Mühlhausen/Östringen

"Buchen sind hier zu 80 Prozent abgestorben"

Die CDU-Ortsverbände Mühlhausen und Östringen hatten zu einer Waldbegehung mit Minister Peter Hauk eingeladen

08.12.2019 UPDATE: 09.12.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 58 Sekunden
Minister Peter Hauk, der Landtagsabgeordnete Karl Klein, die Bürgermeister Jens Spanberger und Felix Geider sowie Vertreter der Forstbehörden beim Ortstermin im Mühlhausener Wald, der besonders stark von Trockenschäden und Klimawandel betroffen ist. Fotos: Pfeifer

Mühlhausen/Östringen. (rö) "Ich bin nicht ganz hoffnungslos", zeigte sich Peter Hauk (CDU) überzeugt, die vor allem vom Trockensommer 2018 ausgelösten Probleme in den heimischen Wäldern trotz der Klimaerwärmung "in den Griff zu kriegen". Aber, so sagte der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz auch: "Wir werden uns anstrengen müssen." Der Politiker war auf Einladung der CDU-Ortsverbände Mühlhausen und Östringen sowie der Landtagsabgeordneten Karl Klein und Ulli Hockenberger vor Ort gekommen, um sich ein Bild von den gravierenden Schäden zu machen, die besonders im Buchenbestand auf den tonigen Böden festzustellen sind. "Wertvolle Erkenntnisse" sah Karl Klein in den anschaulichen Schilderungen der Forstvertreter des Rhein-Neckar-Kreises und des Landkreises Karlsruhe. Für Hans Becker (CDU Mühlhausen) wurde durch den "Waldgipfel" die "ganze Dimension der Schäden deutlich". Sein Fazit: "Wir müssen Sorge tragen, dass der Wald erhalten bleibt."

Am Ende des zweistündigen Rundgangs mit zahlreichen interessierten Bürgern, der vom Mühlhäuser Waldparkstadion durch den Wald entlang der Kreisstraße auf Östringer Gemarkung führte, machte Minister Hauk deutlich, dass die Botschaft vom schlechten Waldzustand bei der Landesregierung angekommen sei. So habe man bereits einen Notfallplan für den Wald aufgelegt, der im kommenden Doppelhaushalt 2020/21 mit jährlich 40 Millionen Euro unterlegt sei. Zum aktuellen Krisenmanagement gehören nach seinen Worten vor allem Zuschüsse für die Wiederbewaldung, aber auch Unterstützung bei der Bewältigung zufälliger Nutzungen (schadhaftes Holz, das unplanmäßig eingeschlagen werden muss) oder bei der Entsorgung potenziellen Brutmaterials für Schädlinge wie den Borkenkäfer.

Minister Peter Hauk, der Landtagsabgeordnete Karl Klein, die Bürgermeister Jens Spanberger und Felix Geider sowie Vertreter der Forstbehörden beim Ortstermin im Mühlhausener Wald, der besonders stark von Trockenschäden und Klimawandel betroffen ist. Fotos: Pfeifer

In Planung ist laut dem Minister eine "Waldprognose 2050", um ein Bild von der künftigen Klimaeignung der Baumarten zu erhalten, sei man doch bei der Klimaerwärmung "noch nicht am Ende der Fahnenstange", so Hauk ("das wird nicht besser in den nächsten Jahren"). Und schließlich sei es Teil des Notfallplans, "dass wir personell aufrüsten". Von bis zu 200 Neueinstellungen in der Forstverwaltung ist die Rede, allein 70 neue Revierförster soll es nächstes Jahr landesweit geben.

Wie schwerwiegend die Schäden im Wald von Mühlhausen und Östringen sind, veranschaulichte Karl Klein an einem Beispiel aus der Zeit, als er selbst noch Bürgermeister war: "So ein Schadensbild hatten wir, als wir mit den Schwammspinnern gekämpft haben. Damals hat mein Herz geblutet." Forstbezirksleiter Philipp Schweigler machte ebenfalls die Dramatik deutlich: Die Buche, wichtigste Baumart im Rhein-Neckar-Kreis, sei auf 600 Hektar in der Rheinebene, an der Bergstraße "und hier auf den tonigen Böden" betroffen. Man habe bereits 8000 Festmeter Schadholz aufgearbeitet "und da kommt noch einiges dazu".

Mühlhausens Revierleiter Bernd Niederer sagte: "Die Buchen sind hier zu 80 Prozent abgestorben." Ursache ist aus seiner Sicht die lange Trockenzeit im Sommer 2018, daneben aber auch der Bau der Umgehungsstraße, die eine Schneise in den Wald geschlagen und diesen für Sonne und Sturm geöffnet hat. Sein Kollege Jochen Kaiser, Revierleiter in Östringen, vermutet, dass viele der Buchen schon seit dem einstigen Rekordsommer 2003 "im roten Bereich" waren. "2018 war dann der Todesstoß", sagte er.

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Der Forst kämpft deshalb mit einer Reihe von Herausforderungen. Martin Moosmayer ("die Buchen sind einfach verdurstet"), Leiter des Forstamts im Landkreis Karlsruhe, sprach die wachsenden Verkehrssicherungsprobleme an. "Der Aufenthalt im Wald wird gefährlicher", sagte er. Sein Kollege Manfred Robens, Leiter des Forstamts im Rhein-Neckar-Kreis, zeigte die rasant steigende "zufällige Nutzung" von Schadhölzern auf: von 13 Prozent im Jahr 2016 über 20 (2017) und 33 (2018) auf aktuell 53 Prozent. Für den Kreis Karlsruhe seien das dieses Jahr 140.000 Festmeter Schadholz, so Moosmayer, "eine völlig neue Dimension". Nach seinen Worten hat man bei insgesamt 34.000 Hektar Wald auf über 2000 Hektar bestandsbedrohende Schäden, dazu auf gut 1700 Hektar wirtschaftliche Schäden. "Selbst wenn wir wollten, könnten wir nicht alles aufräumen", kommt der Forst laut Philipp Schweigler mit der Aufarbeitung gar nicht hinterher.

"Der Wald wird sein Gesicht verändern", kündigte Bernd Niederer an. Wo die Buche auf den tonigen Böden verschwindet, kommen Eiche und Elsbeere, die derzeit auf Östringer Gemarkung massiv neu angepflanzt wird, mit dem trockenen Klima besser zurecht. Minister Hauk kann sich neben Esskastanie oder Walnuss auch Bäume aus dem Mittelmeerraum vorstellen – hier wolle man auf Versuchsflächen im Staatswald einiges ausprobieren, "damit der Wald der Zukunft noch Wald heißt und nicht Steppe".

Das stellt aber auch die betroffenen Kommunen vor große Herausforderungen: "Diese Kulturen kosten richtig Geld", sagte Martin Moosmayer über die großflächigen Neuanpflanzungen. Östringens Bürgermeister Felix Geider kalkuliert für nächstes Jahr mit einem Defizit im Forstbetrieb von 150.000 bis 200.000 Euro, üblich war in der Vergangenheit "eine rote oder schwarze Null". Dazu kommen, wie Mühlhausens Bürgermeister Jens Spanberger deutlich machte, die Kostensteigerungen durch die Auswirkungen der Forststrukturreform (die RNZ berichtete). Geiders dringlicher Hinweis: "Wir brauchen Mittel für den Wald." Man sei für den Notfallplan des Landes dankbar, "aber das kann nur der erste Schritt sein"

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