Mathaisemarkt Schriesheim

Warum die Weinprämierung immer mehr zur Farce gerät

Alle Teilnehmer erhielten einen Preis. Wer keinen "Qualitätswein" produziert, darf nicht mitmachen.

08.03.2024 UPDATE: 08.03.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 38 Sekunden
Von der Badischen Bergstraße wurden Karoline Kirchner (4.v.l., 3. Platz), die Winzergenossenschaft Schriesheim mit Geschäftsführer Manuel Bretschi (4.v.r., 3. Platz), Michael Raffl (3.v.r., 2. Platz), Rüdiger Hilswicht von den Winzern von Baden (5.v.l., 1. Platz) sowie Jörg Clauer (2.v.r., Ehrenpreis) ausgezeichnet. Foto: Kreutzer

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Die Mathaisemarkt-Weinprämierung hat zwei Gesichter: Da ist zunächst mal die im letzten Jahr erfolgreich erprobte neue Form als "Schriesheimer Abend": Hier sorgen die drei Gesangvereine der Kernstadt – wenn auch ohne Altenbach – für gute Stimmung und auch für eine "volle Hütte".

Denn in den Vorjahren war das Interesse an dieser Veranstaltung abgeebbt, zeitweise verloren sich noch nicht mal zwei Dutzend Besucher im Zehntkeller. Und dass mit Georg Brand ein gewitzter Moderator gewonnen werden konnte, setzte dem Ganzen die Krone auf.


>>> Alles zum Mathaisemarkt finden Sie hier <<<


Das zweite Gesicht ist der eigentliche Anlass des Abends, die Prämierung der Weine. Fünf Weingüter und drei Winzergenossenschaften der Hessischen und der Badischen Bergstraße machten mit; nach Angaben von Bürgermeister Christoph Oeldorf wurde bei einer nicht-öffentlichen Jurysitzung im Februar "60 bis 80 Flaschen Wein verkostet".

Auch interessant
Mathaisemarkt Schriesheim: Auf dem Rummel ist die Stimmung bestens (plus Video)
Mathaisemarkt Schriesheim: DJ Daniel Enrix machte im Festzelt Laune
Mathaisemarkt Schriesheim: Montagabend will nicht so richtig ziehen
Mathaisemarkt Schriesheim: Applaus für Ministerin Razavi fällt spärlich aus

Dabei prämierte man nicht – wie noch im Vorjahr – einzelne Weine, sondern mehr oder weniger der Durchschnitt, was alles eingereicht wurde. Wobei an dem Abend unklar blieb, welche Weine das überhaupt waren. Das macht das Jury-Ergebnis nicht gerade nachvollziehbar.

Nicht nur deswegen gerät die Mathaisemarkt-Weinprämierung immer mehr zur Farce: Sie ist mitnichten eine Art Leistungsschau der Bergsträßer Winzer diesseits und jenseits der Landesgrenze, denn es dürfen nur diejenigen Betriebe mitmachen, die "Qualitätswein" produzieren. An diesem amtlichen Prozedere, bei dem der eingereichte Wein eine amtliche Prüfungsnummer erhält, beteiligen sich immer weniger Weinbaubetriebe.

In Schriesheim beispielsweise beteiligt sich außer Andy Kirchner kein Privatwinzer mehr an der quasi-amtlichen Qualitätsweinprüfung – und so sind diese auch von der Mathaisemarkt-Weinprämierung ausgeschlossen. Das gilt dann auch für die Badischen Gebietsweinprämierung, bei der die Winzergenossenschaft erstmals seit Jahren nicht mehr mitmachte – da zu teuer zu wenig Nutzen.

Als Grund, sich nicht mehr den Qualitätsanforderungen des Staatlichen Weinbauinstituts in Freiburg zu stellen, geben die Winzer allerdings weniger die damit verbundenen Kosten an, sondern eher die Auswahlkriterien: So soll beispielsweise der Wein, den die Experten verkosten, sortentypisch schmecken. Aber was ist, wenn der Produzent bewusst eine andere Note reinbringen will oder den Geschmack eher der Spontanvergärung überlässt? Dann hat er fast keine Chance, die amtliche Prüfungsnummer zu erhalten.

Und deswegen machten auch nur acht Betriebe bei der jetzigen Mathaisemarkt-Weinprämierung mit, im letzten Jahr waren es noch neun (da war Georg Bielig noch dabei). Das hatte zur Folge, dass natürlich alle Teilnehmer einen Preis bekamen, bei der Hessischen Bergstraße waren es so wenige, dass mal wieder kein dritter Preis vergeben werden konnte.

Und doch freuten sich die Prämierten über die Auszeichnung, vor allem die Heppenheimer: Charlotte Freiberger zum Beispiel fand es "eine tolle Sache, dass die Landesgrenze keine Mauer mehr ist". Da sei diese Prämierung "ein Anfang", dass man an der ganzen Bergstraße zusammenarbeitet, denn "von der Geografie und der Geologie sind wir ein Gebiet".

Jörg Clauer verteidigte das Prozedere der Jury-Verkostung: So etwas habe man in Schriesheim hinbekommen, aber in seiner Heimatstadt nicht. Er freue sich über den Ehrenpreis für die Badische Bergstraße, "auch wenn er nach Heidelberg und nicht nach Schriesheim geht". Weinkönigin Anna Scheid sah in der Veranstaltung "eine Würdigung unserer Winzer", schließlich sei "der Weinbau das Herz von Schriesheim."

Der Zehntkeller war bei der Mathaisemarkt-Weinprämierung gut besucht. Foto: Kreutzer

Aber, wie gesagt: Die eigentliche Weinprämierung, die keine 20 Minuten dauerte und die auch von wenigen Privatwinzern besucht wurde, war an jenem Mittwochabend nur Beiwerk. Es ging um einen geselligen Abend mit viel Gesang: Die Eintracht-Jugendvolkstänzer traten mit drei Reigen auf (davon einer zwischen den Sitzreihen), jeder Chor durfte zwei Stücke singen: Bei der Lyra und dem Liederkranz ging es vor allem um den Wein, der gemischte Liederkranz-Chor besang poppig "Eight Days a Week". Und die Eintracht sorgte mit dem "Beach-Boys"-Klassiker "Barbara Ann" für den Ohrwurm des Abends.



Die Preisträger

Von der Hessischen Bergstraße erhielten Charlotte Freiberger (3.v.r, 1. Platz) und Thomas Schmitt von den Bergsträßer Winzern (2.v.r.), jeweils aus Heppenheim einen Preis.

Badische Bergstraße

> Ehrenpreis: Weingut Clauer, Heidelberg,

> 1. Platz: Winzer von Baden, Wiesloch,

> 2. Platz: Weingut Raffl, Weinheim-Hohensachsen,

> 3. Platz: Weingut Andy Kirchner, Schriesheim / Winzergenossenschaft Schriesheim.

Hessische Bergstraße

> Ehrenpreis: Bergsträßer Winzer, Heppenheim,

> 1. Platz: Weingut Freiberger, Heppenheim,

> 2. Platz: Weingut Amthor, Heppenheim.

Sonderpreis

Einen Sonderpreis erhielt die Weinbau-AG der Kurpfalz-Realschule. Diese wird betreut von den Lehrern Katharina Scharmann und Peter Schmitt. Fotos: Kreutzer

Weinbau-AG der Kurpfalz-Realschule.

Eine Jury hatte im Februar nicht-öffentlich etwa 80 unterschiedliche Qualitätsweine von acht Erzeugern verkostet. Weder die Namen der Juroren noch die Weine wurden bekannt gegeben. 

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.