Leimen

Aufnahmeverbot für Pflegeheim schon vor RTL-"Team Wallraff"-Bericht

Die Heimaufsicht hatte das Fontiva-Haus schon vor dem TV-Bericht im Visier. Seit 2020 gab es 49 Beschwerden.

10.11.2023 UPDATE: 10.11.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden
„Überdurchschnittlich viele“ Beschwerden gibt es über das „Haus am Leimbach“. Foto: Lahm

Von Lukas Werthenbach

Leimen. "RTL-"Team Wallraff" schlich sich in Pflegeheim und erhebt harte Vorwürfe" titelte die RNZ am Mittwoch, nachdem der Fernsehsender RTL angegeben hatte, "teils bedenkliche Zustände" im "Haus am Leimbach" aufgedeckt zu haben. Der Rechtsanwalt des Pflegeheim-Trägers Fontiva kritisierte auf Anfrage unserer Redaktion das Vorgehen des "Team Wallraff" und verwies auf die guten Ergebnisse einer "externen Qualitätsprüfung" im betreffenden Pflegeheim.

Doch nun erfuhr die RNZ vom Landratsamt: Die Heimaufsicht des Rhein-Neckar-Kreises hatte aufgrund zahlreicher Beschwerden über die Einrichtung bereits vor Ausstrahlung der TV-Sendung ein Aufnahmeverbot ausgesprochen.

"Zu wenig Personal, Vernachlässigung, Hygienemängel" gehören zu den Vorwürfen, die der Fernsehsender gegen das Leimener Fontiva-Heim erhebt, nachdem wie berichtet ein Reporter des "Team Wallraff" getarnt als Mitarbeiter in der Einrichtung versteckte Filmaufnahmen gemacht hatte.

Die RNZ fragte daraufhin beim Landratsamt nach, wo auch die Heimaufsicht angesiedelt ist. Behördensprecher Ralph Adameit erklärte, dass seit der Eröffnung im Jahr 2020 insgesamt 49 Beschwerden über das "Haus am Leimbach" eingingen. So waren es 2022 allein 17 Beschwerden und in diesem Jahr bisher 13. Dabei wird angemerkt, "dass viele Beschwerden von denselben Personen mehrfach geschickt wurden".

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Genannt werden laut Adameit insbesondere "Mängel in der Pflege, Mängel bei der Personalbesetzung, Verpflegung und mangelnde Hygiene". Er ordnet ein: "Es handelt sich um überdurchschnittlich viele Beschwerden im Vergleich mit den anderen Einrichtungen in vergleichbarer Größe im Rhein-Neckar-Kreis."

Und was bedeutet das für das "Haus am Leimbach"? "Unsere Heimaufsicht hat die eingegangenen Beschwerden überprüft", sagt der Landratsamtssprecher: "Sofern diese sich bestätigt hatten beziehungsweise verifizieren ließen, wurde die Einrichtung im ersten Schritt nach den gesetzlichen Vorschriften entsprechend beraten."

Nach dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz seien in einem nächsten Schritt "ordnungsrechtliche Maßnahmen ergriffen" worden: "Konkret wurde für die Einrichtung noch vor der Ausstrahlung der Sendung ,Team Wallraff’ ein Aufnahmeverbot ausgesprochen", so Adameit. Die zuständigen Stellen – Heimaufsicht und Gesundheitsamt – "stehen derzeit im Austausch über weitere Schritte".

Dazu fragte die RNZ erneut bei Rechtsanwalt Dr. Hans-Peter Ensenbach nach, der mit seiner in Norddeutschland ansässigen Kanzlei nach eigenen Angaben "eine dreistellige Zahl an Pflegeeinrichtungen" im ganzen Land vertritt. "Oft liegt der Grund auch einfach darin, dass Heimaufsichten mit anonym aufgestellten und im Ergebnis nicht verwertbaren Behauptungen konfrontiert werden, ohne dass der sachliche Gehalt vernünftig prüfbar oder gar zutreffend ist", sagt er zu den Beschwerden über das Leimener Haus bei der Behörde: "Auch Bewertungen örtlicher Heimaufsichten sind nicht immer richtig."

Zu dem "Begehungsbericht" der Heimaufsicht im konkreten Fall wolle man noch Stellung nehmen. "Natürlich" würden auf diesem Weg gemeldete Mängel jeweils geprüft. "Dem Träger liegt daran, hier eine verlässliche und qualitativ gute Wohnform im Alter anzubieten", betont Ensenbach. Er erklärt zudem, dass just an diesem Donnerstag die Geschäftsleitung des Potsdamer Trägers Fontiva das "Haus am Leimbach" besucht habe. Auch berichtet er, dass es zum 1. Oktober einen "Personalwechsel in der Einrichtungsleitung" gegeben habe.

Der RTL-Reporter hatte sich laut Ensenbach genau um diesen Termin herum – vom 28. bis 30. September und vom 6. bis zum 8. Oktober – in der Einrichtung aufgehalten.

Der Jurist erklärte nun auch, dass Fontiva inzwischen den Fall eines Bewohners aufgeklärt habe, der laut RTL "weggelaufen" sein soll: Fontiva zufolge leide der Mann an Demenz und habe sich auf einem 500 Meter entfernten Reiterhof aufgehalten. Die Strecke sei "ohne größeren Verkehr und von der Ergotherapie und Betreuung eingeübt", heißt es dazu.

Daher weise der Bewohner eine "Hinlauftendenz" auf und nutze "eingeübte Wege", um "über den bewussten Bezug zu Tieren kognitiv und hinsichtlich Orientierung gefördert" zu werden. Auf dem Reiterhof wisse man darüber Bescheid und sei auch bereit, einzelne Bewohner zurück zur Einrichtung zu begleiten. Im konkreten Fall habe ein Mitarbeiter des Heims den Bewohner "gezielt" abgeholt.

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