SPD-Fraktion fordert Einsicht in PZN-Klinik-Akten (Update)
Die Partei hat Zweifel am Aufklärungswillen des Gesundheitsministeriums geäußert.

Wiesloch. (dpa/) Nach dem tödlichen Messerangriff in Wiesloch fordert die SPD-Fraktion im Landtag Einsicht in die Klinikakten. Nach einem Medienbericht hatte die Partei zuvor Zweifel am Aufklärungswillen des Gesundheitsministeriums geäußert. Es stehe der Verdacht der Irreführung im Raum, sagte Florian Wahl (SPD) im Sozialausschuss des Landtages am Mittwoch. Die Kritik richtet sich vor allem gegen Sozialminister Manne Lucha (Grüne) und seine Aussagen im Sonder-Sozialausschuss am 15. September.
Ein Patient des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden (PZN) hatte Anfang September mutmaßlich eine 30-jährige Frau in einem Geschäft lebensgefährlich verletzt, später starb sie im Krankenhaus. Tatverdächtig ist ein 33-jähriger psychisch kranker Mann, der zuvor auf dem Weg zur Arbeitstherapie entwichen war.
In einem Bericht der "Bild" war unter anderem von einem vorausgegangenen Fluchtversuch die Rede, bei der der Mann mit einer Holzlatte bewaffnet gewesen sei. Dies sieht Wahl im Widerspruch zu Luchas Aussagen, wonach der Patient nicht auffällig gewesen sei. Er mahnte Transparenz an, die Institutionen würden nicht dadurch geschützt, dass ein zu weiches Bild gezeichnet werde.
Lucha wies die Vorwürfe - eine lückenlose Aufklärung nicht gewährleisten zu wollen - zurück. Die Fragen in der vergangenen Sitzung seien vollumfänglich und transparent beantwortet worden. Der Minister habe seien Aussagen demnach nach intensiver Rücksprache getätigt.
Update: Mittwoch, 27. September 2023, 15.05 Uhr
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Sicherheitskonzept des PZN und Tathergang werden hinterfragt
Wiesloch/Stuttgart. (tt) Nach dem Bericht von Sozialminister Manne Lucha (Grüne) im Sozialausschuss des Landtags über den tödlichen Messerangriff in Wiesloch, den ein 33-jähriger Patient aus der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie verübt haben soll, zeigen sich die Vertreter von SPD und FDP nicht zufrieden mit den Aussagen des Ministers. Beide Fraktionen hatten die Sondersitzung zu dem Vorfall beantragt.
Die SPD-Abgeordnete Dorothea Kliche-Behnke äußerte sich im Anschluss an die Sitzung gegenüber der Deutschen Presse-Agentur noch nicht restlos zufrieden. Es sei aus Sicht der SPD-Fraktion zu viel offen geblieben, insbesondere was die Fragen der Sicherheitskonzepte der Kliniken und den Tathergang angehe. Offen sei unter anderem, welche Sicherheitskonzepte und was darin geregelt sei, hierzu gehören der Politikerin zufolge auch etwaige Meldeketten in einer Notsituation. "Alle Verantwortlichen teilen eine hohe Betroffenheit, aber das reicht nicht", sagte sie.
Im Ausschuss wurde bekannt, dass die Patientengruppe, aus der der Mann auf dem Weg von der geschlossenen Rehabilitationsstation zur Arbeitstherapie floh, nach den selbst gesetzten Vorgaben sogar noch größer hätte sein dürfen: Bis zu zehn Patienten könnten von zwei Beschäftigten betreut werden, erklärte Chefarzt Christian Oberbauer: "Für jeden Patienten ist festgelegt, wie er begleitet werden muss."
Auch der FDP-Abgeordnete Jochen Haußmann äußerte nach der Sitzung Kritik. Minister Lucha springe in seiner Analyse zu kurz und sehe keinen Änderungsbedarf im Maßregelvollzug. Der FDP-Politiker sieht hier auch einen Widerspruch zu den Regierungsfraktionen von CDU und Grünen, die den Antrag von FDP und SPD mit der Forderung einer umfassenden Untersuchung aufgenommen hätten. Haußmann betonte, dass es der FDP vor allem darum gehe, eine sorgfältige Abwägung zwischen der Therapie der Patienten und dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung durchzuführen.
Die Kritik und Fragen richteten sich jedoch nicht nur auf den Einzelfall. Kliche-Behnke wies in der Sitzung darauf hin, dass die Patienten-Zahlen im Maßregelvollzug in den letzten Jahren um ein Drittel erhöht worden seien. Jedoch sei die Qualität der neuen Plätze nicht gut, auch bleiben ihren Worten nach viele ausgeschriebene Personalstellen unbesetzt.
Die Klinikvertreter – anwesend waren Christian Oberbauer aus Wiesloch und Matthias Michel aus Weinsberg – nahmen Minister Lucha in diesem Punkt in Schutz. Oberbauer bestätigte zwar einen Zuwachs der Patienten seit 2018, die Zahl der Beschäftigten könne damit jedoch mithalten. "Wir als Land kommen unserer Verpflichtung, den Maßregelvollzug zu finanzieren, in großem Umfang nach", unterstrich auch Lucha.
Nach seinen Angaben waren es 2011 insgesamt 86,77 Millionen Euro, 2023 seien es 202,6 Millionen Euro gewesen. 2011 lag die Patientenzahl bei 1020 bei 1227 Vollzeitstellen, heute stünden 1480 Patienten insgesamt 2700 Vollzeitstellen gegenüber. "In allen Häusern wurde die Personalausstattung in Folge der Zuweisungszahlen erhöht", erklärte Minister Lucha.