mäßig.

Von Benjamin Miltner

Region Heidelberg. Mehr Einkommen, von dem aber auch immer mehr an den Online-Handel geht: Das ist die zentrale Erkenntnis der Industrie- und Handelskammer (IHK) in ihrer Kaufkraftanalyse für den Bezirk Rhein-Neckar im Jahr 2021. Während die Kaufkraft insgesamt um 3,32 Prozent steigt, geht der Anteil, der nicht im stationären Einzelhandel der Region ausgegeben wird, um rund vier Prozent hoch. Im landes- und bundesweiten Vergleich steht der Bezirk gut da – das direkte Heidelberger Umland eher weniger. Auch für die 16 baden-württembergischen Kommunen rund um Heidelberg lassen sich aus den Statistiken interessante Rückschlüsse ziehen zu den Themen Kaufkraft, Einzelhandelsumsatz und Kaufkraftbindungsquote. Das hessische Neckarsteinach fließt – wo Daten vorhanden – ebenfalls in die Analyse mit ein.

> So viel Einkommen steht zur Verfügung: Der Rhein-Neckar-Kreis ist ein reicher Landstrich – und Gaiberg noch reicher. Ausgehend vom Bundesdurchschnitt (Index D=100) verfügt die Bevölkerung im Landkreis mit einem Wert von 108,9 über überdurchschnittlich viel Einkommen, die Gemeinde am Fuße des Königstuhls mit 133 Punkten gar 33 Prozent über dem Mittelwert – oder in absoluten Zahlen ausgedrückt über 32.170 Euro (siehe Grafik). Im Vergleich zum Vorjahr (138,4) hat sich aber Gaibergs Vorsprung bei der allgemeinen Kaufkraft verringert, dahinter haben Nußloch (119,1) und Wiesenbach (116) den zweiten und dritten Platz verteidigt. Neckargemünd liegt mit 115,4 ebenfalls in der Spitzengruppe, Leimen (95,7) und Eppelheim (96,6) liegen als die größten Städte im Heidelberger Umland dagegen nur knapp vor Schlusslicht Spechbach (94,3).

> So viel Geld steht für Einzelhandel bereit: Der Anteil verfügbaren Einkommens, der für Einkäufe im Einzelhandel aufgewendet wird, nennt sich einzelhandelsrelevante Kaufkraft. Der Werte relativiert die allgemeine Kaufkraft, wobei auch hier Gaiberg mit 121,5 Punkten und damit 21,5 Prozent über dem Bundesschnitt vorne liegt. Es folgen mit Abstand Nußloch mit knapp über 110 Punkten – und Neckargemünd, Wiesenbach, Wilhelmsfeld sowie Dossenheim mit Werten knapp darunter. Unter dem Schnitt des Kreises (105,1), aber über der 100er-Marke, liegen Mauer, Meckesheim, Sandhausen, Bammental, Heiligkreuzsteinach und Neckarsteinach. Werte unter 100 weisen Eppelheim und Leimen (je 97,5), Lobbach (99,1) und Spechbach (96,4) auf, das im Vergleich zu 2020 Schönau als Schlusslicht abgelöst hat.

> So viel setzt der Einzelhandel lokal um: Der Umsatz des stationären Einzelhandels wird direkt am Einkaufsort ermittelt und schließt somit Versand- und Internethandel, aber auch Bereiche wie Kfz und Krafträder sowie Tankstellen aus. Schnell wird ersichtlich: Kaufkraft und Einzelhandelsumsatz einer Kommune hängen oft kaum zusammen. Etwa bei der kaufkraftstärksten Gemeinde Gaiberg, die mit 957 Euro den niedrigsten Einzelhandelsumsatz zu verzeichnen hat. Immerhin gibt es hier nach 821 Euro im Vorjahr einen Anstieg gegen den Trend. Trotz etwa fünf Prozent Rückgangs bleibt Meckesheim mit 5741 Euro (Vorjahr: 6045) Krösus dieser Kategorie. Es folgen Bammental mit 5186 (5370), Schönaumit 4512 (4586) und Neckargemünd mit 4128 (4459) Euro. Alle weiteren Kommunen von Dossenheim (3701) über Eppelheim(3599), Sandhausen (3183), Nußloch (2887), Leimen (2662) bis Spechbach mit 1087 Euro liegen weit unter dem Kreisdurchschnitt von 4968 – und noch weiter unter dem Spitzenwert von 7454 Euro aus Weinheim.

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> So viel Kaufkraft binden die Orte: Den Hauptteil ihres Einkommens geben die Gaiberger nicht am Ort, sondern auswärts aus. Nur zwölf Prozent (siehe auch Grafik) der Kaufkraft bleiben in der Gemeinde – nach nur zehn Prozent im Vorjahr stimmt immerhin die Richtung. Auch Dossenheim mit 51 statt zuvor 50, Eppelheim mit 55 statt 53 und Wiesenbach mit 35 statt 34 Prozent können gegen den allgemeinen Trend mehr Kaufkraft binden als zuvor. Spitzenreiter bleibt Meckesheim mit 84 Prozent (2020: 87) und baut trotz Verlusten seinen Vorsprung auf Bammental 70 (77) sogar aus. Schönau bleibt bei 69 Prozent und damit knapp unter dem Rhein-Neckar-Kreis-Schnitt von 70 Prozent, die 16 baden-württembergischen Gemeinden der Region rund um Heidelberg kommen auf 42 Prozent. Aber selbst Heidelberg gelingt es erstmals nicht mehr, 100 Prozent oder mehr Kaufkraft an den Ort zu binden. Von den 97 Prozent der "großen Schwester" und noch mehr von den 156 Prozent von Spitzenreiter Schwetzingen können Neckargemünd mit 56 und Leimen mit 40 Prozent nur träumen. Sie sind die beiden einzigen Einzelhandelszentren der Region rund um Heidelberg und landen bei diesem Wert im Gesamtbezirk auf den Plätzen 16 und 18 – von 18.


Reaktionen aus vier Kommunen auf die IHK-Kaufkraftanalyse

Wie im Vorjahr liegt Meckesheim bei der Kaufkraftbindung mit 84 Prozent vorne, Gaiberg mit zwölf Prozent hinten und die Unterzentren Neckargemünd und Leimen (56 und 40 Prozent) in der Mitte des Feldes rund um Heidelberg. Die RNZ hörte sich bei den vier Kommunen um:

Bürgermeister Maik Brandt. Foto: privat

Meckesheim

Rathauschef Maik Brandt zeigt sich trotz Rückgangs mit der "Verteidigung der Spitzenposition bei den Kommunen rund um Heidelberg" zufrieden. Sorge bereite ihm eher das im Ort hohe Durchschnittsalter, das mit geringerem Einkommen einhergeht. Die zentrale Lage, gute Verkehrsanbindung und relativ geringe Gewerbesteuer sieht Brandt als Pluspunkte. Ihn schmerzt, dass nach dem Schließen der Metzgerei ein Lieferdienst für Markt- und Bauernhofprodukte als Nachfolge sich nicht etablierte. Hier sei man noch auf Suche, so Brandt, der den Supermärkten und Drogerien durch Erweiterungen mehr Attraktivität zuspricht.


Rathauschefin Petra Müller-Vogel. Foto: agdo

Gaiberg

Petra Müller-Vogel verwundert das Ergebnis der IHK-Analyse nicht. Die Rathauschefin gibt zu: "Letztlich ist es schwierig, sein Geld in Gaiberg auszugeben." Der Ort sei vornehmlich eine Wohngemeinde in guter Lage mit reizvoller Landschaft. Und doch gibt es auch für den Einzelhandel Positives zu vermelden: Ein Wochenmarkt wurde etabliert und ein neuer Weinladen werde gut angenommen. Der herbeigesehnte Penny-Markt soll im Frühsommer öffnen, ein Gastronomieangebot ist in der neuen Ortsmitte geplant. Aufgrund der Pandemie stocke derweil noch die Ausarbeitung des Gemeindeentwicklungskonzepts.


Wirtschaftsförderer Frank Timmers. Foto: privat

Leimen

Die gute Verkehrsanbindung sowie die Nähe zu Heidelberg und Mannheim: Für Frank Timmers sind das Leimens Fluch und Segen zugleich. Der städtische Wirtschaftsförderer ist mit der geringen Kaufkraftbindung und deren Entwicklung unzufrieden, betont aber auch: "In rund 30 Minuten Fahrzeit erreichen Sie dort eine Angebotsfülle, die wir hier so nicht bieten können." Leimen sei kein großer Einzelhandelsstandort; vielmehr sei wichtig, die Grundversorgung auch in Stadtteilen wie Gauangelloch zu erhalten, wo der neue Wochenmarkt sehr gut angenommen werde. In der Kernstadt halte sich der Leerstand in Grenzen; zudem gebe es mit neuer Post, Schmuck- und Blumenladen und einem Eiscafé Belebung. Timmers wünscht sich "ein paar beliebte Treffpunkte mehr wie nun in der Turmgasse – dann wäre viel gewonnen."


Ralph Dreher vom Gewerbeverein. Foto: privat

Neckargemünd

"Der Umbruch im Neckargemünder Einzelhandel schreitet weiter voran", betont Ralph Dreher, Vorsitzender des Gewerbevereins. Durch Corona habe man nur wenige Länden verloren und mit der neuen Kaffeerösterei mit Cafébetrieb eine Belebung des Marktplatzes. Außerhalb der Altstadt sieht Dreher den neuen Edeka-Markt an der B 45 sowie die Rewe-Erweiterungen in Kleingemünd als positiv. Das historische Bahnhofsgebäude soll im Frühjahr mit Restaurant sein neues strahlendes Gesicht zeigen. Der Gewerbeverein könne zudem langsam wieder mit Aktionen wie dem Abendbummel aufmerksam machen und hoffe für 2022 auf die Rückkehr von Gourmetmarkt, verkaufsoffenen Sonntagen und Altstadtfest.

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