Hirschberger Haushalt 2021

Reden drehten sich um die Erweiterung

Gemeinderat verabschiedete bei einer Gegenstimme den Haushalt 2021 - Fraktionen gingen teils hart miteinander ins Gericht

24.02.2021 UPDATE: 25.02.2021 06:00 Uhr 5 Minuten, 53 Sekunden
Rund 4,4 Millionen Euro nimmt die Gemeinde 2021 für den Neubau des evangelischen Kindergartens in der Fenchelstraße in die Hand. Foto: Dorn

Von Annette Steininger und Katharina Schröder

Hirschberg. Der Haushalt 2021 ist verabschiedet. Die Gemeinderäte stimmten am Dienstag bei einer Gegenstimme von Jürgen Steinle (GLH) zu. Er lehne den Haushaltsplan und die mittelfristige Finanzplanung ab. Dass beim evangelischen Kindergarten und, wie er befürchte, auch bei der Sanierung der Turnhallen nicht auf ausreichend energetische Nachhaltigkeit geachtet werde, könne er nicht mittragen, nannte er unter anderem als Grund.

Die Haushaltsreden hatten es in sich, denn FW, CDU und FDP attackierten GLH und SPD – und umgekehrt. Im Zentrum der Kritik standen die unterschiedlichen Positionen zur Gewerbegebietserweiterung. Auch die Haushaltsanträge nahmen die Gemeinderäte noch mal kritisch unter die Lupe, da ging es um "Schaufensteranträge" und "Kosmetik".

Doch bevor es emotional wurde, stellte Kämmerin Claudia Keil den Haushalt 2021 vor und ging dabei auch auf die wegen der Corona-Pandemie schwierige Situation ein. Aufgrund der aktuellen Krisensituation habe das Innenministerium Baden-Württemberg den Kommunen und ihren Rechtsaufsichtsbehörden für die Haushaltskampagnen 2021 und 2022 gewisse Handlungsspielräume aufgezeigt. So werde empfohlen, bei der Beurteilung und Auslegung der Kriterien wie "ausreichende Liquidität" oder "Verschuldung" einen großzügigen Maßstab anzulegen und Augenmaß walten zu lassen. "Dies sollte jedoch nicht dauerhaft der Anspruch der Gemeinde Hirschberg sein", meinte Keil. In diesem Jahr erreicht die Kommune mit einem Minus von rund 797.000 Euro keinen Haushaltsausgleich beim ordentlichen Ergebnis. "Dies kehrt sich in den Folgejahren glücklicherweise wieder in positive Ergebnisse um, die mit 1,875 Millionen in 2023 und 1,460 Millionen in 2024 an die guten Jahre vor 2019 anknüpfen", erläuterte die Kämmerin.

Gleichwohl wies sie aber auch auf die 2021 geplante Kreditaufnahme von vier Millionen Euro hin, in den Folgejahren bis 2024 seien es in Summe nochmals vier Millionen. "Gerade in der aktuell schwierigen Wirtschaftslage tragen die Kommunen jedoch eine enorme Verantwortung als Konjunkturmotor", betonte die Kämmerin. Durch den Neubau des Kindergartens, die Neugestaltung des Spielplatzes Landwehrhagener Platz oder die Sanierung der Sporthallen beziehungsweise den Neubau werde der Erhalt der Infrastruktur auch für nachfolgende Generationen sichergestellt.

Auch interessant
Hirschberg: Gemeinderat verabschiedete Haushalt 2021
Haushalt Hirschberg: Gemeinderat schnallt den Gürtel enger
Leutershausen: Derzeit wird das Gebälk für den Kindergarten-Neubau vorbereitet
Hirschberg: Die Hallensanierungen kommen

Claudia Helmes (GLH) erinnerte daran, dass zwei Jahre mit Haushaltssperren hinter der Gemeinde liegen. "Der Grund: nicht die Pandemie, sondern ganz ,normale’ Gewerbesteuerrückgänge", so Helmes. Die Gewerbesteuer sei schwankend. Es könne keine Lösung sein, "reflexartig immer weitere Gewerbegebiete auszuweisen". Auch Thomas Scholz (SPD) meinte: "Gewerbegebiete sind heute nicht mehr das Mittel zur Schuldenfinanzierung." Auch weil die Einnahmen sehr volatil seien und das Bewusstsein für die Endlichkeit natürlicher Ressourcen gewachsen sei.

Alexander May (FW) hingegen betonte: "Der Haushalt 2021 ist deutlich negativ, und jeder Euro an zusätzlichen Einnahmen reduziert das Defizit." Wer auf zusätzliche Einnahmen verzichte, müsse dauerhaft bei freiwilligen Aufgaben sparen. SPD und GLH warf er vor, keine Konzepte zur Haushaltsanierung zu haben. "Sie fordern eine Flatrate des Wohlfühlens. Sie vertreten Mythen. Sie waren für fünf Hektar und sind nun gegen zehn." Thomas Götz (CDU) warf Grünen und Sozialdemokraten vor, die Erträge aus der Erweiterung des Gewerbeparks so lange herunterzurechnen, bis praktisch nichts mehr übrig bleibe. Viele Kommunen, die in den letzten Jahren Gewerbefläche entwickelt haben, hätten dann wohl alles falsch gemacht, merkte Götz ironisch an.

Wenn man das strukturelle Defizit im Ergebnishaushalt nachhaltig verringern möchte, dann seien 250.000 Euro, die man durch die Gewerbeparkerweiterung erwarten könne, ein großer Schritt, den man für den Haushalt und für die kommenden Generationen gehen könne, fand Oliver Reisig (FDP). 


Das sagen die Fraktionen zum Haushalt:

> GLH: Defizite bei Klimaschutz

"Maßvoll, machbar, geboten und vernünftig, ökologisch und zukunftsweisend sowie sozial – so haben wir im Nachtragshaushalt 2020 die Kriterien für zukünftige Maßnahmen definiert", erinnerte Claudia Helmes (GLH). Im jetzigen Haushalt sehen die Grünen "erhebliche Defizite bei den Kriterien ökologisch, nachhaltig und zukunftsweisend". Auch das "Maßvolle" vermissen sie an manchen Stellen. Dieser Haushalt hätte durchaus echtes Einsparpotenzial geboten, war Helmes überzeugt: "Wir leisten uns eine Lochblech-Wanddekoration am Kindergarten für rund 70.0000 Euro, es gibt Planansätze für Bebauungspläne unter anderem für ein Neubaugebiet im fünfstelligen Bereich. Und allein 150.000 Euro sind an Planungskosten für die Umgehungsstraße eingeplant." Die "mageren Mehreinnahmen", die sich CDU, FDP und Freie Wähler von einer Erweiterung des Gewerbeparks erhoffen, sieht die GLH nicht als Lösung an.

Für den Haushalt spreche, dass er konservativ und vorsichtig entwickelt sei. Auch "die notwendigen Investitionen" sieht die GLH . Kritisch steht sie dem Sanierungsstau bei gemeindeeigenen Immobilien gegenüber, "den wir immer weiter vor uns her schieben, bis zu den unnötigen Ausgaben wie der Planungsrate für die Umgehungsstraße". Der Klimaschutz werde kaum berücksichtigt. Dieser müsse künftig zwingend bei jeder Maßnahme von Anfang an mitgedacht werden.


> FW: nicht mehr viel einsparbar

Freie Wähler, CDU und FDP hätten sich intensiv bemüht, dass negative Ergebnis des Gesamtergebnishaushaltes zu mindern, betonte Alexander May (FW). Ihre Anträge seien dadurch geprägt gewesen, Ausgaben, die in 2021 nicht zwingend zu tätigen sind, nach 2022 oder noch weiter zu schieben. GLH und SPD hätten indes acht Anträge zur Abstimmung gegeben, "bei denen kein einziger zur Kostenreduzierung hätte beitragen können", kritisierte May.

In Bezug auf die Investitionen in Baumaßnahmen in Höhe von 6,6 Millionen Euro haben – das Volumen werde sich 2022 wiederholen –, merkte May an: "Bei diesen Investitionen handelt es sich um a) Pflichtausgaben (Kanalsanierungen oder die Investition bei den Kindergärten) oder b) sie sind absolut notwendig und unaufschiebbar, beispielsweise bei den Sporthallen." Die Freien Wähler sehen hier aktuell keine großen Einsparmöglichkeiten. Die Privatisierung der Kosten für öffentliche Aufgaben lehnen die Freien Wähler ab, betonten May.

"Dass die Verwaltung und der Gemeinderat als beschließende Organe keine große Freude haben, einen negativen Haushalt zu verabschieden, liegt auf der Hand." Jedoch sei die Notwendigkeit zur Zustimmung alternativlos. "Wenn wir in Hirschberg handlungsfähig und zukunftsfähig bleiben wollen, brauchen wir Entwicklungsfläche. Demnach ist auch für uns die Erweiterung des Gewerbegebietes alternativlos", so May.


> CDU: Einnahmen erhöhen

Das Fazit von Thomas Götz (CDU) zum Ergebnishaushalt: "Wir haben kein Problem mit den Kosten, denn die sind bei einer Kommune in dieser Größenordnung und der Besonderheit zweier Ortsteile angemessen." Dafür hat er festgestellt: "Wir haben ein Problem mit der Einnahmenseite, und diese muss bei einem Defizit von immerhin 800.000 Euro unbedingt nachhaltig gestärkt werden." Dies sei zum einen durch Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer machbar. Denn die Gewerbesteuer sei die einzige Steuer, die eine Kommune direkt beeinflussen kann. "Deshalb brauchen wir unbedingt die Erweiterung des Gewerbeparks", sagte der Christdemokrat.

Zum anderen sei auch die Stärkung der Einkommensteuer zwingend notwendig. "Dies geht aber nur, wenn wir insbesondere jungen Familien Wohnraum anbieten können, der bezahlbar sein muss." Die Gemeinde brauche "dringend ein Neubaugebiet", um Zuzug zu ermöglichen – "aber nicht nur wegen der Einkommensteuer, sondern auch um unsere örtliche Infrastruktur wie Einzelhandel, Kitas, Tagespflege, Kindergärten, Schulen und Vereinen zu erhalten".

Beim Blick in die mittelfristige Finanzplanung von 2022 bis 2024 merkt Thomas Götz an, dass dies das sind alles keine Luxusprojekte seien, sondern "dringende Notwendigkeiten". Und diese könne man langfristig eben nur finanzieren durch Stärkung der Einnahmen.


SPD: Es sieht nicht rosig aus

Angesichts des strukturellen Defizits im Ergebnishaushalt von rund 800.000 Euro fand Thomas Scholz (SPD) mahnende Worte: "Allein das ist bereits bedenklich." Im Hinblick auf den Sanierungsstau für den Erhalt der Infrastruktur, der laut Bürgermeister mehr als 20 Millionen Euro für die nächsten zehn bis 15 Jahre beträgt, meinte Scholz: "Es sieht also nicht rosig aus." Ein "Weiter so!" dürfe es hier nicht geben.

Bei den genannten Summen stelle eine Gewerbegebietserweiterung, die im Mittel der nächsten zehn Jahre pro Jahr gerade einmal 130.000 Euro und damit 0,6 Prozent des Gesamthaushalts abwerfe, nicht die Lösung der Probleme dar, fand Scholz. Er wies auch darauf hin, dass dies seine Meinung sei. SPD-Fraktionskollege Jörg Büßecker ist bekanntlich für die Erweiterung. "Kann man überhaupt darauf verzichten, also so viel einsparen?", fragte der Sozialdemokrat in die Runde. Aus seiner Erfahrung der letzten sieben Jahre sage er "Ja": "Vom Kindergarten bis zum Skulpturengarten, von der Meisengasse bis zum Landwehrhagener Platz gab es genügend Möglichkeiten", fand er.

Nicht zufrieden zeigte sich die SPD mit dem Verlauf der Haushaltsberatungen bezüglich der energetischen Sanierung der Hallen und der Alten Villa. Alle Anträge, die Villa, "ein wichtiges öffentliche Gebäude", zu sanieren, seien in den letzten Jahren abgeblockt. "Doch die Kosten für notwendige Sanierungen werden durch Zuwarten nur höher."


> FDP: Notwendiges im Fokus

Bei den wesentlichen Einnahmen sei sehr vorsichtig kalkuliert und keine Einnahmensteigerungen im Vergleich zu 2020 eingeplant worden, lobte Oliver Reisig (FDP) Kämmerin Claudia Keil. "Ein richtiger Schritt, wie wir finden, da noch keiner absehen kann, wann wir die Krise tatsächlich überwinden werden." Angesichts der hohen Investitionstätigkeit und den daraus resultieren neuen Schulden brach bei der FDP "kein großer Jubel" aus. Aber: "Dies ist angesichts des Neubaus evangelischer Kindergarten und der anderen Pflichtaufgaben der Gemeinde alternativlos." Reisig hob hervor, dass diese Schulden dank des durch die FDP initialisierten finanzwirtschaftlichen Nachhaltigkeitsbeschlusses innerhalb der nächsten 20 Jahre zurückgezahlt würden. "Somit leben wir hier nicht auf Kosten der kommenden Generationen, sondern investieren in die Zukunft."

Mehr als ein paar 100.000 Euro ließen sich sich auf der Ausgabenseite derzeit nicht sinnvoll einsparen, meinte der Liberale. Und für mehr als das absolut Notwendige fehle Hirschberg derzeit der finanzielle Spielraum. Es bedürfe "der vollen Anstrengung" von Gemeinderat und Verwaltung, um auch weiterhin Wünschenswertes von Notwendigem zu trennen. Doch all dies werde definitiv nicht ohne eine Einnahmensteigerung – unter anderem durch die Gewerbeparkserweiterung – und dem Abbau von freiwilligen Leistungen erfolgen können.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.