Wenn für die Pilzwanderung die Pilze fehlen
Es war einfach zu trocken - Für Wachstum fehlt Feuchtigkeit - Folge des Klimawandels

Ein Bild aus vergangenen Tagen: Von vollen Pilzkörben können Sammler nach diesem langen, trockenen Sommer nur träumen. Foto: Pleul
Von Nicolas Lewe
Meckesheim. Eigentlich wäre Peter Reiter in diesen Tagen mit Besuchergruppen im Wald unterwegs, um ihnen die lokale Pilzwelt näherzubringen. Eigentlich. Denn für so eine schöne Pilzwanderung fehlt in diesem Jahr vor allem eines: Pilze. Im Gespräch mit der RNZ erklärt der Natur- und Heimatkundler, dass es in diesem Sommer einfach zu trocken war. Und auch Mitte Oktober biete der Boden noch immer nicht die Bedingungen, welche die Pilze brauchen, um zu gedeihen.
"Die Leute wollen Speise- und auch Giftpilze sehen, sonst ist es keine gute Wanderung", weiß Reiter, der seit 22 Jahren botanische Exkursionen sowie Kräuter- und Pilzwanderungen rund um seine Heimatgemeinde Meckesheim anbietet. In die Bredouille, Touren in dieser Jahreszeit aus einem solchen Grund absagen zu müssen, sei er bislang nicht gekommen.
Doch der Klimawandel macht auch vor der Region rund um Heidelberg nicht halt: "Im Wald ist es rascheltrocken", so der 54-Jährige. Einzig auf einigen Wiesen und Waldflächen in der Nähe von Bächen gebe es Stellen, an denen die Sammler mit etwas Glück auf Pilze stoßen könnten.

Pilzexperte Peter Reiter. Foto: privat
Wie es in Zukunft aussieht, kann Reiter nur vermuten. "Wenn das Klima sich weiter wandelt, kann es sein, dass wir bald norditalienische Verhältnisse haben." Das würde bedeuten, dass er künftig seine Pilzwanderungen erst im November und sogar noch in den Dezember hinein bis Heiligabend anbieten könne. Und: Es sei damit zu rechnen, dass dann mediterrane, gebietsfremde Pilzarten als sogenannte Neomyceten auftauchen. Der aufmerksame Naturbeobachter Reiter sieht eine mögliche Analogie zur Insektenwelt, in der inzwischen etwa die Asiatische Tigermücke in der Region heimisch geworden ist.
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Was der Klimawandel für die hiesige Pilzwelt bedeutet, erklärt Reiter wie folgt: "Der Pilz besteht aus einer Vielzahl mikroskopisch kleiner, unsichtbarer Zellfäden, die durch ein Substrat wachsen." Zur Vermehrung bilde der Pilz Fruchtkörper aus, die den für Sammler sichtbaren Teil der Vegetation darstellen. Reiter: "Um die Fruchtkörper zu bilden, muss der Pilz kräftig wachsen und Nährstoffe aufnehmen."
Dies geschehe durch Verdauungsenzyme, die in die Umgebung abgegeben werden. Das Prinzip dieser sogenannten Osmose: Hochmolekulares organisches Material, wie zum Beispiel Laub, Holz oder auch tote Tiere wird zu niedermolekularen Verbindungen abgebaut, welche die Pilze dann durch die Zellmembran aufnehmen. Ausreichend Feuchtigkeit sei hierfür die Grundvoraussetzung.
"Alle Pilze sind auf organische Nahrung wie Kohlenhydrate, Proteine und Fette angewiesen", betont Pilzexperte Reiter, und ergänzt: "Das haben sie mit den Tieren und mit uns Menschen gemeinsam." Ohne diese organische Nahrung ist kein Leben möglich, weiß der 54-Jährige. Es gilt: Wo nichts gedeiht, kann nichts geerntet werden. Das ist der Grund dafür, dass die Körbe bei den Pilzsammlern in Meckesheim und der Region rund um Heidelberg derzeit leer bleiben. Um an dieser Situation etwas zu ändern, braucht es vor allem eines: Regen.



