Die Turmuhr verstummt in der Nacht
Gemeinderat stimmte für das Pausieren des Glockenschlags an der evangelischen Kirche - Das 11-Uhr-Läuten darf bleiben

Die Glocken der evangelischen Kirche in Gaiberg sollen die Nachtruhe wahren. Foto: A. Dorn
Von Agnieszka Dorn
Gaiberg. Wann und wie sind die evangelischen Kirchenglocken zu hören? Diese Frage stand in der jüngsten Gemeinderatssitzung zur Debatte. Denn Martin Mühleisen (SPD/Aktive Gaiberger) hatte folgenden Antrag gestellt: Zum einen wollte er den nächtlichen Glockenschlag der Turmuhr abschaffen, zum anderen das traditionelle 11-Uhr-Läuten.
Mühleisens Begründung gegen das vormittägliche Läuten: "Das 11-Uhr-Läuten hat keinen religiösen oder sakralen Charakter." Dazu muss man wissen: Religiöses Läuten ist geschützt; wäre also das 11-Uhr-Läuten von der evangelischen Kirchengemeinde als religiös erklärt worden, hätte die Gemeinde keinen Einfluss darauf und der Gemeinderat könnte nicht darüber entscheiden. Das tat die Kirchengemeinde aber nicht (siehe Hintergrundartikel).
Hintergrund
Glockenschlag ist nicht das Gleiche wie Glockenläuten
Nur weil sich Glocken im Kirchturm befinden, sind sie noch lange keine reine Kirchenangelegenheit. "In vielen Kommunen gehören die Kirchturmuhren der politischen Gemeinde", erklärt Johannes Beisel,
Glockenschlag ist nicht das Gleiche wie Glockenläuten
Nur weil sich Glocken im Kirchturm befinden, sind sie noch lange keine reine Kirchenangelegenheit. "In vielen Kommunen gehören die Kirchturmuhren der politischen Gemeinde", erklärt Johannes Beisel, seit 2011 Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinden in Gaiberg und Gauangelloch. Und das sei eben auch in Gaiberg der Fall und daher dürfe die Gemeinde entscheiden, wann die Uhr schlägt.
Die Betonung liegt dabei auf "schlägt". Man muss nämlich unterscheiden zwischen Glockenschlag und Glockengeläut. Die Uhrzeiten werden über einen Glockenschlag bekanntgegeben: Ein Hammer schlägt dabei von außen an die Glocke. In Gaiberg hängen insgesamt drei Glocken im Kirchturm. Zur Viertelstunde schlägt ein Hammer fast zeitgleich die beiden kleinen Glocken an, zur halben Stunde tut er dies zweimal, zur Dreiviertelstunde dreimal, zur vollen Stunde viermal. Bei jeder vollen Stunde schlägt zudem noch ein Hammer die tiefste Glocke an - und zwar so oft, wie es für die Bekanntgabe der Stundenzahl notwendig ist. "Der Glockenschlag kommt zwar von der Kirche, hat aber nichts mit der Kirche zu tun", berichtet Pfarrer Beisel. Dies sei vielmehr ein Service der Gemeinde.
Dass dieser Glockenschlag nun in der Nacht nicht mehr ertönen soll, kann der Pfarrer verstehen: "Das ist schon laut für die Nachbarn", sagt er. "Die kriegen das viel direkter ab als jene, die weiter weg wohnen." Daher habe er schon vor Jahren zu verstehen gegeben, dass er nichts gegen die Abschaffung des nächtlichen Glockenschlags habe.
Etwas anderes ist das Glockenläuten: Vor Gottesdienstbeginn schwingen etwa alle drei Glocken und rufen auf diese Art die Menschen in die Kirche. Der Ton entsteht dabei dadurch, dass der Klöppel innen an den Glockenkörper stößt. "Und das kirchliche Läuten ist juristisch geschützt", weiß der evangelische Pfarrer.
In Gaiberg gibt es nun - wie übrigens in vielen anderen Gemeinden - auch ein 11-Uhr-Läuten. Da stellt sich die Frage: Ist dies nun ein religiöses Läuten oder liegt es in der Hand der Kommune? "Darüber haben wir im Kirchengemeinderat gesprochen", berichtet der Pfarrer. Dabei sei man zu dem Schluss gekommen: "Das ist kein christliches Läuten", so der 60-Jährige. Daher gab die evangelische Kirchengemeinde die Entscheidung über das 11-Uhr-Geläut in die Hände der Kommune.
Anders verhält es sich beim täglichen Läuten um 12 und um 18 Uhr: Auch hier schwingt eine der drei Glocken. Das aber sieht der Pfarrer durchaus als religiös an: "Das ist ein Aufruf zum Gebet." (aham)
Mühleisen erklärte weiter, dass das 11-Uhr-Geläut noch aus der Zeit stamme, als die überwiegend in der Landwirtschaft arbeitende Bevölkerung noch keine eigenen Uhren besaß. Inzwischen aber habe jeder eine Uhr oder ein Handy und die Menschen, die in der Nähe der Kirche wohnen, fühlen sich durch das Läuten gestört, so Mühleisen weiter.
Der Antragsteller wies darauf hin, dass in der Ortsmitte tagsüber Werte von 60 Dezibel eingehalten werden sollten. Der Grenzwert dürfe allerdings kurzzeitig um 30 Dezibel überschritten werden, gab Mühleisen zu. Das Glockengeläut kommt laut Mühleisen auf 88 Dezibel und liegt somit noch knapp im Bereich des Erlaubten.
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Aber nicht nur das 11-Uhr-Läuten der Kirchenglocken wollte Mühleisen abschaffen. Er beantragte weiterhin, den Glockenschlag der Kirchturmuhr zwischen 22 und 7 Uhr abzustellen, der Nachtruhe wegen. Im Sommer sei das für die Anwohner besonders störend und eine Zumutung, weil sie ihre Fenster nicht offen lassen können, so Mühleisen. "Durch den nächtlichen Glockenschlag zu jeder Viertelstunde fühlen sich einige Anwohner im Wohnbereich nahe der Kirche stark belästigt", weiß Mühleisen.
Dieter Sauerzapf (Freie Wähler) war sich nicht sicher, ob man die Glocken tatsächlich noch höre, wenn man in der Nähe der Kirche wohne, oder ob man sich nicht doch mit der Zeit daran gewöhnt habe. Man höre ja auch keine Klagen von denjenigen, die in der Nähe der katholischen Kirche wohnen, so Sauerzapf.
Das sei kein Wunder, entgegnete Bürgermeisterin Petra Müller-Vogel. Denn: Die katholische Kirche hat keine Turmuhr. Und somit auch keinen Glockenschlag. "Jetzt haben Sie mich aber erwischt", entgegnete Sauerzapf, der eigentlich für die Tradition plädierte, das Glockengeläut zu lassen.
Rolf-Dieter Schaetzle (SPD/Aktive Gaiberger) meinte, Traditionen seien gut, aber man fahre heutzutage auch nicht mehr mit der Kutsche durch die Landschaft. Schaetzle plädierte für die Abschaffung des nächtlichen Glockenschlags der Kirchturmuhr. In eine ähnliche Kerbe hieb Hans-Jürgen Hennrich (Grüne Liste): Traditionen seien gut, für ihn sei es allerdings ein Rätsel, warum nachts um drei Uhr ein Hammer auf die Glocke schlagen müsse. Sein Parteikollege Maximilan Haider schlug vor, den Uhrschlag von 22 bis 6 Uhr morgens abzuschaffen. Auch Matthias Volkmann (CDU) mochte nachzuvollziehen, dass der nächtliche Glockenschlag die Anwohner störe.
Bei zwei Gegenstimmen war die überdeutliche Ratsmehrheit dafür, das 11-Uhr-Läuten beizubehalten. Der nächtliche Glockenschlag der Turmuhr wurde hingegen mit drei Gegenstimmen und einer Enthaltung von 22 bis 6 Uhr abgeschafft, wobei um 22 Uhr täglich zum letzten Mal die Uhrzeit verkündet wird.