Eppelheimer Rathausstreit: Amtsverweser-Entscheidung wird wiederholt
Das Kommunalrechtsamt sieht einen Formfehler bei der Januar-Sitzung - Bürgermeister Mörlein hat Anzeige wegen übler Nachrede erstattet

Montag, 30. Januar: Der Bürgersaal im Eppelheimer Rathaus war brechend voll, als die Wahl von Patricia Popp (vorne) zur Amtsverweserin anstand. Wegen eines Formfehlers muss über den Antrag von SPD und Grünen erneut entschieden werden. Foto: Geschwill
Von Anja Hammer
Eppelheim. Die umstrittene Abstimmung des Gemeinderats Ende Januar muss wiederholt werden. Das hat das Kommunalrechtsamt angeordnet. Dies sickerte bei der öffentlichen Gemeinderatssitzung am Montagabend durch.
Hintergrund
> Verwesen. Das tun im landläufigen Sprachgebrauch eigentlich nur Menschen oder Tiere, wenn sie tot sind. Denn dann setzt - begleitet von entsprechendem Duft - ein Zersetzungsprozess ein: Sie verfaulen. Und was ist ein Verweser? Wohl am deutlichsten wird dessen Wesen - und
> Verwesen. Das tun im landläufigen Sprachgebrauch eigentlich nur Menschen oder Tiere, wenn sie tot sind. Denn dann setzt - begleitet von entsprechendem Duft - ein Zersetzungsprozess ein: Sie verfaulen. Und was ist ein Verweser? Wohl am deutlichsten wird dessen Wesen - und dessen sprachliche Nähe zum todbehafteten Verwesen - im juristischen Bereich: Ein Verweser ist hier ein Nachlassverwalter. Er kümmert sich um das, was ein Verblichener zurückgelassen hat, und um das, worum sich der Verblichene nicht selbst mehr kümmern kann. Womit man fast schon beim Amtsverweser wäre. Dieser tritt an die Stelle eines anderen, den es nicht mehr oder noch nicht gibt. In der Welt der Könige und Kaiser führten Verweser anstelle nicht mündiger Prinzen die Staatsgeschäfte und hießen dann "Regenten". Beiden Varianten des Verwesens ist zweierlei gemeinsam: Sie fußen zum einen auf dem althochdeutschen Wort "firwesan", was für "aufbrauchen" steht, und - laut Duden - mitunter auch für "verschmausen". Und zum Zweiten beschreiben sie einen vorübergehenden Zustand. Das ist dann wohl jene Zeitspanne, die es dauert, bis die endgültige Verwesung eingetreten ist … fre
Vor gut drei Wochen hat das Gremium unter großem medialen und öffentlichen Interesse Anträge der SPD- und der Grünen-Fraktion behandelt. Diese wollten die gewählte Bürgermeisterin Patricia Popp zur Amtsverweserin bestellen, bis das Gericht über die Klage eines Bürgers entschieden hat. Denn diese verhindert bekanntlich, dass Popp ihr Amt regulär antreten kann. Der Antrag fand allerdings keine qualifizierte Mehrheit - sehr zur Enttäuschung der Antragsteller. Daher kündigte Grünen-Fraktionssprecherin Christa Balling-Gündling an, dass sie die Sache zum Landratsamt bringen werde.
Das tat sie auch - und offenbar ist Bewegung in die Sache gekommen. Balling-Gündling hakte nämlich am Montagabend nach. Wie sie der RNZ berichtet, hat sie bereits eine Antwort vom Kommunalrechtsamt erhalten. Allerdings ohne viel Inhalt, dafür mit dem Hinweis, dass sie bei der Verwaltung nachfragen könne. Denn an Bürgermeister Dieter Mörlein sei bereits ein ausführliches Schreiben gegangen.
Mörlein fasste sich im Bürgersaal kurz: "Es wurde die Betitelung des Tagesordnungspunkts gerügt und, dass ich auf dem Platz von Herrn Orth saß." Diese Rügen haben aber gewaltige Folgen: "Es muss in der Sitzung am 20. März noch einmal über die Anträge abgestimmt werden", so Mörlein gegenüber der RNZ. "Das hat das Kommunalrechtsamt angeordnet."
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Grund sind wohl mehrere Formfehler. Etwa der Titel: Auf der Tagesordnung hieß es im Januar unter Punkt 7 nur "Anträge der SPD-Fraktion vom 5. Dezember 2016 und der Fraktion Bündnis/Die Grünen vom 4. Dezember 2016". Wer die Berichterstattung im Vorfeld nicht genauestens verfolgt hat, hätte damit nichts anfangen können. Dabei sind laut Gemeindeordnung die Themen einer Sitzung ganz genau zu bezeichnen - und zwar so, dass jeder daraus schlau wird. "Im März wird es, Wahl von Patricia Popp zur Amtsverweserin’ heißen", kündigt Mörlein an.
Dies könnte auch ein weiterer Fehler gewesen sein. Denn laut Gesetz wird eine Amtsverweserin gewählt. Im Januar fand allerdings nur eine geheime Abstimmung statt. Daher sollen im März auch vorgedruckte Stimmzettel zum Einsatz kommen, so der Rathauschef weiter; die brauche es laut Kommunalrechtsamt.
Und dann ist da sein Sitzplatz: Mörlein hatte sich bei der Abstimmung auf Trudbert Orths (CDU) Stuhl gesetzt, der als stellvertretender Bürgermeister die Sitzungsleitung übernommen hatte. Dabei ist auch das in der Gemeindeordnung klar geregelt: Demnach muss ein Befangener im Zuhörerraum Platz nehmen. Mörlein: "Das werde ich beim nächsten Mal auch tun."
All das bringt den Rathauschef nicht aus der Ruhe: "Selbst wenn die Wahl wiederholt wird und Frau Popp zur Amtsverweserin bestimmt werden sollte, ist das rechtswidrig", sagt Mörlein überzeugt - selbst nachdem er die Rüge erhalten hat. "Das ist auch die herrschende Meinung vom Kommunalrechtsamt, vom Regierungspräsidium und vom Innenministerium."
Doch so sicher sich Mörlein seiner Sache auch ist, so lässt er sich nicht mehr alles gefallen. Auch das wurde am Montagabend deutlich. So teilte er mit, dass er eine Anzeige wegen übler Nachrede erstattet habe, über eine zweite denke er noch nach. Dabei geht es um einen Leserbrief, der in einer anderen Zeitung erschienen ist und in dem Mörlein vorgeworfen wird, eine Wohnung in Mannheim vom städtischen Bauhof renovieren zu lassen. Ähnliche Vorwürfe habe ein weiterer Bürger bei einer CDU-Veranstaltung verbreitet. Mörlein bekräftigte erneut: "Ich habe eine weiße Weste." Zwar sei ein Bauhofmitarbeiter in der Wohnung seiner Tochter tätig gewesen, aber "freiwillig", "nach Feierabend" und "gegen Bezahlung".