Mühlhausen

Ist die Gemeinde zu abhängig?

Die Gemeinde schließt für den Bücherei-Betrieb eine Kooperation mit der katholischen Kirche.

05.12.2021 UPDATE: 06.12.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
Vor über 20 Jahren wurde die Bücherei in Mühlhausen gegründet. Die gemeinsame Trägerschaft zwischen Gemeinde und Kirche soll nun durch einen neuen Vertrag gefestigt werden. Foto: Pfeifer

Von Sophia Stoye

Mühlhausen. Schon seit über 20 Jahren besteht die Bücherei in Mühlhausen – seit jeher in gemeinsamer Trägerschaft mit der katholischen Kirche. Weil der bisherige Vertrag nicht mehr zeitgemäß ist und arbeitsrechtliche Probleme bereiten könnte, muss eine neue Regelung her. Die Gemeindeverwaltung schlägt dafür einen Kooperationsvertrag mit der Kirche vor, von denen sie sich einige Vorteile verspricht. Zwar wurde die neue Regelung bei sieben Enthaltungen vom Gemeinderat angenommen, dennoch entzündete sich vor allem an der Zusammenarbeit mit der Kirche Kritik.

Als die Bücherei 1998 gegründet wurde, arbeitete das Personal ehrenamtlich, weshalb die Personalausstattung nicht explizit geregelt wurde. Das Arbeitspensum steigerte sich schrittweise, mit dem aktuellen Vertrag sind die Mitarbeiterinnen als geringfügig Beschäftigte angestellt und erhalten einen Pauschalbetrag. "Inzwischen ist das eine Bücherei, in der man auch entsprechendes Personal fest anstellen sollte", sagte Bürgermeister Jens Spanberger in der Sitzung.

Wie Hauptamtsleiterin Kirsten Höglinger ausführte, hat die Mühlhausener Bücherei – nicht zu verwechseln mit der Bücherei in Rettigheim, die komplett von der Gemeinde getragen wird – elf Stunden die Woche geöffnet. Sie verfügt über knapp 7800 Medien, also Bücher, CDs, Zeitschriften und mehr. Etwa 2000 davon sind im Besitz der Kirche. "Zur Bücherei-Tätigkeit gehört nicht nur, Bücher auszuleihen", so Höglinger. "Es steckt viel dahinter". Zum Beispiel das Koordinieren und Erfassen von neuen Medien oder die Pflege der Kooperation mit den Schulen. Bei der Größe der Bücherei werde das nicht mehr über die ehrenamtliche Arbeit abgedeckt, erklärte die Hauptamtsleiterin.

Und auch in der Beschlussvorlage schreibt die Gemeinde: "Aufgrund der hohen Entleihungen und Leserzahlen ist die Abgeltung des Personals über einen Pauschalbetrag nicht mehr zeitgemäß und arbeitsrechtlich auch nicht vertretbar." Deshalb wolle man einen neuen unbefristeten Vertrag aufsetzen, das Personal würde dann nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVÖD) bezahlt werden. Außerdem würde die komplette Personalhoheit bei der Gemeinde Mühlhausen liegen. Sie hat dann – im Gegensatz zu bisher – die Aufsicht über den Betrieb und trägt somit auch das finanzielle Risiko.

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Derzeit liegen die jährlichen Ausgaben Mühlhausens für die Bücherei bei über 21.000 Euro. Wird der Vertrag aufgelöst, müsste die Gemeinde 41.200 Euro pro Jahr ausgeben, mit dem neuen Kooperationsvertrag liegen die Kosten bei etwa 40.980 Euro.

"Wir wollen es bei dem Kooperationsvertrag belassen, damit wir weiterhin die Vorteile des Borromäusvereins genießen können", sagte Bürgermeister Jens Spanberger. Denn dieser Dachverband der öffentlichen katholischen Büchereien organisiere beispielsweise Schulungen für das Personal und stelle die Software zur Verfügung. Zudem will Spanberger den Medienbestand beibehalten. Ohne einen neuen Vertrag würde dieser wegfallen.

"Es ist uns wichtig, dass dieses Angebot bestehen bleibt – gerade für unsere jugendlichen Leserinnen und Leser", sagte CDU-Rat Jochen Knopf. Aber in Hinblick auf die finanziellen Ausgaben der Bücherei liege der Löwenanteil klar bei der Gemeinde: Wie im neuen Vertrag stehe, müsse nämlich die Gemeinde alle für den Betrieb notwendigen Finanzmittel bereitstellen. Unterdessen beläuft sich der Beitrag der katholischen Kirche zur Bücherei Knopf zufolge auf etwa 2500 Euro pro Jahr. Zwar stimme er dem Vertrag zu, aber forderte die Gemeinde auf, die Haushaltssituation immer wieder zu überprüfen. Zudem könne man als weitere Einnahmequelle Spenden generieren.

"Die Festanstellung und Bezahlung nach TVÖD ist längst überfällig", sagte Judith Kreiter von den Grünen. Für ihre Fraktion lägen die Vorteile klar auf der Hand: Monetär nur geringfügig, aber der Boromäusverein biete die fachliche Unterstützung. Wegen Kooperationen mit der Kirche in der Vergangenheit gebe es im Gremium ein paar Zweifel, "aber die Büchereileiterin hat mir versichert, dass die Zusammenarbeit gut läuft", so Kreiter.

Lisa Martin (Freie Wähler) bemängelte, dass im Vertragsentwurf ein Mindestbetrag der Kirche, mit dem die Gemeinde jährlich rechnen könne, fehle. Ohne Ergänzung dessen könne die Fraktion dem nicht zustimmen. "Das ist aufgrund des Kirchenrechts nicht möglich", entgegnete Bürgermeister Spanberger. Die Kirche habe aber versichert, dass die Zuschüsse wie bisher auch weiterhin fließen werden.

Am deutlichsten war die Ablehnung des Vertrags bei Dominique Odar zu hören. Die SPD-Rätin kritisierte grundsätzlich die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche in diesem Bereich und schlug vor, stattdessen mit der Gemeindebücherei in Rettigheim und dem Regierungspräsidium Karlsruhe zu kooperieren. Dann könne man beispielsweise auch von einer gegenseitigen Krankenvertretung profitieren.

Spanberger lehnte diese Idee ab: "Wenn wir in einem Verbund mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe wären, müssten wir den kompletten Medienbestand neu aufbauen." Damit würden auch erhebliche Kosten einhergehen. Odar blieb bei ihrer Meinung und betonte: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn die Bücherei Mühlhausen ihr Potenzial ausschöpft – unabhängig von der Kirche."

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