Heiligkreuzsteinach

Ist das die gefährlichste Strecke der Region?

Auf der Landesstraße L535 bei Heiligkreuzsteinach häufen sich schwere Unfälle - Junge Fahrer betroffen

03.05.2020 UPDATE: 04.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 48 Sekunden
Vier schwere Unfälle haben sich allein in den letzten fünf Wochen auf der L 535 ereignet. Foto: Alex

Von Benjamin Miltner

Heiligkreuzsteinach. Sie gilt als eine der schönsten, aber auch gefährlichsten Strecken in der Region rund um Heidelberg: die Landesstraße L 535 zwischen dem hessischen Abtsteinach und dem badischen Heiligkreuzsteinach lockt vor allem am Wochenende viele Motorrad-, Rennrad und Autofahrer zu einer Ausfahrt im Odenwald an. In den vergangenen Jahren hat es auf dem Abschnitt immer wieder schwere Unfälle gegeben – aber nicht so eine Häufung wie zuletzt. Vier schwere Unfälle, ein Toter, drei Schwer- und zwei Leichtverletzte: Das ist die Schreckensbilanz (siehe auch Hintergrund unten) der vergangenen fünf Wochen. Eine Annäherung.

> Die Strecke: Konkret geht es um den Abschnitt der L 535 zwischen den Einmündungen der Kreisstraße K 4123 nach Hilsenhain und der Kreisstraße (K) 4122 nach Lampenhain. Die Strecke nahe der hessischen Grenze ist etwa 2,2 Kilometer lang. Idyllisch schlängelt sich die Steinach zwischen Straße und Wald über Wiesen ins Tal hinab. "Der Abschnitt wurde uns von der Polizei zum ersten Mal 2017 als Unfallhäufungsstelle gemeldet", meldet Behördensprecherin Silke Hartmann vom zuständigen Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises. Auf der Strecke gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 Kilometer pro Stunde. "Die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit wurde vor dem Hintergrund der Unfälle vorgenommen und in diesem Jahr umgesetzt", betont Hartmann. Leitplanken sind im Bereich des Abzweiges nach Hilsenhain sowie im Bereich einer unfallauffälligen Kurve vorhanden.

Hintergrund

Die Landesstraße L 535 zwischen den Einmündungen der Kreisstraße K 4123 nach Hilsenhain und der Kreisstraße K 4122 nach Lampenhain gilt seit 2017 als sogenannte "Unfallhäufungsstelle". Als solche wird eine Strecke gemeldet, "wenn sich mindestens fünf gleichartige Unfälle in

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Die Landesstraße L 535 zwischen den Einmündungen der Kreisstraße K 4123 nach Hilsenhain und der Kreisstraße K 4122 nach Lampenhain gilt seit 2017 als sogenannte "Unfallhäufungsstelle". Als solche wird eine Strecke gemeldet, "wenn sich mindestens fünf gleichartige Unfälle in einem Jahr oder drei gleichartige Unfälle mit Personenschaden in drei Jahren ereignet haben", erklärt Behördensprecherin Silke Hartmann vom Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises. Zumindest das zweite Kriterium trifft aktuell zu:

20. April 2016: Ein 19-jähriger Motorradfahrer stürzt mehrere Meter den Abhang hinab, zieht sich einen Schlüsselbeinbruch zu und wird per Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen.

21. Oktober 2017: Ein 21-jähriger Biker fährt aufgrund überhöhter Geschwindigkeit am Ende einer Linkskurve etwa 30 Meter eine Böschung hinunter und wird dabei lebensgefährlich verletzt.

13. November 2018: Lebensgefährlich verletzt wird eine 21-Jährige, die mit ihrem Auto in einer scharfen Linkskurve in den Gegenverkehr gerät und mit einem Lkw zusammenstößt.

29. März 2020: Ein 18-Jähriger prallt bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mit einem Daimler an einen Baum, das Auto überschlägt sich und stürzt etwa 20 Meter den Hang hinab. Er verstirbt noch an der Unfallstelle, seine 16-jährige Beifahrerin überlebt schwer verletzt und holt im Ort Hilfe.

12. April 2020: Ein 22-jähriger Motorradfahrer verliert in einer Linkskurve die Kontrolle, stürzt und zieht sich Knochenbrüche am Arm zu.

20. April 2020: Ein 21-jähriger Autofahrer weicht nach eigenen Angaben einem Tier aus, kommt von der Straße ab, rutscht zehn Meter einen Abhang hinunter und verletzt sich dabei leicht.

26. April 2020: Ein 18-jähriger Biker gerät bergaufwärts in einer Rechtskurve in die Gegenfahrbahn und streift einen BMW. Er verletzt sich dabei leicht, seine 18-jährige Mitfahrerin schwer. (bmi)

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>Die Problematik: "Die Strecke hat viele gerade, langgezogene Stellen", beschreibt Heiligkreuzsteinachs Bürgermeisterin Sieglinde Pfahl. "Aber in der Folge gibt es auch viele kleine Kurven – da muss man als Motorradfahrer geübt sein." Es seien wahnsinnig viele Biker unterwegs. Pfahl selbst fährt auf der Strecke "aus Prinzip gemächlich". Ein weiterer Faktor: Wetterumbrüche. Etwa plötzliche Regenschauer. Und durch die Höhenlage gibt es hier auch noch zu Zeiten Schnee und Glätte, zu denen man im Flachland längst auf Sommerreifen umgestellt hat. Handyempfang? Tendiert in fast allen gängigen Netzen gen Null – ein Umstand, der vor allem die Arbeit der Feuerwehr bei Unfällen erschwert, wie Heiligkreuzsteinachs Kommandant Florian Koessler auf RNZ-Nachfrage bestätigt. Die frühere Notrufsäule an der Abzweigung nach Hilsenhain ist mittlerweile abgebaut.

> Das Unfallbild: Im Schnitt ereigneten sich in den vergangenen vier Jahren 3,5 Unfälle pro Jahr, meldet das Landratsamt. In der Regel Alleinunfälle von Motorradfahrern durch Fehler im Fahrverhalten, meist bergab in Richtung Heiligkreuzsteinach. Bei den jüngsten vier Unfällen waren dagegen drei Mal Autos involviert. "Es handelte sich jeweils um individuelle Fehler der Unfallfahrer, die mit nicht angepasst Geschwindigkeit unterwegs waren oder eine Kurve falsch eingeschätzt haben", sagt Polizeisprecher Dieter Klumpp. Auffällig: das extrem junge Alter der Fahrer, von denen keiner älter als 22 Jahre war. "Die Unfallzahl war in den vergangenen Jahren nicht in einem sehr hohen Bereich", betont Hartmann. Auf Grund der meist erheblichen Unfallfolgen seien aber Maßnahmen zur Minderung getroffen worden.

Ein 18-Jähriger verstarb Ende März im auf dem Dach gelandeten Auto. Foto: Friedrich

>Vollzogene Maßnahmen: Die Unfallkommission des Rhein-Neckar-Kreises hat 2017 nach einem Vororttermin starre Kurvenleittafeln durch Leitpfosten mit aufsteckbaren Kurvenleittafeln ersetzt. "Diese sind flexibel und verursachen bei einem Aufprall nach einem Sturz keine oder wesentlich geringere Verletzungen", erklärt Hartmann. Zudem sei in einer "unfallauffälligen Kurve eine Leitplanke mit Unterfahrschutz errichtet" worden. Sie verhindert, dass Biker unter der üblichen Leitplanke die Böschung herunterstürzen. Zudem wurde die Höchstgeschwindigkeit auf der Strecke in diesem Jahr von 100 auf 70 Kilometer pro Stunde herabgesetzt.

> Geplante Maßnahmen: Eine weitere Doppelleitblanke soll noch in diesem Jahr errichtet und die Schutzplanken sollen mit rot-weißer Sicherheitskennzeichnung ausgestattet werden. In den Kurven werden laut Landratsamt zudem durchgezogene Fahrstreifenbegrenzungen markiert. "So wird optisch auf die Gefahrenstellen hingewiesen", betont Hartmann. "Eine Verbesserung ist dringend nötig", betont Bürgermeisterin Sieglinde Pfahl. Oftmals würden junge Leute zu Schaden kommen, das wolle man nicht mehr hinnehmen. Die Rathauschefin setzt sich zudem für mehr Kontrollen und Sanktionen ein. "Die Unfallkommission hat bereits 2018 beschlossen, dass die Polizei verstärkt Präsenz zeigt und bei Auffälligkeiten kontrolliert", sagt Hartmann. Und siehe da: Nach dem letzten schweren Unfall vor gut einer Woche ist die Polizei tatsächlich verstärkt Streife gefahren und hat auch geblitzt.

> Neue Problematik: "An den Wochenenden kann man das Gefühl haben, wir wohnen auf dem Hockenheimring", meldete sich eine Anwohnerin bei der RNZ. Immer wieder würden die gleichen Biker – und verstärkt auch sogenannte Autoposer – auf der L 535 ihre Runden drehen. Ein offenbar neues Phänomen, denn dem Landratsamt seien dort keine Poser bekannt. Dem Rathaus schon: "In letzter Zeit sind vermehrt viele schnelle Autos mit viel Krach auf der Strecke unterwegs", so Bürgermeisterin Pfahl. "Gott sei dank ist noch nichts passiert."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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