Auf Streife mit der Corona-Polizei
Die Regelungen ändern sich gefühlt stündlich - Das macht es nicht nur für die Mitarbeiter des Ordnungsamtes schwer

Von Karin Katzenberger-Ruf
Leimen. "Macht ihr dicht?", fragt ein Passant den Besitzer der Pizzeria Ramazotti. Piedro Bandano nickt. Gerade hat er von Marian Weritz, Abteilungsleiter des Ordnungs- und Sozialamts, erfahren, dass die Gaststätten in Leimen vom gestrigen Donnerstag an ganz geschlossen bleiben müssen. Erlaubt sind dann nur noch Hol- und Bringdienste. Doch darauf ist der Gastwirt nicht eingerichtet, auch weil er dazu einen Kühlwagen bräuchte. Die Terrasse vor dem Restaurant liegt in schönstem Sonnenschein. Kaum vorstellbar, dass sich hier mindestens bis 19. April kein Gast mehr niederlassen darf.

Weil durch die Corona-Regelungen alles so anders geworden ist, ist Weritz gestern Vormittag beim "Kontrollgang" durch die Stadt auch dabei. Ansonsten hätte er die beiden Ordnungshüter, mit denen er unterwegs ist, alleine auf Tour geschickt. Bei dem Rundgang soll zunächst nur danach geschaut werden, ob sich die Geschäftsleute an die neuen Regeln halten. Das Problem: Es kann sozusagen stündlich neue Regelungen geben. Das hat Amtsleiter Frank Kucs schon beim kurzen Treffen im Rathaus angekündigt.
Und so kommt es auch: Die Nachricht, die Weritz der Inhaberin des Cafés Lido, Aleriye Bolu, überbringt, ist kurze Zeit später schon wieder überholt. Demnach sollte der Verkauf von Speiseeis über den Tresen zunächst weiterhin erlaubt sein. Die Verwaltung hat anders entschieden.
Die Boutique und das Tattoo-Studio in der Kurpfalz-Centrum haben zu. Ein Optiker bietet als "Handwerker im Gesundheitsamt" wegen der Corona-Epidemie nur noch einen Notdienst an. Cetrez Feinkost darf als Lebensmittelgeschäft seine Waren weiterhin verkaufen. Das Personal winkt freundlich in die Kamera, auch wenn bis gegen 10.30 Uhr kaum Kundschaft gekommen ist.
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Ähnlich sieht es auf dem Georgiplatz aus. Dort überwacht Ralph Götzmann das Markttreiben. Der Wochenmarkt der Großen Kreisstadt soll bis auf Weiteres erhalten bleiben. Doch auch hier gelten verschärfte Regeln: In diesem Fall geht es um den "Mindestabstand" zwischen den Menschen. Einige Schilder weisen darauf hin, dass dieser 1,50 Meter betragen sollte. Das halten die Leute, die hier zum Einkaufen unterwegs sind, auch weitgehend ein. "Ich stand gestern im Supermarkt an der Kasse in der Warteschlange und hab mich absolut unwohl gefühlt", sagt eine junge Frau. Ob bei den Fleisch- und Wurstwaren, dem Käsestand oder an dem mit Obst und Gemüse: Auf dem Georgimarkt wirkt alles sehr aufgelockert, was wiederum für ein eher mäßiges Geschäft spricht.

Rudi Sitzler, Obst-, Gemüse- und Blumenhändler aus Sinsheim, hat zuvor ganz andere Erfahrungen gemacht. Zum einen auf dem Großmarkt: Da war das Gedränge ziemlich groß. Auch tags zuvor auf dem Wochenmarkt in Meckesheim: "Dort war ein Riesenandrang, am Ende war ich ausverkauft", sagt er. Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln seien besonders gefragt gewesen. Die seien säckeweise weggegangen, was sonst nur selten der Fall sei. Dafür, dass die Leute Hamsterkäufe machen, hat der Händler durchaus Verständnis. "Was ist denn, wenn die LKW auf den Autobahnen nicht mehr durchkommen?", meint er. "Dann könnten Lebensmittel wirklich knapp werden."
Was dagegen in Zeiten wie diesen niemanden zu interessieren scheint: Blumen. Laut Sitzler, der mit Obst und Gemüse zumindest noch ein zweites Standbein hat, sehen die Blumenhändler schon das Ostergeschäft wegbrechen.
Die Gespräche an den Verkaufsständen drehen sich im Grunde nur um ein Thema. Corona ist einfach überall. Hin und wieder wird über den Mindestabstand gewitzelt, aber auch das klingt eher nach Galgenhumor. "Man fühlt sich wie im falschen Film, ist plötzlich live bei etwas dabei, was noch so weit weg schien", sagt auch die Inhaberin des Café Lido im Gespräch mit Marian Weritz. Zu dem Zeitpunkt weiß sie nicht einmal, dass sie an dem Tag zum vorerst letzten Mal Eis verkaufen wird. "Wir öffnen nur noch samstags und sonntags" lässt das Café am Georgi-Markt seine Gäste auf einem Zettel an der Tür wissen. Auch dieser Vorsatz wird sich nicht mehr realisieren lassen. Es geht um Existenzen.

Ebenfalls schlimm: die Sperrung des Menzerparks. Beim Rundgang am Vormittag treffen die Kontrolleure nur eine Frau auf einer Bank sitzend an. Sie folgt der freundlichen Anweisung, den Park zu verlassen, widerspruchslos. Auch Spielplätze sollen an dem Tag noch kontrolliert werden. Schließlich gilt auch dort: betreten verboten. Außerdem wollen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes am Nachmittag noch in allen Gaststätten der Stadt, also auch in Gauangelloch, vorbeischauen, um die schlechten Nachrichten zumindest persönlich zu überbringen.