Mühlhausen

Märkte und Lädl "kämpfen ums Überleben"

In der Gemeinde sorgt man sich um die Nahversorgung in den Ortskernen und den sozialen Treffpunkten.

17.06.2022 UPDATE: 18.06.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 26 Sekunden
Der Mühlhausener Wochenmarkt hat Sorgen: Mehr Kundschaft und damit mehr Umsatz wären dringend erforderlich. Foto: Pfeifer

Von Sebastian Lerche

Mühlhausen. "Herzblut und viel bürgerschaftliche und politische Unterstützung" sind gefragt. Für Ortsmitten, in denen viel Leben ist und man sich gerne aufhält, möchte Mühlhausen nämlich die beiden Wochenmärkte und das Dorflädl in Tairnbach anziehend und betriebsam erhalten. "Sie kämpfen ums Überleben", wie Bürgermeister Jens Spanberger, Tairnbachs Ortsvorsteher Rüdiger Egenlauf und Volker Maier vom Tairnbacher Dorflädl im Gespräch mit der RNZ besorgt erklären. Sie wollen etwas tun, ihnen geht es dabei neben der Möglichkeit, Lebensmittel und andere Waren vor Ort einzukaufen, um den sozialen Aspekt.

Im genossenschaftlich organisierten Dorflädl treffen sich Handwerker oder ältere Leute, vespern und unterhalten sich, Kinder und Eltern vom benachbarten Kindergarten schauen vorbei, Schülerinnen und Schüler finden Stifte oder Hefte, die sie kurzfristig brauchen: "Da ist immer was los – und ich als Ortsvorsteher könnte mein Büro ins Dorflädl verlegen", so Egenlauf. Ähnlich sieht es mit den Wochenmärkten aus: Sie sind ebenso gesellige Treffpunkte da sie ein bewussteres Einkaufen ermöglichen. Daher sucht man von Gemeindeseite aus Möglichkeiten, die Nachfrage anzukurbeln und lässt sich nicht entmutigen, selbst wenn manche Stimmen meinen, die Mühe sei vergeblich.

"Die Händler brechen uns nach und nach weg", schildert Spanberger die Situation auf dem Wochenmarkt in Mühlhausen. Der kann inzwischen nur noch alle zwei Wochen, am ersten und dritten Freitag im Monat, stattfinden. Nachdem der Obst- und Gemüsestand nicht mehr weitermachen konnte, sank die Besucherfrequenz des Mühlhausener Wochenmarkts, sodass sich die wöchentliche Präsenz für die übrigen Beschicker nicht mehr lohnte. Die Gemeinde tausche sich mit den Händlern regelmäßig aus und suche unter anderem intensiv nach einem Nachfolger, der die Lücke füllt, "aber alle Bemühungen haben nicht gefruchtet": Mehrere Obst- und Gemüseanbieter der Region hätten abgewinkt.

"Wir rollen schon den roten Teppich aus", meint der Bürgermeister: Die Marktbeschicker erhielten den Platz, den sie benötigten, und zahlten keine Standgebühren. Über Broschüren, soziale Medien, Gemeindehomepage und Infotafeln an den Ortseingängen werbe man für den Wochenmarkt, die Verwaltung sei immer direkt ansprechbar.

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Eine Idee wäre, mit ehrenamtlichen Kräften den Marktbeschickern Arbeit abzunehmen, so Spanberger: Gerade Personal zu finden, das sich mehrere Stunden auf einen Markt stelle, sei schwer. Andererseits müssten die Freiwilligen sich mit den Waren sowie Fragen rund um Verkauf und das Finanzielle auskennen – und wie kommt man an solche Leute heran?

Der Rettigheimer Markt hat "eine gewisse Stammkundschaft", war zuvor von Bürgermeister-Stellvertreter Ewald Engelbert zu erfahren: Das habe mit dem Warenangebot, aber nicht zuletzt mit dem "Zaster-Laster" als Alleinstellungsmerkmal zu tun: Das Sparkassen-Mobil biete nach der Schließung der Rettigheimer Filiale auf dem Markt Geldabheben und weitere Dienstleistungen an.

Das Tairnbacher Dorflädl hat Sorgen: Mehr Kundschaft und damit mehr Umsatz wären dringend erforderlich. Foto: Pfeifer

Leider lässt sich die durchaus nahe liegende Idee, dass das Dorflädl-Team den Wochenmarkt in Mühlhausen unterstützen könnte, nicht umsetzen. Laut Egenlauf ist der Aufwand zu groß, da stößt das Personal endgültig an seine Grenzen. Vier Angestellte hat das Dorflädl, die auf 450-Euro-Basis oder zwischen 60 und 80 Stunden im Monat arbeiten. Eine fünfte Kraft habe das Lädl verlassen, daher suche man eine Nachfolge, die 120 Stunden den Monat arbeite. Wegen Personalmangels habe das Lädl vier Tage im Juni nachmittags geschlossen bleiben müssen. Ohne die Ehrenamtlichen wäre das Lädl aufgeschmissen, so Egenlauf: Um die 25 packen 350 bis 400 Stunden im Monat mit an.

"Der Kostendruck steigt", erklären Rüdiger Egenlauf und Volker Maier. Das Lädl ist nach zwei Jahren mit roten Zahlen mit 7300 Euro im Minus, das könne kein Dauerzustand sein. Da wirken sich die allgemeinen Preissteigerungen aus. Die Löhne sind laut dem letztjährigen Geschäftsbericht bei 280.000 Euro Jahresumsatz mit 64.000 Euro der größte Ausgabenposten – der nun, wegen der Mindestlohnerhöhung, auch noch um 6000 Euro steigen wird.

Viele verschiedene Artikel gibt es im Dorfladen – nicht zu vergleichen mit einem großen Supermarkt, aber das Wichtigste für eine Grundversorgung, meint Egenlauf: "In Tairnbach muss niemand verhungern, wenn er nur im Lädl einkauft." Leider lassen die rund 100 Kunden am Tag durchschnittlich nur sechs bis acht Euro da: "Von Gelegenheits-Einkäufen, weil man etwas vergessen hat, können wir nicht leben."

50 Prozent der Lebensmittel sind regional, ergänzt er. Dank einem Anbau für 13.000 Euro, der durchs Förderprogramm "Leader" der Europäischen Union und Spenden finanziert wurde, wuchs die Produktpalette: um Tiefkühlkost und Säfte etwa, außerdem kam man Kundenwünschen nach Bio-, veganen oder glutenfreien Produkten entgegen. Den Lieferservice wissen ältere Menschen, alle, die gerade nicht mobil sind, oder auch jene in Quarantäne zu schätzen.

Jetzt, da die Corona-Einschränkungen zurückgefahren wurden, hofft das Lädl, mit Service für Vereine oder Firmen sowie Bewirtung bei Festen und anderen öffentlichen Veranstaltungen wieder mehr Geld zu verdienen: "Wir wollen den Verlust aus eigener Kraft herunterschrauben", so Egenlauf. Ziel ist, 2023 das zehnjährige Bestehen des Ladens gebührend zu feiern: "Wir kämpfen weiter."

Die Gemeinde unterstütze das Dorflädl gerne, so Spanberger: "Das ist Daseinsvorsorge", das sehe auch das Kommunalrechtsamt so. Gemeinsam mit dem Gemeinderat suche er daher nach Wegen, das Lädl mit einer "freiwilligen Leistung" der Gemeinde am Leben zu erhalten, denkbar sei, zur Not das Defizit zu übernehmen.

Er räumt ein, dass man an der Konkurrenz durch Wochenmärkte oder Einkaufszentren in umliegenden Orten – vom Internet ganz zu schweigen – nichts ändern könne, ebenso wenig daran, dass die Menschen in Zeiten der Inflation stärker aufs Geld schauen müssen. Aber der Mehrwert, den Lädl und Märkte bieten, rechtfertige die Mühe.

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