Dossenheim

Von der Kirche zum zweifachen Opfer gemacht

Katholische Frauen demonstrierten schweigend gegen den Missbrauch in der Institution. Sie zeigten damit ihre Kritik an Umgang und setzten ein Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen.

20.04.2023 UPDATE: 20.04.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 37 Sekunden
Schweigend, aber mit klarer Botschaft in Richtung Kirchenobere versammelten sich die Frauen auf dem Kirchenvorplatz. Foto: Alex

Dossenheim. (dw) "Die notwendigen Konsequenzen sind klar, allein die beherzten Taten fehlen", stand auf einer Tafel geschrieben. "Es ist alles schon mehrfach gesagt", stellten die Frauen der katholischen Frauengemeinschaft (kfd) der Seelsorgeeinheit Schriesheim-Dossenheim fest. Sie hatten sich daher am Dienstagabend demonstrativ schweigend vor der katholischen Kirche St. Pankratius versammelt. Unter der Überschrift "An eurer Seite – für Gerechtigkeit" erklärten sie ihre Solidarität mit den von Missbrauch betroffenen Menschen innerhalb der katholischen Kirche. Durch die Taten des Missbrauchs selbst und dem anschließenden Ausbleiben einer (Straf-)Verfolgung seien die Betroffenen zweifach zum Opfer geworden. Insofern sie überhaupt den Mut aufgebracht hatten, um Hilfe zu bitten ...

Die kfd der Erzdiözese Freiburg, die zu diesem Zeichen aufgerufen hatte, ließ die Aktion bewusst an dem Tag stattfinden, an dem die Ergebnisse der Arbeitsgruppe "Machtstrukturen und Aktenanalyse" der GE-Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Freiburg öffentlich vorgestellt worden waren. Fälle von Missbrauch sind seit September 2018 durch die MHG-Studie (die Buchstaben stehen für die Wissenschaftsstandorte Mannheim, Heidelberg, Gießen) in der Öffentlichkeit bekannt. Die Studie erfasste und untersuchte von 1946 bis 2014 verübte Missbrauchstaten innerhalb der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Bei der gerade vorgestellten Untersuchung war es darum gegangen, Strukturen und Verantwortlichkeiten zu identifizieren. Diese trugen systemimmanent zum Schutz der Täter bei.

Die Aktion vor der Kirche stieß auf reges Interesse. Am Anfang waren es 20 Frauen, im Verlauf des 15-minütigen Schweigens kamen dann immer mehr dazu. Auch ein Mann zeigte sich solidarisch und stellte sich zu den Frauen, die unwillkürlich einen Kreis gebildet hatten. Die Gruppe hielt Kerzen und Blumen in den Händen, die nach dem stillen Protest in der Kirche auf den Stufen zum Altar abgelegt wurden. Fast symbolisch wehte der Wind. Erst sacht, die seit geraumer Zeit vor der Kirche gehisste Regenbogenflagge bewegte sich sanft. Etwas später frischte er auf. Eine frische Brise, die Staub in der von Männern dominierten hierarchischen Kirche aufwirbelt, fordern auch die Frauen. Sie wollen nicht erst seit dem öffentlich bekannt gewordenen Missbrauch Mitsprache und Rechte. "Wer nicht bereit ist, sich engagiert für die Anerkennung einer weiterentwickelten Sexualmoral einzusetzen und innerkirchliche Machtstrukturen zu ändern, ist mitschuldig", formulierte der kfd-Diözesanverband dazu.

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Die Bergstraßengemeinde ist, soweit bekannt, nur mittelbar betroffen. Emil Stehle, bis 2002 Bischof der Diözese Santo Domingo de los Colorados mit Sitz in Ecuador, war zu Beginn seiner kirchlichen Karriere von 1955 bis 1957 hier Kaplan. Damals zu örtlichen Jugendlichen geknüpfte Freundschaften hielten bis zu seinem Tod 2017 an. Die Verbundenheit führte 2007 zur Gründung einer nach ihm benannten Stiftung, die von ihm ins Leben gerufene karitative Projekte fördert. Von der Person Stehle hat man sich inzwischen gelöst, die Hilfe bleibt.

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