Millionen für mehr Klimaschutz?
Der neue Kindergarten der Johannes-Diakonie soll im Passivhaus-Standard gebaut werden. Die Stadt müsste dabei wohl für andere Nutzer mitbezahlen.

Von Christoph Moll
Neckargemünd. Ja, die Kinderbetreuungsplätze braucht die Stadt am Neckar dringend. Und ja, diese darf auch gerne die Johannes-Diakonie aus Mosbach in einem Neubau im Wiesenbacher Tal in der Straße "Am Kalkbrunnen" schaffen. Doch wie soll der neue Kindergarten gebaut werden? An dieser Frage schieden sich in der zurückliegenden öffentlichen Sitzung des Gemeinderates die Geister. Ein Teil des Gremiums pochte auf einen Passivhaus-Standard, doch die Johannes-Diakonie plant mit dem günstigeren und nicht ganz so klimafreundlichen KFW-55-Standard. Wer zahlt die Mehrkosten für das zweigeschossige Gebäude, in dem auch eine Tagespflege für Senioren und ein Schulkindergarten des Rhein-Neckar-Kreises für Kinder mit Behinderung unterkommen sollen? Beschlossen wurde nun nur, dass die Mehrkosten erst einmal berechnet werden.
"Wir brauchen die Betreuungsplätze", betonte Bürgermeister Frank Volk. Geplant sind rund 20 Plätze für über Dreijährige und zwölf Plätze für unter Dreijährige – jeweils mit Ganztagsbetreuung. "Wir haben deshalb mit der Diakonie verhandelt", so Volk. Heraus kam, dass die Baukosten von voraussichtlich 2,8 Millionen Euro mit einer jährlichen Rate rund 140.000 Euro über 40 Jahre refinanziert werden sollen. In dieser "fiktiven Miete" sind auch Kosten für Inventar und Erbpacht für das Grundstück enthalten. "Bei steigenden Baukosten kann dies aber auch mehr werden", signalisierte Volk. Hinzu kommen die jährlichen Betriebskosten, die auf rund 347.000 Euro taxiert werden.

Es war Hermino Katzenstein (Grüne), der das Fass aufmachte. Der geplante KFW-55-Standard sei "nicht viel besser als eine Blechhütte", meinte er. "Der Standard in Neckargemünd ist Passivhaus", betonte er. In diesem Standard seien zuletzt Kindergärten und auch das Schulzentrum errichtet worden. "Das war immer selbstverständlich", meinte er. Er machte die Zustimmung der Grünen vom Passivhaus-Standard abhängig. "Klimaschutz ist nie kostenlos, aber er ist auch nie umsonst", meinte Katzenstein.
Jürgen Rehberger (Freie Wähler) gab zu bedenken, dass die Stadt kein Bauherr sei. Er fragte, ob die Diakonie dann auch noch bereit wäre, sich in Neckargemünd zu engagieren. Man habe eine Zusammenarbeit signalisiert und jetzt könne man nicht einfach mit dieser Forderung kommen. "Das ist nicht die feine Art", kritisierte Rehberger. "Wir sind hier nicht bei Wünsch-dir-was."
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Allerdings warb auch Anne von Reumont (CDU) für den Passivhaus-Standard. Ein niedriger Energieverbrauch bedeute auch weniger Betriebskosten, die am Ende zu einem großen Teil die Stadt tragen werde, gab sie zu bedenken. Winfried Schimpf (SPD) hingegen warnte davor, in diesem fortgeschrittenen Stadium die "Reset-Taste" zu drücken. Er befürchtete zu hohe Kosten und fand: "An einem Nicht-Passivhaus-Kindergarten wird die Welt nicht zugrunde gehen." Giuseppe Fritsch (fraktionslos) warnte ebenfalls vor Folgekosten. Vom Land würde zu wenig Unterstützung kommen, kritisierte er außerdem.
Jörg Huber, Pädagogischer Vorstand der Johannes-Diakonie, gab zu bedenken, dass die Bausubstanz beim Passivhaus-Standard deutlich teurer werde. Die Stadt Neckargemünd würde nur ein "starkes Drittel" des Hauses nutzen. Schulkindergarten und Tagespflege hätten andere "Refinanzierungsquellen". "Ich sehe große Probleme", meinte er. Der hohe Baustandard würde zu hohen Tagessätzen für die Tagespflege führen und die Plätze dadurch unattraktiv machen.
Bürgermeister Frank Volk stellte dann die entscheidende Frage: Ist die Stadt bereit, die Mehrkosten für das komplette Gebäude zu tragen, obwohl sie nur ein Drittel nutzt? Volk ging von Mehrkosten von drei Millionen Euro aus, was auf 40 Jahre 75.000 Euro pro Jahr bedeuten würde. Petra Groesser (Grüne) gab zu bedenken, dass der Rhein-Neckar-Kreis ebenfalls ein großes Klimaschutzkonzept habe und für seinen Schulkindergarten auch an einem besseren Standard interessiert sein müsse. "Da sollten wir den Landrat in die Pflicht nehmen", fand sie.
Jens Hertel (SPD) lehnte ab, dass die Mehrkosten bei der Stadt alleine hängen bleiben. "Wenn Pflegeplätze nicht mehr in zeitgemäßen energetischen Gebäuden möglich sind, dann stimmt etwas nicht", meinte er zudem. "Wo nehmen wir die drei Millionen her?", fragte auch Jürgen Rehberger. "Ich sehe nicht ein, dass wir als Stadt einen so immensen Beitrag leisten – so funktioniert das nicht."
Es herrschte aber auch Einigkeit: Die Stadträte lobten in der Diskussion die Planung des Kindergartens und die Idee, dass Jung und Alt zusammentreffen. Sie signalisierten, dass notwendige Befreiungen vom Bebauungsplan für den Neubau unkritisch gesehen werden. Hier geht es unter anderem um die Lage der Stellplätze und eines Gerätehäuschens sowie abweichende Bepflanzung, eine andere Dachform und eine höhere Einzäunung. Und auch mit dem entworfenen Betriebsführungsbetrag sei man einverstanden. Volk sah ein "deutliches Signal". Nun gelte es nur noch, die Frage nach dem Energiestandard zu klären.



