Eingewanderte Vögel mischen den Neckar auf
Nil- und Kanadagänse machen den einheimischen Schwänen und Enten das Leben schwer - Möwen aus Polen und Kroatien

Am Neckarlauer in Neckarsteinach fühlen sich nicht nur die weißen Schwäne, sondern Nilgänse wohl. Fotos: Alex (4) / Moll (1)
Von Christoph Moll
Neckarsteinach/Neckargemünd. Die gemütlichen Zeiten für Schwäne und Enten sind vorbei. Migranten wie Nil- und Kanadagänse machen den heimischen Arten das Leben schwer. Und das wird aufmerksam beobachtet: "Mir fällt auf, dass bei uns fast alle gewohnten Nilgänse und zwei Schwäne fehlen. Auch die sonst reichlichen Enten und Möwen sind deutlich reduziert", schreibt ein RNZ-Leser aus Neckargemünd und fragt: Wo sind die Tiere geblieben? Gibt es einen von der Stadt beauftragten Tierfänger, der die Tiere nachts diskret einfängt und "beseitigt"? Einen Tierfänger gibt es nicht, aber tatsächlich ist derzeit viel Bewegung am und auf dem Neckar, wie Andreas Quell berichtet. Der Neckarsteinacher beobachtet seit vielen Jahren die Vogelwelt am und auf dem Fluss. Ihn hat die RNZ ebenso befragt wie die Neckargemünder Nabu-Vorsitzende Gertraude Debon.
> Schwäne: Sowohl in Neckargemünd als auch in Neckarsteinach lebt ein Schwanenpaar. Diese hatten über Jahre die "Macht" - die deutlich kleineren Stockenten stellten keine Konkurrenz dar. Dies hat sich durch einige Migranten geändert. Weniger die "bunten" Nilgänse, sondern eher die schwarz-weißen Kanadagänse stellen eine Konkurrenz dar. "Teilweise gehen mehrere Kanadagänse zusammen auf einen Schwan los", hat Andreas Quell beobachtet. Auf süßen Schwanen-Nachwuchs warteten die Neckargemünder und Neckarsteinacher im vergangenen Jahr übrigens vergebens. Denn vermutlich durch den langen Winter und den heißen Sommer war die Brut erfolglos. In beiden Orten halten sich die Schwäne vor allem im Winter bevorzugt am Neckarlauer auf. "Da werden sie gefüttert", weiß Quell.

Die Kanadagänse hatten zuletzt - wie auf dem Foto zu sehen - im Jahr 2017 Nachwuchs. Fotos: Alex (4) / Moll (1)
> Kanadagänse: Zur Zeit gibt es 22 Kanadagänse, die zwischen Neckargemünd und Neckarsteinach pendeln. Im Winter gefiel es ihnen besonders auf dem geschlossenen Campingplatz unter der Friedensbrücke in Neckargemünd. Ohnehin scheinen sie eine Vorliebe für Camping zu haben: Denn auch auf dem Platz unter dem Dilsberg gegenüber von Neckarsteinach wurden sie gesehen. "Die Gänse mögen das zarte grüne Gras", weiß Andreas Quell. Und Gertraude Debon ergänzt: "Da haben sie ihre Ruhe." Auch die Kanadagänse haben im vergangenen Jahr erfolglos gebrütet.
> Nilgänse: In Neckarsteinach haben im vergangenen Jahr sechs Nilgans-Paare gebrütet - mit unterschiedlichem Erfolg. Zuletzt wurden hier nur noch sechs bis acht Exemplare gesichtet. Andreas Quell vermutet, dass die Mehrheit nach Ladenburg weitergezogen ist: "Das ist eine Hochburg, da gibt es Massen von Nil- und Kanadagänsen." In Neckargemünd waren die Nilgänse zuletzt ganz verschwunden, berichtet Gertraude Debon.
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Am Neckarlauer in Neckarsteinach fühlen sich nicht nur die weißen Schwäne wohl. Fotos: Alex (4) / Moll (1)
> Enten: Seit Jahren gibt es immer weniger Stockenten auf dem Neckar. "Schuld sind die Nilgänse", meint Debon. Diese attackieren und verdrängen die Enten. "Und zur Zeit gibt es doppelt so viele Männchen wie Weibchen", hat Quell beobachtet. "Das ist in dieser Deutlichkeit ungewöhnlich." Auch die Enten hatten im vergangenen Jahr keinen Nachwuchs.
> Möwen: Hier ist die Entwicklung besonders interessant. In Neckargemünd und Neckarsteinach tummeln sich "in wechselnder Besetzung", so Quell, derzeit etwa 80 bis 90 Lachmöwen. Hatte man zuletzt geglaubt, dass diese stets in der Region bleiben, weiß man es inzwischen besser. "Lange hat man sich nicht um die Möwen gekümmert", erzählt Andreas Quell. "Sie galten wegen ihrer Häufigkeit als Spatzen der Ostsee." Manche Möwen werden inzwischen beringt, sodass man deren Herkunft kennt. So wurden zuletzt in Neckarsteinach Möwen aus dem niederländischen Arnheim, aus dem polnischen Oppeln, aus dem sächsischen Meißen und sogar aus Kroatien gesichtet. In den vergangenen Jahren machten auch schon Artgenossen aus Estland, Litauen und sogar Russland Station. Es wird vermutet, dass diese mit den Jahreszeiten reisen. Im Sommer sind sie im Norden, im Winter im Süden. Dabei fliegen sie wohl im "Kreis" von Polen in die Niederlande, über Frankreich ans Mittelmeer und wieder zurück in den Osten. "Die sind in ganz Europa unterwegs", weiß Andreas Quell. Inzwischen gibt es in der Region auch einige wenige Exemplare der besonders großen Mittelmeermöwen.
> Weitere Arten: "Normalerweise hatten wir auf dem Neckar immer Wintergäste aus dem Norden", berichtet Debon. "Da die Winter aber immer milder werden, hat das abgenommen." So seien Reiher- und Tafelenten schon lange nicht mehr auf dem Neckar zu sehen gewesen. Blässhühner seien ganz verschwunden.



