Ladenburg

Zwei Altstadträte gaben "Nachhilfe" für Zugezogene (plus Video)

Hermann Gärtner und Helmut Kinzig erklärten Neubürgern die "Ladenberjer Muddersprooch" und ein bisschen Ortsgeschichte.

03.09.2021 UPDATE: 03.09.2021 20:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden
Helmut Kinzig und Hermann Gärtner (v.l.) bei ihrem Seminar über die „Ladeberjer Muddersproch“. Foto: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg. Wer neu in eine Stadt zieht, muss sich erst mal einfinden. Man muss Ort und Leute kennenlernen und sich am besten auch noch in die Gemeinschaft einbringen. Das Thema Sprache ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Wer die "Einheimischen" versteht, findet sich besser zurecht. Doch was passiert, wenn Dialektsprache gesprochen wird? Wenn sich Einwohner auf Plattdeutsch, Bayrisch oder Sächsisch unterhalten, wird es für Zuhörer oft schwierig.

Auch der Kurpfälzer Dialekt hat seine Eigenheiten, die die "Roigeblaggde", wie Menschen von auswärts in Ladenburg genannt werden, vor Sprachprobleme stellen. Weil in der Römerstadt mit den neuen Wohngebieten Nordstadt, Hockenwiese oder Matzgarten immer mehr "Roigeblaggde" wohnen, wollten die beiden Altstadträte Hermann Gärtner und Helmut Kinzig "Nachhilfeunterricht" geben.

Gärtner wohnt seit zwei Jahren in den Martinshöfen und ist dort einer der wenigen "Ur-Ladenburger". Für interessierte Neubürger hat er schon einige Stadtführungen angeboten, und die wurden angenommen. Dabei hat er gemerkt, dass die Zugezogenen Informationen in der "Ladeberjer Muddersprooch" nicht verstanden. Schnell war eine neue Idee geboren: Er lud die Hausgemeinschaft ein zu einem Seminar zum örtlichen Dialekt. Und wenn es um die "Muddersprooch" geht, dann darf der stadtbekannte Ehrenvorsitzende der Sängereinheit und passionierte Fastnachter Helmut Kinzig natürlich nicht fehlen. Er war gleich mit von der Partie und gab Dialekt-Nachhilfe: So lernten die Neubürger, dass in Ladenburg ein Pferd "Glowe" genannt wird, und ein Hahn ein "Goggel" ist.

Laut dem Ur-Ladenburger Kinzig unterscheide sich der Dialekt bereits merklich, wenn es über die Brücke nach Neckarhausen geht. Und Kinzig stellt klar: "Es gibbd awwer nix Scheeneres wie die Ladeberjer Sprooch." Die Neubürger klärte Kinzig über noch mehr ungeschriebene Gesetze vor Ort auf: "Als Ladeberjer muss ma mindeschdens ämol in die Bach g’falle soi" (hochdeutsch: Als Ladenburger muss man mindestens einmal in den Bach gefallen sein).

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Der passionierte Dialektkenner erläuterte auch, dass der Kandelbach im Dialekt ja "die Bach" ist. Und er bedauerte, dass "die Bach" heute nicht mehr durch die Altstadt fließt. In den 1970er-Jahren wurde der Kandelbach in der Altstadt zugeschüttet. "Der Gschdong (Gestank) des Wassers regte die Ohwohner uff", erklärte Kinzig (hochdeutsch: Der Gestank regte die Anwohner auf). Kinzig bedauerte auch, dass einige historische Gebäude nicht erhalten werden konnten. Die "Wooghall" (Waaghalle in der Neuen Anlage), die "Raudedaaler Miel" (Rautenthaler Mühle) oder das "Denkmal on da Lind" (Kriegerdenkmal am Linden-Platz) wurden leider abgerissen. "Un do, wo ma jetzd hogge, also om Lumbebuggel, stand domools die Dreschhall vum Pirm", klärte Kinzig auf. Das soll nichts anderes heißen, als dass dort, wo jetzt die Martinshöfe stehen, bis in die 1950er-Jahre eine Dreschhalle stand, in der die Bauern ihr Getreide dreschen ließen. Die Halle betrieb Pirmin Müller. Im Volksmund hieß der Hügel "Lumbebuggel", weil neben der Dreschhalle ein Lager war, in dem alte Kleidung – also "Lumpen" – abgegeben werden konnte.

Ein interessantes Kapitel des kleinen Seminars war auch der Einblick in die "Ladeberjer Uznome". Weil es in der Stadt zahlreiche Familien gab, die zum Beispiel den Namen Müller trugen, brauchten die Ladenburger Möglichkeiten, die Leute trotzdem zu unterscheiden. Und so gab es den "Schmoller-Müller", den "Bach-Müller" oder den besagten "Müllers-Pirm". Bei der Auswahl ihrer Uz-Namen konnten die Ladenburger aber auch recht derb sein, berichtete Gärtner. Sein Vater Willy Gärtner hatte eine lange Liste mit den damals üblichen Uz-Namen hinterlassen. Auch der örtliche Heimatbund beschäftigte sich mit dem Thema. Letztendlich gab es aber keinen Artikel des Heimatbunds über die Uz-Namen. Denn manche Nachkommen ärgern sich noch heute darüber, wie ihre Vorfahren genannt worden sind.

Die Veranstaltung von Gärtner und Kinzig kam gut an. Aber eine Neubürgerin merkte schmunzelnd an: "Zum Glück sprechen die meisten Geschäftsinhaber hochdeutsch, so können wir Neubürger auch ohne Probleme einkaufen."

Das zum Abschluss von Gärtner vorgetragene Gedicht des Ladenburger Heimatdichters Heinrich Fetzer verstanden die Neubürger wohl nur in Teilen. Und auch der alte Witz von Kinzig "iwwers Roodhaus" (hochdeutsch: über das Rathaus) musste im Anschluss übersetzt werden:

"Drei Viescher (Tiere), nämlich eine Gaas (Ziege), eine Kuh und eine Sau, sollen im Roodhaus (Rathaus) arbeiten und werden zum Probeschaffen eingeladen. Die Gaas lehnt die Stelle nach fünf Minuten ab weil ’do drin nur gemeggert wädd’. Die Kuh verlässt ebenfalls fluchtartig das Rathaus ’weil ma im Roodhaus nur gemolge (gemolken) wädd’. Die Sau kommt nicht mehr heraus. Sie tritt die Stelle an mit der Begründung: ’So in scheener Saustall hawisch noch nie erlebt.’ (So einen schönen Saustall habe ich noch nie erlebt)." Ob der Witz heute noch aktuell ist, das ließ Kinzig offen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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