Der Durchbruch für Neckargemünd gelang auf dem Gerichtsflur
Nach acht Jahren ist ein Vergleich in greifbare Nähe gerückt - Sanierungskonzept wird erarbeitet

Die Keimbelastung des Badewassers im Naturbecken war immer wieder zu hoch. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd/Heidelberg. Dutzende Aktenordner wurden am Donnerstagvormittag in Saal zwölf des Heidelberger Landgerichts getragen und sogar auf Wägelchen hineingerollt. Darin: mehrere Tausend Seiten aus acht Jahren. So lange läuft der Naturbad-Prozess der Stadt Neckargemünd gegen den Planer und zwei Baufirmen inzwischen. Auf den Tischen der Richter und der Anwälte wuchsen die Papierberge in die Höhe. Diese dürften nun aber nicht mehr viel höher werden. Nach unzähligen Verhandlungstagen scheint jetzt endlich der Durchbruch gelungen. Auf dem Gerichtsflur ist ein Vergleich in greifbare Nähe gerückt.
Das bisherige Geschehen: Die Stadt Neckargemünd hat in den Jahren 2007 und 2008 ihr Freibad für über fünf Millionen Euro teilweise in ein Naturbad mit biologischer Wasseraufbereitung ohne Chlor umbauen lassen. Schon in der ersten Saison musste das Naturbecken wegen zu hoher Keimwerte gesperrt werden. Die Stadt strengte daraufhin ein Beweissicherungsverfahren an, ein Gutachter stellte einen Schaden durch Planungs- und Baumängel am Becken und in der Wasseraufbereitung in einer Höhe von 1,1 Millionen Euro fest. Die Stadt klagte. Der Prozess läuft bis heute.
Der abgetauchte Planer: Der Prozess bietet inzwischen Stoff für einen Krimi. Denn Naturbad-Planer Rainer Grafinger soll sich nach Thailand abgesetzt und sich somit den deutschen Gerichten entzogen haben. Als Richter Reinhard Dold am gestrigen Donnerstag nach einer Adresse von Grafinger fragte, musste dessen Anwalt passen. Der Planer soll mit rund 800.000 Euro für den Löwenanteil des Schadens verantwortlich sein. Seine Haftpflichtversicherung steht nur für Schäden bis 300.000 Euro ein. Mehr ist wohl nicht zu holen.
Die weiteren Beteiligten: Neben dem Planer sind noch zwei Baufirmen als Beklagte in das Verfahren involviert. Ein Garten- und Landschaftsbauunternehmen aus München hat den sogenannten Regenerationsbereich für die biologische Wasseraufbereitung errichtet, eine Baufirma aus Mosbach das Naturbecken. Deren Vertreter waren jeweils mit Rechtsanwälten und teilweise auch eigenen Gutachtern gekommen. Für die Stadt als Klägerin waren Bürgermeister Frank Volk, Fachbereichsleiter Franz-Georg Scheffczyk, Anwalt Andreas Weglage und Privatgutachter Tim Köhler anwesend.
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Die geänderte Rechtslage: Bisher konnten Kläger Schadensersatz auch dann geltend machen, wenn der Schaden gar nicht behoben werden soll - ähnlich wie bei Unfallschäden am Auto. Das hat sich inzwischen geändert. Nun ist eine Reparatur Pflicht. Das ist ein Problem für die Stadt, denn sie hat das Naturbad zuletzt in den Griff bekommen. Seit der Badesaison 2017 gab es keine Schließungen, sodass möglicherweise gar kein allzu großer Eingriff notwendig ist.
Die beiden Optionen: Richter Dold machte deutlich, dass die Stadt zwei Möglichkeiten hat. Entweder sie führt den Prozess weiter, muss dann aber im Falle eines Sieges auch - so wie vom Sachverständigen vorgeschlagen - alle Filterstufen des Naturbads neu bauen lassen. Dann bestehe das Risiko, dass es neue Probleme gebe, gab Dold zu bedenken. Deshalb schlug der Richter einen Vergleich vor, bei dem sich die Beteiligten auf eine Zahlung einigen. Das Geld könnte die Stadt für eine stärkere Reinigung einsetzen, mit der man - wie bisher - die Mängel in den Griff bekommt. Beide Seiten signalisierten Verhandlungsbereitschaft.
Die vorläufige Einigung: Der Anwalt der Stadt schlug zunächst 500.000 Euro als Vergleichssumme vor. Nach einer 45-minütigen Unterbrechung mit Besprechung auf dem Gerichtsflur stand ein anderer Vergleich fest: Die Sachverständigen der Beteiligten sollen bis März gemeinsam ein Sanierungskonzept entwickeln. Dazu fuhren sie am Donnerstag gleich nach der Verhandlung ins Naturbad. Außerdem soll festgelegt werden, wer welche Kosten trägt. Sollte dies gelingen, ist der Prozess beendet. Außen vor ist dabei das Bauunternehmen, das diesen Vergleich nicht mittragen wollte. Die Stadt hat sich mit ihr anders geeinigt: Die Firma zahlt 20.000 Euro und ist damit raus. Zuvor hatte das Gericht betont, dass dem Unternehmen kaum ein Vorwurf gemacht werden könne. Die meisten Mängel seien auf den Planer zurückzuführen.
Der neue Mangel: Die Einigung mit der Baufirma wäre fast gescheitert, weil die Stadt am Donnerstag einen bisher nicht erwähnten Mangel aufführte. So soll der Boden des Naturbeckens fehlerhaft gebaut worden sein. Schottersteine sollen sich durch die Beckenfolie "bohren" und diese undicht machen. Der Richter wies aber darauf hin, dass dies nicht Gegenstand des Verfahrens und zudem die Gewährleistungsfrist bereits verstrichen sei.



