Neckargemünd

"Die Fähre ist nicht sicher"

Ex-Fährmann Reinhard Barta begründet seine fristlose Kündigung – Er sieht gravierende Sicherheitsmängel

23.05.2018 UPDATE: 24.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden

Die Fähre liegt am Ufer des Neckargemünder Ortsteils Neckarhäuserhof - ein Bild, wie es derzeit häufig zu sehen ist. Fotos: Alex

Von Robert Brenner und Christoph Moll

Neckargemünd/Neckarsteinach. "Ich werde auf der Straße nicht mehr gegrüßt", erzählt Reinhard Barta. Nachdem der Fährmann vor etwa einem Monat fristlos kündigte, erlebt der 59-Jährige im kleinen Neckargemünder Ortsteil Neckarhäuserhof einen wahren Spießrutenlauf. Weil es nun noch einen Fährmann gibt, fährt die Fähre nur noch - wie derzeit - in ungeraden Kalenderwochen regulär. In geraden Wochen wird lediglich morgens von 6 bis 8 Uhr übergesetzt. Inzwischen brodelt die Gerüchteküche heftig: "Es wird erzählt, dass ich der Fähre schaden will, doch das stimmt überhaupt nicht und kann ich nicht auf mir sitzen lassen", betont Barta, der nun an die Öffentlichkeit geht. "Das Gegenteil ist der Fall: Ich habe viel für die Fähre getan und wollte dies auch noch weiterhin tun." Doch es sei einfach nicht mehr gegangen. "Die Entscheidung war notwendig", sagt der inzwischen ehemalige Fährmann. Denn an der Fähre bestünden gravierende Sicherheitsmängel. Barta sagt: "Die Fähre ist nicht sicher." Dem widerspricht allerdings die Stadt Neckargemünd.

Hintergrund

Bürgermeister: Die Sicherheit ist gewährleistet

Ist die Fähre zwischen dem zum badischen Neckargemünd gehörenden Neckarhäuserhof und dem zum hessischen Neckarsteinach gehörenden Neckarhausen etwa ein Sicherheitsrisiko? "Nein", sagt Neckargemünds

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Bürgermeister: Die Sicherheit ist gewährleistet

Ist die Fähre zwischen dem zum badischen Neckargemünd gehörenden Neckarhäuserhof und dem zum hessischen Neckarsteinach gehörenden Neckarhausen etwa ein Sicherheitsrisiko? "Nein", sagt Neckargemünds Bürgermeister Frank Volk entschieden. Ein Monat ist es nun her, dass Fährmann Reinhard Barta fristlos gekündigt hat, weil die Fähre in seinen Augen nicht sicher ist (siehe Artikel rechts). Doch dem widerspricht die Stadt Neckargemünd, die neben dem hessischen Kreis Bergstraße Eigentümer der Fähre ist.

"Das Wasser- und Schifffahrtsamt hat sich erst vor ein paar Wochen ein Bild von der Fähre gemacht", berichtet Volk. "Es wurden dabei keine Mängel festgestellt, die die Betriebssicherheit beeinträchtigen." Die Behörde habe keinen Anlass für eine vorzeitige detaillierte Überprüfung der Fähre gesehen, so Volk weiter. Es gebe lediglich "kleinere Auffälligkeiten". So fehle zum Beispiel eine Plastikschraube für 25 Euro. Die Beseitigung dieser "Kleinigkeiten" sei bereits in Auftrag gegeben.

Nur drei Autos sind erlaubt

Bereits repariert sei die schwergängige Kurbel für die Scherbretter, so Volk. Diese sind bei der Gierseilfähre notwendig, damit die Fähre auch ohne Motor allein durch die Strömung des Neckars das andere Ufer erreicht - im normalen Betrieb, aber auch beim Ausfall des Motors, wie es schon vorgekommen ist. Es sei hier um zwei Schrauben gegangen, die ausgetauscht werden mussten, so Volk. Ex-Fährmann Barta hatte außerdem bemängelt, dass die Anlegevorrichtung auf hessischer Seite nicht funktioniert. "Diese ist jedoch betriebsbereit", sagt Volk. "Auch das hat das Amt überprüft."

Auch zu der von Barta kritisierten Praktik, dass seit Jahrzehnten entgegen der Bestimmungen sechs Autos in zwei Reihen auf die Fähre gelassen werden, hat der Bürgermeister eine klare Meinung: "Das Fährzeugnis ist Bestandteil des Pachtvertrages und besagt, dass nur eine einreihige Bestückung der Fähre erlaubt ist", erklärt Volk. Das wären drei Autos. Deshalb habe man nun entsprechende Markierungen auf die Fähre aufgebracht. Volk: "Es ist Sache der Fährleute, dies einzuhalten." Natürlich hätten die Fährleute wegen der Einnahmen aber ein Interesse daran, mehr Autos auf die Fähre zu lassen.

Der Rathauschef betont, dass die Fährpächter als selbstständige Kaufleute auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung arbeiten und keine Arbeitnehmer der Stadt sind. Deshalb müssten sie sich auch selbst versichern. "Die Stadt ist nicht weisungsbefugt - auch was die Betriebszeiten angeht", so Volk. Man wünsche sich natürlich lange Betriebszeiten, habe darauf aber keinen Einfluss. Dies sei Sache der Fährleute. Diese könnten sich als Selbstständige auch Unterstützung holen - so wie es zu Zeiten der Sperrung der Friedensbrücke in Neckargemünd im vergangenen Sommer wegen des höheren Fahrzeugaufkommens auch mit Fährjungen geschehen sei.

Neuer Fährmann nicht in Sicht

Erst kürzlich habe die Stadt eine Erhöhung des monatlichen Zuschusses für die Fährpächter genehmigt, berichtet Volk. Man könne sich auch vorstellen, einen dritten Fährmann im Pachtverhältnis zu beschäftigen. Diesen Wunsch gebe es schon lange, doch dann stelle sich die Frage der Wirtschaftlichkeit. Volk: "Bisher mussten sich zwei Fährleute die Einnahmen teilen, dann wären es aber drei."

"Es ist keine schöne Situation", sagt Volk über den derzeit eingeschränkten Betrieb der Fähre. Die Suche nach einem neuen Fährmann gestaltet sich schwierig, da ausgebildete Fährleute rar sind. "Wir sind noch nicht so weit, dass wir mit jemandem einen Vertrag abschließen können", so Volk. Für Reinhard Barta sei die Tür wohl zu. Das Vertrauensverhältnis sei durch die fristlose Kündigung zerrüttet. "Wir wünschen uns, dass wir schnell wieder einen Fährmann finden, denn wir wollen den Betrieb der Fähre dauerhaft sichern", bekräftigt Volk. (cm)

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Reinhard Barta lebt seit dem Jahr 2011 im Neckarhäuserhof. Mit der Zeit sei er in Kontakt mit dem Fährverein gekommen und habe sich nach beruflichen Veränderungen schließlich dazu entschlossen, die Ausbildung zum Fährmann abzulegen. Im Juni vergangenen Jahres durfte er alleine fahren. Zwischen ihm und der Stadt Neckargemünd sowie dem hessischen Kreis Bergstraße als Kostenträger der Fähre wurde ein sogenannter Pachtvertrag geschlossen. Die Fährmänner erhalten die Fahrtgelder und zusätzlich von der Stadt einen monatlichen Fixbetrag zur Deckung der Kosten. "Ich habe mit Begeisterung begonnen", erinnert sich der 59-Jährige. Doch es dauerte nicht lange, bis er die ersten Mängel feststellte. "Diese habe ich mündlich bei der Stadt gemeldet", berichtet Barta. "Heute heißt es, ich hätte das schriftlich machen müssen."

Einer dieser Mängel war die automatische Anlegevorrichtung der Fähre auf Neckarhäuser Seite, die nach Ansicht von Barta nicht funktioniert. Diese ist notwendig, da nur ein Fährmann auf der Fähre ist. Mit der "Einrastfunktion" am Ufer soll verhindert werden, dass die Fähre abtreibt, bevor sie mit einem Seil festgemacht werden kann. "Hätte die Anlegevorrichtung funktioniert, wäre es im Juli 2017 auch nicht zu dem Unfall gekommen", meint Barta. Damals rutschte ein Traktor mit Anhänger beim Auffahren in den Neckar, weil sich die Fähre aus bislang ungeklärter Ursache vom Ufer gelöst habe. Es gibt einen Rechtsstreit um die Übernahme des entstandenen Schadens. Reinhard Barta betont, dass der Unfall zwar sein Sicherheitsbewusstsein erhöht habe, aber nicht der Grund für seine Kündigung gewesen sei.

Apropos Sicherheit: Auch die Bestückung der Fähre mit sechs Autos ist Barta ein Dorn im Auge. Dies wird seit Jahrzehnten so praktiziert, weil der Fährbetrieb ansonsten nicht wirtschaftlich ist - obwohl es eigentlich nicht erlaubt ist. Zwar dürfen laut Zulassung der Fähre Fahrzeuge mit einem maximalen Gesamtgewicht von 16 Tonnen transportiert werden, doch bei sechs Autos in zwei Reihen lassen sich wegen der Enge nicht alle Fahrzeugtüren öffnen. Im Ernstfall wären die Insassen in ihren Wagen gefangen.

Doch Barta stellte auch an der Fähre selbst noch weitere Mängel fest: So sei schon die Steuerkette abgesprungen, sodass die Fähre manövrierunfähig gewesen sei. Für einen solchen Fall können bei dieser Gierfähre sogenannte Scherbretter abgelassen werden, sodass die Fähre allein durch die Strömung des Neckars ans andere Ufer treibt. Doch sei die hierfür notwendige Kurbel viel zu schwergängig, so Barta. "Ich bin immer mit Bauchweh gefahren", erzählt er. "Wenn das mitten auf dem Neckar passiert und ein Schiff kommt, hat man ein Problem." Er verstehe nicht, sagt Barta, warum das Wasser- und Schifffahrtsamt nicht aktiv geworden sei, obwohl er dieses über die Mängel informiert habe. Schließlich kritisiert Barta die Arbeitsbedingungen: Zwei Fährmänner teilen sich im wöchentlichen Rhythmus den Fährdienst, wobei die täglichen Schichten - unterbrochen von einer kurzen Mittagspause - im Sommer 14,5 Stunden lang sind. Barta forderte deshalb einen dritten Fährmann als Springer oder Urlaubsvertretung.

Um diese Missstände zu regeln, fand Mitte Dezember 2017 im Neckargemünder Rathaus ein Gespräch mit den Verantwortlichen statt. Bei einem weiteren Gespräch Anfang März 2018 wies Reinhard Barta erneut auf die noch immer nicht beseitigten Mängel hin. Über seinen Anwalt setzte der Fährmann der Stadt schließlich eine Frist, fünf akute Mängel bis zum 13. April zu beseitigen. Da nichts geschah, zog er die Konsequenzen und kündigte fristlos. "Die Stadt lässt mich hängen", sagt Barta. "Wenn wegen der Mängel ein Unfall passiert, bin erst mal ich als verantwortlicher Fährführer dran."

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