So fährt es sich auf der B37-Radspur
Die RNZ testete den Verkehrsversuch auf der B37 zwischen Neckargemünd und Heidelberg - Die Radspur schafft Raum für neue Erlebnisse

Von Benjamin Miltner
Neckargemünd/Heidelberg. Es fühlt sich ein bisschen an wie eine Startrampe: Wenige Meter geht es in Schlierbach über frischen Asphalt bergab – und schon ist aus dem Radler auf dem "normalen" Radweg der Teilnehmer eines Verkehrsversuchs geworden. Die nun freigegebene und zunächst auf zwei Jahre befristete Radspur auf der Bundesstraße B37 zwischen dem Heidelberger Stadtteil und Neckargemünd kommt als Modellprojekt daher. Zeit für einen Test der RNZ auf der 3,6 Kilometer langen Strecke.
> Die Atmosphäre: Vor allem ungewohnt ist es zunächst, wenn rechts die Elemente der Betonwand vorbeihuschen, links Radler entgegenrollen – und selbst beim Überholen keinerlei "Platzangst" aufkommt. Der Lärm der passierenden Autos, Laster und Motorräder ist wohl bekannt. Er ist gewiss kaum leiser geworden, aber irgendwie erträglicher, wenn die Fahrzeuge nicht direkt im Abstand von teils unter einem Meter vorbeirauschen. Und diese fehlende Bedrängnis schafft Raum für neue Eindrücke. Der Radler hat nun im wahrsten Sinne des Wortes einen Sinn für die Idylle entlang der Strecke, nimmt die ergrünten Hänge des Odenwalds war, die Wellen und Schlieren auf dem Neckar, das Schiff "Resonare", das gerade Tonnen von Kohle flussabwärts schippert, das Paar, das über den Wehrsteg der Schleuse spaziert, die S-Bahn, die am Hang in Richtung Pfalz saust – selbst das Zwitschern der Vögel ist ab und an wahrzunehmen.
> Die Radler: Die Strecke ist bei der Runde am Vormittag wie auch am frühen Abend gut frequentiert. Schon nach ein paar Metern kommen die ersten Radler entgegen – die einen haben Kopfhörer über beide Ohren, die anderen ein Grinsen. Auffällig: Es sind viele Frauen unterwegs. Die meisten Radler haben zudem Taschen am Drahtesel montiert, einer zieht gar einen "Rollkoffer" hinter sich her. Die Pendlerströme lassen sich auch auf die Radspur übertragen: Am Morgen fährt die Mehrheit in Richtung Arbeitsplatz nach Heidelberg, abends in Richtung Neckargemünd nach Hause.
> Die Problemstellen und Besonderheiten: Die Spur verläuft intuitiv, auch die Verkehrsführungen an den Bushaltestellen mit den "Verschwenkungsinseln" leuchten ein und stören den Fluss ebenso wenig wie die auffällig rot markierten Querungsstellen mit dem Autoverkehr. Die Übergänge zum Rewe und der Orthopädie in Schlierbach sowie in Neckargemünd sind mit Ampeln ausgestattet. An der einen oder anderen Stelle ruckelt es, gefährliche Kanten sind aber nicht zu erkennen. Einzig die beschädigte Regenrinne am Stadtausgang von Neckargemünd fällt negativ auf. Wer flussabwärts radelt, genießt den besseren Asphalt auf der Strecke. Flussaufwärts sorgen die Gullydeckel alle 20 Meter für einen Schlag oder einen Slalom, dafür sind die Nähe zum Neckar und der Abstand zu den Autos größer. Kaum sind Laub- und Dreckansammlungen als mögliche Rutschgefahren ausgemacht, kommt auch schon die Putzmaschine entgegen. Es bleibt die einzige Nahbegegnung mit einem Auto.
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> Die Anschlüsse: Kurz nach dem Ortsschild Neckargemünd ist es vorbei mit der gelben Markierung und der Radspur. Es gilt, die neue alte Nähe zu den Autos auszuhalten oder Alternativwege in den Seitenstraßen zu nutzen. In Heidelberg mündet die Radspur dagegen in einem Radweg – das Teilen der Strecke mit Fußgängern fällt erst nach der Alten Brücke schwer.
> Das Fazit: Die Radler, die nicht im Minutentakt auf die Uhr schauen und denen Steigungen und Schotterpassagen nichts ausmachen, nutzen weiter den Ingenieursweg durch den Wald oberhalb der Bahngleise. Wer schnell von A nach B – etwa zur Arbeit – will, ist auch schon vorher an der B37 geradelt. Also alles beim Alten? Mitnichten. Was vorher nur etwas für Hartgesottene war, ist nun viel sicherer, massentauglicher, einfach angenehmer. Und zwar ohne dass es jemanden wehtut. Kurzum: Bitte mehr davon!



