"Keiner traut sich mehr wohin"

Leimener Reisebus-Firma erwartet wegen Corona hohe Umsatzeinbußen

Stornierungen sind kostenlos – Reisebüros werden mit Absagewelle konfrontiert

11.03.2020 UPDATE: 12.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden
Im Fuhrpark des Transportunternehmens „Fahr mit“ Hoffmann Reisen in St. Ilgen bleiben derzeit Busse stehen, die ansonsten etwa in Österreich oder Italien unterwegs wären. Foto: Alex

Von Nicolas Lewe und Christoph Moll

Leimen/Neckargemünd. Normalerweise ist das Frühjahr für Reisebüros und Reisebusunternehmen eine erfreuliche Zeit. Das Ostergeschäft steht vor der Tür und Reiselustige kommen, um ihren Sommerurlaub unter Dach und Fach zu bringen. Doch das Coronavirus macht ihnen in diesem Jahr einen dicken Strich durch die Rechnung. "Es ist katastrophal", sagt Iris Sittler, die beim Busunternehmen "Fahr mit" Hoffmann Reisen in Leimen angestellt ist. "Wir bekommen eine Stornierung nach der anderen, keiner traut sich mehr wohin." Derzeit rechne das Unternehmen mit einem Umsatzverlust von über 50 Prozent. Vorausgesetzt, dass sich das Reisegeschäft nach Ostern langsam wieder erholt. Ansonsten könnten die Umsatzeinbußen auch noch höher ausfallen.

Hoffmann hat in der Region 45 Mitarbeiter im Einsatz. 20 der insgesamt 29 Busse des 1928 gegründeten Unternehmens sind für den Reiseverkehr ausgerichtet, zudem sind neun Fahrzeuge als Linienbusse unter anderem in Schwetzingen, Ketsch und Mannheim unterwegs. 1992 zog Hoffmann Reisen aus Expansionsgründen vom ursprünglichen Firmensitz in Waldangelloch im Kraichgau in den Leimener Stadtteil St. Ilgen um. Von hier aus wird etwa auch der Schülertransport im Auftrag des Löwenrot-Gymnasiums in St. Leon-Rot koordiniert.

Während es im letztgenannten Bereich ebenso wie im Linienverkehr aktuell noch keine spürbaren Einbußen gebe, sei der rapide Rückgang an Klassenfahrten etwas, womit sich das Busunternehmen ganz konkret auseinanderzusetzen habe. Sittler hofft aktuell noch darauf, dass die Schulen solche Fahrten nur ins Spätjahr verschieben. Und nicht komplett abblasen, wie das bei Firmen der Fall sei, welche die Busse für gewöhnlich gerne für Fahrten der Teilnehmer zu Konferenzen buchen. Die Angestellte zeigt sich skeptisch, dass es hier Nachholtermine geben wird.

"Die Leute haben Angst", meint Sittler angesichts der wegen des Coronavirus stark eingeschränkten Reiselust. Gerade Senioren, die ansonsten zur Zielgruppe von Tagesfahrten in der Umgebung sowie Mehrtagesreisen ins nahe Ausland zählen, würden in der aktuellen Situation lieber daheim bleiben. "Wir können es nicht ändern und haben dafür natürlich Verständnis", betont Sittler und weist auf ein der Lage angepasstes besonderes Entgegenkommen hin: "Stornierungen sind kostenfrei." Generell werde das Thema Hygiene aber in Hoffmann-Bussen auch in Nicht-Corona-Zeiten groß geschrieben. Sittler erklärt, dass die Busse regelmäßig mit sogenannten "Desinfektionsbomben" gereinigt werden. Hierbei handele es sich um eine Kartusche, die im Bus platziert wird und nach ihrer "Explosion" bis zu zwei Stunden einwirkt. Danach seien alle Keime definitiv abgetötet.

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Auch die Reisebüros in der Region rund um Heidelberg bekommen die Auswirkungen des Coronavirus zu spüren. "Die Kunden reagieren sehr abwartend", berichtet Leopold Lindenau vom Reisebüro Bauder in Neckargemünd. "Keiner will derzeit nach Italien reisen, wenn er nicht unbedingt muss." Bei Lindenau häufen sich aktuell die Hinweise und Absagen der Reiseveranstalter zu einem fünf Zentimeter hohen Papierstapel, wie er erzählt. Er selbst hatte bisher zwei Stornierungen für eine 14-tägige Mittelmeer-Kreuzfahrt zu verkraften, welche die Kunden nicht antreten wollten. "Das kann ich nachvollziehen und völlig verstehen", meint der Inhaber des Reisebüros.

Der Veranstalter habe aus Kulanz das Geld für die schon bezahlte Reise rückerstattet. Das Reisebüro allerdings geht in solchen Fällen – trotz des Aufwandes – leer aus. Er wisse von Kollegen in anderen Büros, die schon deutlich mehr Stornierungen annehmen mussten. "Die Kunden sind verunsichert", sagt Lindenau. "Bei uns sind sie aber noch relativ gelassen." Der Reisefachmann befürchtet, dass die Auswirkungen durch abgesagte Großveranstaltungen und Messen noch viel größer werden. Ein Patentrezept für die Branche gebe es derzeit nicht. "Wir haben gerade so die Thomas-Cook-Pleite verdaut und jetzt kommt schon die nächste Krise."

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