Edingen-Neckarhausen

Andreas Pollack wird vom Dorfpfarrer zum Knast-Seelsorger

Der Pfarrer tritt die Stelle als Seelsorger in der JVA in Bruchsal an.

13.08.2023 UPDATE: 13.08.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 14 Sekunden
Auch die blauen Kirchenfenster und die besondere Stimmung durch deren Licht sind etwas, was Andreas Pollack in Erinnerung bleiben wird. Foto: Nieber

Von Edda Nieber

Edingen-Neckarhausen. "Ab jetzt fahre ich morgens zur Arbeit und abends zurück. Für andere ist das ganz normal, aber ich werde mich erst daran gewöhnen müssen", lachte Andreas Pollack. Und das ist bei Weitem nicht alles, was sich zukünftig für ihn verändern wird. Nach 13 Jahren in Neckarhausen geht der evangelische Pfarrer nun neue Wege und arbeitet ab September als Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal. Im Gespräch mit der RNZ blickte er zurück auf seine Zeit als Gemeindepfarrer und erzählte, was nun auf ihn zukommen wird.

"13 Jahre, das ist schon eine lange Zeit", stellte Pollack fest. Als seine Frau Antje und er 2010 nach Neckarhausen kamen und sich die Pfarrstelle teilten, fanden sie eine gut aufgestellte und aufgeschlossene Gemeinde und einen engagierten Kirchengemeinderat vor. Schnell kristallisierte sich heraus, wer von den beiden welche Aufgaben übernimmt. Während seine Frau sich der jüngeren Generation, vor allem den Konfirmanden, annahm, schaute er insbesondere nach den älteren Gemeindemitgliedern. Die Besuchsdienste bescherten ihm tolle Begegnungen und nette Gespräche. "Gerade wenn sie einsam sind, freuen sich die Menschen über meinen Besuch", wusste Pollack.

Auch die Jubelkonfirmationen waren ihm ein großes Anliegen und jedes Jahr aufs Neue eines der Highlights. Ebenso wie die Osternacht. Es sei diese ungewöhnliche Uhrzeit, die liturgische und meditative Gestaltung mit vielen Kerzen und Gesängen, die diesen Gottesdienst so besonders macht. Besonders gerne erinnert er sich auch an die Gottesdienste im Freien, zum Beispiel die am Pfingstmontag oder bei "Rund ums Schloss". Dort erlebe man außerdem, wie wichtig eine lebendige Ökumene ist und wie gut sie funktioniert.

Natürlich habe er auch die normalen Gottesdienste gerne gehalten, betonte Pollack, aber als Gemeindepfarrer mache man eben noch so viel mehr: Ein wichtiger Teil seiner Arbeit bezog sich gerade in den ersten Jahren auch auf den Kindergarten, der erweitert und vergrößert wurde. Der Anbau an den Kindergarten und der Bau des Pfarrbüros waren große Aufgaben der Anfangsjahre. Besonders dankbar ist Pollack für die Offenheit und Ehrlichkeit der Menschen und die tolle Gemeindearbeit, die er in all den Jahren erleben durfte.

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Manches sei mit der Zeit auch zurückgegangen, gab Pollack zu, und nannte als Beispiele die Kindergottesdienste und Kinderchöre. Stattdessen verlagerten sich die Schwerpunkte auf andere Bereiche wie die digitalen Angebote der Gemeinde. "Als Corona anfing, wurde ich plötzlich zum Administrator", lachte er. Mit den Live-Übertragungen der Gottesdienste, die nach wie vor gemacht werden, eröffneten sich völlig neue Möglichkeiten.

"Natürlich ist es schade, wenn etwas zu Ende geht, aber dafür tut sich etwas Neues auf", so Pollack. Das passt nicht nur zu den Entwicklungen in seiner Gemeinde, sondern auch zu seinen privaten und beruflichen Veränderungen.

Eher zufällig stolperte er über die Stellenanzeige der Landeskirche, die nach einem neuen Gefängnisseelsorger für die Justizvollzugsanstalt Bruchsal suchte. Da die Ausschreibung bald endete, habe er sich erst beworben und dann informiert, lachte er. In den sechs Jahren bis zu seinem Ruhestand wolle er noch mal etwas anderes machen, das halte fit. "Andere werden dann Dekan – aber das wollte ich nicht." Stattdessen suchte er nach einer neuen Herausforderung, die er mit dieser Stelle auf jeden Fall gefunden hat.

"Jeder Tag ist anders, das liebe ich an meinem Job", so Pollack. Ein Bekannter meinte kürzlich zu ihm, er habe keinen Stellen-, sondern einen Berufswechsel vor sich: Anstatt vor Ort und quasi 24/7 abrufbar zu sein, hat er in Zukunft geregelte Arbeitszeiten und einen Arbeitsplatz, zu dem er hinfahren muss, völlig abgeschnitten von Alltag und Umwelt.

"Auch die Gefangenen haben ein Recht auf Religionsausübung", sagte der Pfarrer und verwies auf die Grundrechte. Mit Andachten, Gottesdiensten, Gesprächskreisen und Einzelgesprächen wird er diese in Zukunft gestalten und unterstützen und dabei nicht nur für die Insassen, sondern auch für die Mitarbeiter da sein. Gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen will er ihnen beweisen, dass die frohe Botschaft vor Gefängnismauern keinen Halt macht und immer jemand da ist, mit dem man reden kann, ganz ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. "Christus ist zu denen gegangen, denen es ganz dreckig ging", weiß Pollack. Und das will er in Zukunft auch. Er plant, einen Bibelgesprächskreis anzubieten, wie es ihn auch in Neckarhausen gibt, um die Predigttexte aus den unterschiedlichsten Perspektiven verschiedenster Menschen zu sehen.

Im Moment beschäftigen ihn besonders drei Fragen: Wie geht es mir, wenn ich den ganzen Tag hinter Gittern verbringe? Wie geht es mir mit den Menschen, deren Geschichten und den Themen, die sie mitbringen? Und wie geht es mir, wenn ich den ganzen Tag lang nichts von Neckarhausen mitbekomme? Umso mehr freut er sich, dass er nicht wegziehen muss, sondern in der Gemeinde bleiben kann. Es gefalle ihm nach wie vor hier. Und eines ist ihm jetzt schon klar: Wenn er sonntags mal frei hat, will er weiterhin den Neckarhäuser Gottesdienst besuchen.

Etwas Wehmut scheint dennoch mitzuschwingen, ganz gleich, dass ihm vieles erhalten bleibt. Die ersten Kisten sind gepackt, sein Büro wird er schon bald für seine Nachfolgerin Annemarie Kaschub räumen, die seine Stelle übernimmt.

Info: Andreas Pollack wird am Sonntag, 8. Oktober, um 17 Uhr, in einem Gottesdienst in der Lutherkirche verabschiedet. Bei diesem Anlass wird auch die neue Pfarrerin Annemarie Kaschub begrüßt und der Gemeinde vorgestellt.

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