"Der Jakobsweg kostet Kraft und gibt Kraft"
Alex Kretz und Rudi Kramer berichten bei der Kolpingsfamilie über den Pilgerweg Mosel-Camino.

Mühlhausen. (RNZ) Fünfzehn Jahre lang waren die Pilgerfreunde Alex Kretz und Rudi Kramer auf Pilgerwegen durch halb Europa unterwegs: Spanien, Schweiz, Frankreich, Österreich, Italien. "Warum denn in die Ferne schweifen?" so lautete das Motto in den vergangenen drei Jahren. So war man 2019 auch auf dem Mosel-Jakobsweg unterwegs. Auf Einladung der Kolpingsfamilie Mühlhausen präsentierten die beiden Pilger kürzlich ihre Eindrücke in Wort und Bild vor zahlreich erschienenem Publikum in der Bernhardushalle.
"Der rund 160 Kilometer lange Jakobsweg bietet für Pilger und Wanderer gleichermaßen eine wunderbare Gelegenheit für eine Auszeit", so Rudi Kramer. "Zwischen Koblenz und Trier kann der Pilger inmitten eines der bekanntesten Weinbaugebiete Deutschlands eine wunderbare Vielfalt genießen."

Da wären zunächst die mittelalterlichen Schlösser und Burgen, die altehrwürdigen Klöster und Kirchen, die den Blick auf sich ziehen, wie auch das Moseltal mit seinen steilen Weinberghängen und den vielen kleinen Weindörfern mit ihren idyllischen Ortskernen, die man während des Unterwegsseins passiert.
Auf angenehmen, teils steilen, aber gut begehbaren Pfaden abwechselnd durch den Hunsrück und die Eifel komme nicht nur der Naturliebhaber und Wanderbegeisterte auf seine Kosten. "Über die Hügel zwischen den Moselschleifen lässt der Weg nicht einen Höhenmeter aus – insgesamt sind es 4800 Höhenmeter." Auch kulturell Interessierte staunen, welche historischen Höhepunkte die moselländische Region zu bieten hat.
"Wer also körperliche Herausforderungen nicht scheut, gerne die Natur genießt, am Rande ein wenig über Kultur und Geschichte erfahren möchte und auch die Einkehr in einer gemütlichen Kneipe liebt, ist hier garantiert richtig," so die Erfahrung der beiden Pilger. Auf den beschaulichen Wegen machen die Pilger ihre ganz persönlichen Erfahrungen. Da ist zum einen die Stille am frühen Morgen. "Die Stille ist ja in der heutigen Zeit ein Luxus geworden. Sie ist Mangelware in einer Welt, die ständig neue Reize liefert", stellen die beiden Pilgerfreunde fest. Hoch über der Mosel sei man ganz von dieser Stille umgeben, die innere Ruhe stelle sich ein, mache achtsam. Dabei werde auch klar, wie schwierig es ist, zu dieser Stille zu kommen, durch die das Leben reicher wäre.
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Hoch oben auf dem Hunsrück genießen die beiden Pilger die Ausblicke auf die Moselschleifen, die Weinberge, die Dörfer, die Hügel und kommen dabei ins Schwärmen. "Dieser Blick in die Tiefe und Weite tut gut." Sie stellen sich selbst der Frage: "Sehen wir im Alltag nur das Nahe, das Vordergründige, wird die Optik des Herzens auf Nahaufnahme gedrückt?" Dennoch gebe es viele Dinge, die das Leben reicher und lebenswerter machen, dazu gehöre der Weitblick, die Offenheit.
Wunderbare Bilder von der vielfältigen Natur haben die beiden Pilger in ihren Vortrag eingebaut: blühende Rapsfelder und bunte Wiesen, eine Vielfalt von Bäumen, blumenreiche Trockensteinmauern, Bienenhotels und Nistkästen, bestäubende Bienen und Insekten, sprudelnde Quellen und Wasser spendende Brunnen, blühende Sumpfzonen an der Mosel. Dazu haben die vielen Jahre auf Jakobswegen bei den Pilgern eine wichtige Botschaft hinterlassen: "Diese Bilder sind ein mahnender Aufruf, die Schöpfung zu bewahren."
Der einseitige Blick auf Wachstum und Fortschritt zerstöre Gottes Schöpfung, betonen Kramer und Kretz. Notwendig sei ein neuer Lebensstil, der nicht nur das eigene Ich im Auge habe, sondern den Schutz der Erde als Lebensraum für alle. "Wir sind nicht Herren, sondern Diener der Schöpfung Gottes, der uns die Erde als Geschenk übergeben hat und zwar in einem dreifachen Sinn: Als Vor-Gabe, als Leih-Gabe und als Aufgabe."
Die Faszination des Pilgerns – das machen die beiden immer wieder in ihrem Vortrag deutlich – ist ungebrochen und hat ihnen manche Lehre erteilt. Eine davon erscheint ihnen besonders wichtig: "Der Körper kann viel mehr als man denkt. Denn der Jakobsweg kostet Kraft. Der Jakobsweg gibt Kraft." Und was bleibt in der Erinnerung? "Den Jakobsweg mit allen Sinnen genießen – Tag für Tag – das war für uns wieder ein großes Geschenk." Ein großes Geschenk für die beiden Pilger war auch die Spendenfreudigkeit der Besucher für ihr Hilfswerk "Lieben und teilen" in Madagaskar.