FaTz Neckargemünd

Wenn die Corona-Krise Familien ins Wanken bringt

Das "Familientherapeutische Zentrum" in Neckargemünd erwartet einen hohen Behandlungsbedarf - Erweiterung geplant

22.04.2020 UPDATE: 23.04.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 51 Sekunden
Das „Familientherapeutische Zentrum“ liegt in der Neckargemünder Weststadt. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Neckargemünd. Das "Familientherapeutische Zentrum" (FaTz) mit seiner familienpsychiatrischen Tagesklinik am Rande der Neckargemünder Weststadt ist auch in der Coronakrise geöffnet. Und in dieser könnte es noch stärker gebraucht werden als ohnehin schon. "Wir erwarten in den nächsten Wochen einen deutlichen Anstieg von psychischen Erkrankungen und familienpsychiatrischen Behandlungsnotwendigkeiten", teilten die geschäftsführenden Gesellschafter Dr. Rieke Oelkers-Ax und Dr. Thomas Ax mit.

Hintergrund

> Das Familientherapeutische Zentrum (FaTz) in Neckargemünd bietet seit dem Jahr 2015 "integrierte tagesklinische Therapie" für psychisch kranke Kinder mit Eltern und/oder psychisch kranke Eltern mit Kindern zwischen null und 18 Jahren an – besonders, wenn Eltern und

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> Das Familientherapeutische Zentrum (FaTz) in Neckargemünd bietet seit dem Jahr 2015 "integrierte tagesklinische Therapie" für psychisch kranke Kinder mit Eltern und/oder psychisch kranke Eltern mit Kindern zwischen null und 18 Jahren an – besonders, wenn Eltern und Kinder psychisch erkrankt sind. Es handelt sich um akute kinder- und jugendpsychiatrische und psychiatrische Therapie. Das übergeordnete Ziel des FaTz-Konzeptes ist die Förderung beziehungsweise Entwicklung einer gesunden, tragfähigen Bindung zwischen Eltern und ihren Kindern oder ihrem Kind durch eine "ganzheitliche Therapie im Familienkontext". Die Tagesklinik ist werktags von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Im Schnitt dauern die Behandlungen acht bis zwölf Wochen. Jedes Jahr werden zwischen 40 und 50 Familien aus der ganzen Region zwischen Bensheim und Karlsruhe behandelt. Teilweise kommen Familien von weiter weg und leben dann in Ferienwohnungen. Die Behandlung durch das insgesamt etwa 35-köpfige Team findet überwiegend in Gruppenangeboten statt. Angeboten werden auch Videosprechstunden. In Deutschland gibt es laut FaTz bisher kaum Einrichtungen oder Kliniken, die "integriert familienpsychiatrisch" arbeiten – sprich Eltern und Kinder gemeinsam behandeln. (cm)

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Die gedrängte Situation unter häuslicher Quarantäne mit wenig Ausgangsmöglichkeiten und fehlenden "Außenstrukturen" wie Schule, Vereine oder Berufstätigkeit führe zu einer Zunahme innerfamiliärer Konflikte und zu einer Verschlechterung psychischer Symptome. Außerdem erhöhe sich – wie man aus den vergangenen Monaten in China wisse – das Risiko für häusliche Gewalt und Gefährdungen des Kindeswohls.

Die Angst, sich zu infizieren, könne auch einen Anstieg von Angsterkrankungen – etwa Panikattacken – zur Folge haben. Störungen mit Trennungsangst des Kindes- und Jugendalters würden in der Folge zudem vermehrt auftreten, weil die Außenwelt jetzt gefährlicher erscheint.

Ohnehin sei der Druck auf Familien derzeit extrem hoch: Eltern müssten nicht nur "Hausbeschulung" sicherstellen, ihre Kinder zu Hause beschäftigen und Konflikte managen, sondern seien zum Teil auch selbst auswärts oder im Home-Office berufstätig und müssen gegebenenfalls noch für Großeltern mitsorgen, die zur Corona-Risikogruppe zählen.

Dr. Rieke Oelkers-Ax und Dr. Thomas Ax führen das „Familientherapeutische Zentrum“. Foto: Alex

"Ein paar Wochen können Familien überbrücken, doch dann wird es problematisch", sagte Rieke Oelkers-Ax gegenüber der RNZ. "Wir stellen bereits jetzt eine gesteigerte Nachfrage im FaTz fest und erwarten weiter einen steigenden Zulauf." Das FaTz könne einen hilfreichen Beitrag leisten zur "gemeinsamen Bewältigung der sich absehbar weiter zuspitzenden krisenhaften Entwicklung in den Familien". Derzeit seien neun Familien mit jeweils zwei bis sechs Mitgliedern in Behandlung, so Oelkers-Ax.

Bereits seit Mitte März tagt jeden Werktag morgens zu Beginn des Betriebs in der Tagesklinik ein Krisenstab unter der Leitung von Rieke Oelkers-Ax, die Ärztliche Direktorin ist. Dabei geht es darum, die Maßnahmen an die jeweils aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und an die behördlichen Verordnungen anzupassen.

Der Krisenstab befinde sich in direktem Austausch mit dem Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises. "Der Betrieb und die bisher getroffenen Maßnahmen werden kontinuierlich mit dem Gesundheitsamt abgestimmt", so Oelkers-Ax und Ax. Da das FaTz zur kritischen Infrastruktur zähle, dürfe es auch geöffnet bleiben. "Wir machen weiter", betont Oelkers-Ax.

Auf dem Gelände des Zentrums können sich die Familien wohlfühlen. Foto: Alex

In einer Zeit, in der familienpsychiatrische Behandlungsnotwendigkeiten drastisch zunehmen und zugleich herkömmliche Unterstützungsstrukturen und Helfernetze immer weniger zur Verfügung stehen würden, arbeite das FaTz mit Hochdruck daran, seine Behandlungsmöglichkeiten weiter auszubauen. Dazu gehört auch eine Erweiterung durch einen Anbau an das bestehende Gebäude in der Hermann-Walker-Straße mit einer Fläche von rund 200 Quadratmetern, wie Thomas Ax erläutert.

Hierzu werde in Zusammenarbeit mit der Stadt ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erstellt. "Wir können ein guter Motor für den Gesundheitsstandort Neckargemünd sein", so Ax. Die aktuelle Krise könne Auswirkungen auf Familien über die nächsten zehn bis 15 Jahre haben.

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