Ladenburg

Iranerin "Nilo" ist die freundliche Gastwirtin im Eiscafé Forum

Die "Hilde aus Persien" ist eine echte "Ladeberjerin" geworden. Sie kann auf ein aufregendes Leben zurückblicken.

09.11.2023 UPDATE: 09.11.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 34 Sekunden
Niloofar „Nilo“ Afschar und Daniele „Dani“ Sarinelli betreiben gemeinsam das Eiscafé Forum. Foto: Sturm

Ladenburg. (stu) Die Ladenburger lassen sich manchmal recht lustige Varianten einfallen, damit ein ungewöhnlicher Name im Gedächtnis bleibt. Weil der Name der gebürtigen Iranerin Niloofar Afschar nicht jedem Kurpfälzer leicht über die Lippen geht, wird die freundliche Gastwirtin des Eiscafés "Forum" von ihren Gästen nur "Nilo" genannt.

"Manche nennen mich auch Hilde, denn ich habe einige typisch deutsche Eigenschaften wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit oder Korrektheit an mir", sagt die 61-Jährige lachend, die sich längst als "Ladeberjerin" fühlt. Die Stadt am Neckar sei ihre Heimat, und wenn sie mal 14 Tage nicht im Lande sei, vermisse sie die Gespräche mit den Gästen, das Läuten der benachbarten Kirchtürme und die Altstadt, die ihr so ans Herz gewachsen ist.

Als Afschar in Teheran das Licht der Welt erblickte, wurde sie nach wenigen Wochen in eine Pflegefamilie gegeben. An ihre mittlerweile verstorbene Pflegemutter hat sie gute Erinnerungen. Sie habe ein sicheres Zuhause gehabt, sei in geordneten Verhältnissen aufgewachsen. Ihr Pflegevater war Polizist und hatte ein gutes Einkommen, sodass sie in dem Land, in dem damals Schah Pahlavi regierte, ein gutes Leben führen konnte.

Ihr Stiefbruder besuchte sogar ein Internat in Österreich und auch "Nilo" erhielt mit zehn Jahren die Möglichkeit, das Land zu verlassen, um in der Steiermark zur Schule zu gehen. In Graz lernte die sprachbegabte Schülerin schnell Deutsch, konnte sich bald perfekt auf Englisch unterhalten und schloss eine Ausbildung an einer Sekretärinnen-Schule ab. Weil ihre Pflegemutter erkrankte, ging sie mit 16 für zwei Jahre in den Iran zurück.

In dieser Zeit lernte die junge Frau in Teheran einen deutschen Ingenieur kennen, der in Ladenburg wohnte. Die 18-Jährige heiratete den wesentlich älteren Mann in der Hoffnung, dass man gemeinsam durchs Leben gehen würde, und nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an. Der Traum der jungen Frau zerplatzte aber bald. Sie ließ sich scheiden und stand nun ganz alleine da.

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Ihre Sprachkenntnisse und ihre Sekretärinnen-Ausbildung ermöglichten ihr aber, einen Beruf zu ergreifen, um nun selbst ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Versorgungsansprüche an ihren geschiedenen Mann, der sehr vermögend war, stellte sie keine. Ihr Anwalt meinte damals: "So großzügig kann man doch eigentlich nicht sein." "Ich wollte mein eigenes Leben aufbauen und nichts von meinem geschiedenen Mann haben ", erzählt die Wirtin.

Ihren Plan verwirklichte sie, erhielt eine Festanstellung in einer Heidelberger Anwaltskanzlei. Nach zehn Jahren kündigte sie, um in der Gastronomie zu arbeiten. "Ich wollte mehr Kontakt zu Menschen haben und habe mich auf eine Stelle in einer Mannheimer Hotel-Rezeption beworben", erzählt sie. Ihre Sprachgewandtheit half sehr, denn neben Farsi spricht sie perfekt Deutsch und Englisch.

Als vierte Sprache kam bald Italienisch hinzu, denn sie lernte 1986 in Ladenburg ihren heutigen Lebenspartner Daniele Sarinelli kennen, der "Dani" gerufen wird. "Dani" übernahm das ehemalige "Wiener Caféhaus" von Heidi Breuer, um es zu verändern. Aus dem "Wiener Caféhaus" wurde ein italienisches Eiscafé, in dem auch Afschar mitarbeiten wollte.

Ihr Partner "Dani" steht auch heute noch täglich in der Küche, um die über 20 Eissorten zu produzieren. "Wir stellen unser Eis nach guter italienischer Tradition her. Es werden nur Naturprodukte eingesetzt", so Afschar.

Sie selbst ist Service-Chefin. Ihr ist es wichtig, mit den Gästen ins Gespräch zu kommen und zuzuhören, auch wenn es mal um private Dinge geht. "Zu vielen Gästen habe ich ein besonderes Verhältnis, wir sind sehr vertraut", sagt Afschar, glücklich über das familiäre Verhältnis zu ihren Kunden.

Sie wirkt nachdenklich, als sie vom Verlust ihres "liebsten Gastes" spricht, der erst kürzlich verstorben ist. Gertrud Elbe, die die Benz-Fabrik geführt hat und die mit dem Benz-Ur-Enkel Dieter Elbe verheiratet war, schätzte sie sehr. Es rollen Tränen, als sie von "Gertrud" erzählt, die ihr eine wichtige Bezugsperson war.

Wichtig ist ihr auch ein gutes Verhältnis zur Nachbarschaft. Mit den Gastronomen der "Zwiwwel" tauscht sie sich aus und freut sich, wenn der evangelische Pfarrer David Reichert vorbeikommt, um hier seinen Kaffee zu trinken. "Ich nehme jeden Tag, wie er kommt – und natürlich bin ich Gott dankbar, wenn ich morgens gesund aufstehen darf", erzählt Afschar. Die Katholikin schöpft viel Kraft aus ihrem Glauben, und wenn in Ladenburg am Fronleichnamstag die Prozession durch die Altstadtgassen zieht, ist das Eiscafé mit Blumen und einer Madonna geschmückt.

Einschätzungen über die Situation im Iran will die Ladenburgerin nicht äußern. Da sie regelmäßig ihre Verwandten in Teheran besucht, will sie bei der Einreise keinen Ärger bekommen. Zur Kommunalpolitik hat die gebildete Frau allerdings schon eine Meinung. Sie schimpft, wenn rücksichtslose Autofahrer durch die Kirchenstraße rasen, sie begrüßt, dass der Wochenmarkt die Altstadt belebt, und sie ist froh, dass alle Geschäfte vergeben sind, denn nichts sei "schlimmer als ein leer stehender Laden".

Für die CDU stand Afschar bei der vorletzten Kommunalwahl auf der Wahlliste. "Die Christdemokraten haben mich nur überredet, um den Frauenanteil ihrer Liste zu erhöhen", sagt "Nilo" lachend, die fast 1000 Stimmen holte.

"Reichtümer" seien mit dem Café keine zu holen, aber es reiche zum Leben, erzählt die Gastronomin. Sie genieße die Freiheit der Selbstständigkeit: "Ich bin wie ein Vogel, der die Freiheit braucht." Gern würde sie mehr reisen, denn Deutschland habe "so viele schöne Ecken", die sie noch nicht gesehen habe. "Ich liebe die Berge, Seen und Wälder in Bayern. Ich würde gern einen Hauptstadttrip machen – das ist mein größter Wunsch", meint "Hilde", die findet, dass "jede Deutsche einmal in Berlin gewesen sein sollte".

An das Rentenalter denkt die fleißige Gastwirtin nicht. "So lange mir die Arbeit Freude bereitet, machen wir weiter. Ich hoffe natürlich, dass mein Partner gesund bleibt – dann wird das Forum noch eine Weile bestehen." Ihre Ladenburger Mitbürger werden es gern hören.

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